Samstagskolumne Peter J. König 24.03.2018

Ist ein bevorstehender Handelskrieg noch abwendbar?

Lange hat es nicht gedauert, bis nach Vereidigung der neuen Regierung die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr neues Regierungsprogramm vorgestellt hat. Nur eine Woche nach der Akkreditierung des Kabinetts ist Merkel am letzten Mittwoch vor den Bundestag getreten, um in Form einer ersten Regierungserklärung ihr politisches Programm für die laufende Legislatur vorzustellen und zu erläutern. 

Das zukünftige Regierungshandeln basiert auf dem Koalitionsvertag, den CDU, CSU und SPD gemeinsam vereinbart und unterschrieben haben. Darüber hinaus hat die Kanzlerin klar gemacht, wo die Schwerpunkte liegen, indem sie zunächst einmal die Herausforderungen benannt hat, die es in den nächsten 3 ½ Jahren und darüber hinaus zu bewältigen gilt. Da gibt es die beiden großen Politikfelder der Innen- und Außenpolitik, die im Grunde eine Vielzahl von Einzelfeldern abdecken, im Bereich des Inneren etwa Bildung, Soziales mit der Versorgung von vor der Geburt bis zur Bahre, im Bereich Wirtschaft, infrastrukturelle Entwicklung mit der Digitalisierung, aber auch Kultur, demographische Entwicklung, Integration von Asylanten und politischer Zusammenhalt zwischen Ost und West in Deutschland, mit dem besonderen Augenmerk auf die Demokratie. 

Die Außenpolitik beginnt bei dem besonderen Verhältnis zu Frankreich und dem Zusammenhalt und der Vertiefung der Europäischen Union, der Währungsunion und der konsequenten Umsetzung des Schengen-Abkommens und damit die garantierte Absicherung der Außengrenzen der EU. Dies korrespondiert unmittelbar mit der Flüchtlingsfrage und der geordneten Abwicklung nach Völkerrecht und unserem Grundgesetz. 

Darüber hinaus ist es von eminenter Bedeutung, wie sich die Bundesrepublik bei den internationalen Krisen verhält, sei es beim Krieg in Syrien, der Terroristenbekämpfung in Afghanistan, in Mali oder an anderen weltweiten Brennpunkten

Ein weiteres Problemfeld stellt sich mit dem Verhältnis zu Putin, Erdogan aber auch Trump dar. Alle drei Staatsführer haben das außenpolitische Agieren der Bundesrepublik Deutschland durch Angela Merkel und den neuen Außenminister Heiko Maas nicht eben leichter gemacht, ganz im Gegenteil, ganz neue Problemfelder sind entstanden und speziell mit der Wahl von #Trump drohen alte Allianzen, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen, auseinander zu brechen, zumindest müssen sie neu überdacht werden. 

Bei #Putin ist alles klar, da ist die Annektierung der Krim, die völkerrechtswidrige Besetzung der Ost-Ukraine durch als fremde Milizen getarnte, russische Einheiten und ganz aktuell der #Giftangriff auf britische Staatsbürger auf dem Staatsgebiet von Großbritannien. Auch hier hat Merkel eine klare Aussage getroffen. 

Bei #Erdogan ist die Haltung der Regierung um ein vielfaches problematischer. Nicht allein die Tatsache, dass etwa 3 Millionen Menschen türkischer Abstammung in Deutschland leben, stellt an sich schon einen schwierigen Sachverhalt dar, denn es gilt nicht nur diese hier zu integrieren und dabei trotzdem ihre kulturellen Wurzeln nicht zu leugnen, es muss auch ein rechtstaatliches Verhältnis dieser Menschen zu dem nationalistischen Umbau der Türkei durch Erdogan gefördert werden. Darüber hinaus gibt es ja noch das sehr problematische Abkommen zwischen der EU und der Türkei über die Flüchtlingsfrage, wobei sich Ankara verpflichtet hat, Millionen von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak oder auch aus Afghanistan in der Türkei zu versorgen, gegen Milliarden natürlich und sie nicht über die Ägäis von Schleppern zu den griechischen Inseln transportieren zu lassen. Nicht nur einmal hat Erdogan Merkel in der Vergangenheit gedroht, den Flüchtlingsstrom ungebremst wieder in die EU einströmen zu lassen. 

Zudem sind die eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die besonders nach diesem dubiosen Putschversuch in der Türkei ein Ausmaß angenommen haben, die absolut diktatorisch sind und die der Charta der Menschenrechtskonvention der Vereinigten Nationen einfach nur spotten. Da ist die Verhaftung von selbst deutschen Journalisten wie #Deniz_Yücel nur eines von unzähligen Beispielen. Ihn und einige andere deutsche Journalisten und Menschenrechtler frei zu bekommen, war bei dem derzeitigen Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland alles andere als ein Kinderspiel. 

Und um es ganz klar zu sagen, was natürlich die Bundesregierung nicht offen zugeben kann, jedes Mittel war dazu recht, ob auf diplomatischem Weg, ob durch Reisewarnungen für die Türkei und wirtschaftlichen Sanktionen oder letztendlich vielleicht durch verdeckten Geldtransfer. Nicht akzeptabel sind weitere Rüstungsverkäufe an Erdogan, denn was er mit den Leopard-Panzern anstellt, ist aktuell in Nord-Syrien zu sehen, wo er die kurdische Stadt Afrin mit seinen Truppen und deutschen Panzern eingekesselt hat, um einmal wieder gegen Kurden vorzugehen. 

Alle Beispiele zeigen, wie komplex und überaus problematisch die Außenmission mit der Türkei momentan ist und sie wird mit dem Einmarsch in Syrien und der damit verbundenen Instabilität der Türkei insgesamt nicht einfacher. Merkel hat ganz dezidiert bei ihrer Regierungserklärung darauf hingewiesen und diesbezüglich Gespräche mit den Türken angemahnt. Aber die Latte der außenpolitischen Probleme hat noch ganz andere Schwerpunkte. Dabei steht ganz besonders das veränderte Verhältnis von Trump zu Europa und auch ganz speziell zu Deutschland im Vordergrund. Der Präsident hat ja mit seiner Losung "America first" ganz eindeutig gesagt, worauf es ihm unter allen Umständen ankommt. Trump möchte den wirtschaftlichen Niedergang seiner produzierenden Industrie mit protektionistischen Mitteln stoppen, indem er nicht nur Einfuhrzölle angedroht hat, sondern sie mittlerweile durch Dekrete diktiert, zunächst direkt gegenüber China, mit der EU will er noch verhandeln, was auf jeden Fall sehr teuer wird. Grund ist die vernachlässigte heimische Industrie, die nicht mehr in Amerika produziert, sondern verteilt über die ganze Welt Produkte lieber dort herstellen lässt, wo sie billiger und oftmals besser sind, etwa in China bei billigen Massenprodukten oder in Europa, Japan oder Südkorea bei Hochtechnologie, wie Maschinen und Autos aus Deutschland, Japan und Südkorea, aber auch kompliziertere Produkte wie Fernseher, Computer oder Smart-Phones. 

In USA selbst wird kaum noch auf diesem Sektor hergestellt, wobei auch der technische Fortschritt in diesen Bereichen auf der Strecke geblieben ist. Ganz aktuell ist das Beispiel bei Aluminium und Stahl, wo unmittelbar Zölle auf die Einfuhr nach USA aufgeschlagen werden sollen. Hintergrund ist natürlich der unterlegene Wettbewerb der amerikanischen Hersteller, denn deren Stahl und Aluminium ist so grottenschlecht, wenn es sie überhaupt noch gibt, dass das verarbeitende Gewerbe sich in Europa oder in Ostasien eindeckt. 

Die Folge war doch der Niedergang ganzer wirtschaftlicher Regionen, wie etwa im "rust belt", einst eine Herzkammer der amerikanischen Stahlindustrie jenseits der Appalachen, jenem bewaldeten Mittelgebirge im Osten Nordamerikas. Hier hat die große Arbeitslosigkeit die Menschen in die Arme von Trump getrieben und seine Versprechungen ihnen wieder Arbeit und Brot zu geben, haben ihn zum Präsident der USA aufsteigen lassen. Mit dem Blick auf eine zweite Amtszeit scheint nun Trump diese Versprechen einlösen zu wollen, ob dies allerdings durch Einfuhrzölle gelingt, ist mehr als zweifelhaft, denn das dann vielleicht wieder auf amerikanischem Boden produzierte Material wird allein durch die Verteuerung ausländischen Stahl und Aluminiums deshalb automatisch nicht besser. Es scheint zweifelhaft zu sein, ob die weiterverarbeitende Industrie nicht doch auf die besseren Rohprodukte weiterhin zurückgreift und dann lieber die Preise für die amerikanischen Verbraucher erhöht. 

Die Reaktion kam prompt, denn sowohl die Europäische Union als auch China, Japan und Südkorea haben für den Fall erhöhter Einfuhrzölle Gegenmaßnahmen durch ebenfalls erhöhte Importzölle angekündigt. Und schon wäre ein weltweiter Handelskrieg in Gang gesetzt, der letztendlich keinem dient, ganz im Gegenteil, die Geschichte hat gelehrt, dass aus einem Handelskrieg oder Handelsboykott sehr schnell ein Krieg mit Waffen entstehen kann. 

Und bei der sich wieder in Gang gesetzten Spirale an Aufrüstung in allen großen Staaten, auch an Atomwaffen, ist jede Verschärfung von handelspolitischer Auseinandersetzung ein tödliches Spiel mit dem Feuer. Putin hat dazu ein ganz aktuelles Beispiel geliefert. Nach den Wirtschaftssanktionen der westlichen Staaten und Japan durch die Krim-Annektierung hat er sofort mit dem Bau neuer nuklearer Waffensysteme begonnen, die er erst vor einigen Tagen vor seiner Wiederwahl als Präsident sehr medienwirksam dem russischen Volk, aber auch der restlichen Welt vorgestellt hat. Auf diese Weise versucht der russische Präsident die westlichen Wirtschaftsnationen zu beeindrucken und dabei ganz speziell Europa, das ja bekanntermaßen unmittelbar vor seiner Haustüre liegt. 

Wir dürfen gespannt sein, welches Ergebnis dass soeben vereinbarte Gipfeltreffen von Putin und Trump auch in Hinsicht auf die Wirtschaftssanktionen gegen Russland bringen wird? Denn eines ist doch ganz klar, beiden Wirtschaftsmächten, sowohl den USA als auch Russland ist ein neuer starker Konkurrent erwachsen, mit einem China, das in jeder Form in der Welt auf dem Vormarsch ist, ob in der Wirtschaft mit seinem Staatskapitalismus, in der Politik mit seiner Machtausdehnung in Südostasien und im Chinesen Meer durch den Ausbau von unbewohnten Inseln zu Militärbasen oder die Präsenz in Afrika, wo die Chinesen nicht nur sich Rohstoffe sichern und riesige Reisplantagen, sondern in vielen Ländern regelrecht eine Wirtschaftsoffensive gestartet haben , indem sie den einzelnen Staaten "kostenlos" Straßen, Flugplätze und ganze Häfen gebaut haben. Da können weder die USA, Russland oder auch Europa tatenlos zusehen. 

Und dies scheint auch bei der Kanzlerin angekommen zu sein, nicht umsonst beschwört sie ein gestärktes Europa, das mit seiner ganzen Wirtschaftskraft auf diese globalen Herausforderungen gemeinsam antwortet. Und um es klar zu sagen, eine Alternative gibt es nicht, Aktionen einzelner Länder, auch von Deutschland, sind geradezu untauglich, dazu hat sich das globale System in den letzten zwei Jahrzehnten zu stark verändert. 

Die Digitalisierung, auch ein ganz wichtiges Thema in Merkels Regierungserklärung, hat auch entscheidend zu diesen Veränderungen beigetragen, wobei der Rede der Bundeskanzlerin ganz klar zu entnehmen war, was diesbezüglich in unmittelbarer Zukunft zu erwarten ist, nämlich eine total vernetzte Welt mit jeder Form globaler Möglichkeiten. Wenn hier Deutschland nicht sofort alles unternimmt, um unsere Wettbewerbsfähigkeit mit an die Weltspitze zu bringen, wird dies gravierende Folgen auf unseren Arbeitsmarkt und unsere Beschäftigungszahlen haben. 

Wie Angela Merkel richtig bemerkt hat, werden sehr bald einige Millionen konventionelle Arbeitsplätze wegfallen, da Roboter und künstliche Intelligenz die Arbeiten übernehmen werden. Dies muss unserer Bevölkerung eindeutig klar werden, denn augenscheinlich mangelt es noch dem ganz überwiegenden Teil an dieser Erkenntnis, denn warum sollte ansonsten noch so wenig Gebrauch von den digitalen Möglichkeiten bisher gemacht worden sein, sowohl von Staatsseite her, als auch von Seiten jedes Einzelnen sowie auch vom Handwerk, wie die Zahlen es beweisen. 

Lediglich die Großindustrie und die weltweit operierenden Firmen haben hierzulande die sich aus der Digitalisierung ergebenden Möglichkeiten gewinnbringend erkannt. Da ist ja selbst das kleine aber innovative Litauen uns bereits weit voraus. Jedenfalls hat Angela Merkel alles dieses in ihrer ersten Regierungserklärung als wiedergewählte Bundeskanzlerin thematisiert und hat überraschenderweise durchaus Versäumnisse und Mängel in der Vergangenheit festgestellt. Dies könnte ein erster Schritt zur Erneuerung und zu einem längst überfälligen Aufbruch sein. Aber es müssen jetzt Taten folgen. Regierungserklärungen allein reichen da nicht, selbst wenn sie ein "mea culpa" beinhalten. 

Und wie sehr die Welt und unsere politischen Notwendigkeiten ebenfalls vernetzt sind, zeigt allein die Tatsache, dass, so wie im Leben überhaupt, alles mit allem zusammenhängt, Außenpolitik mit der Wirtschaft, Wirtschaft mit weltweiter Vernetzung und Digitalisierung, daraus resultierend allgemeiner Wohlstand mit der richtigen Sozialpolitik, die das geeignete Wohl aller Menschen in unserem Land im Auge hat. Dann macht es auch nichts aus, wenn Familie Quandt 1,1 Milliarden Euro von BMW für den Gewinn im letzten Jahr erhält. Über den erfreulichen Bonus aller BMW-Mitarbeiter von annähernd 10.000 Euro lässt sich allenfalls streiten, ob man mehr links oder wirtschaftsliberal orientiert ist, in jedem Fall steht fest, dass sowohl Aktieninhaber als auch Mitarbeiter ihre Gewinne versteuern müssen, auf welche Weise auch immer, und Finanzminister Olaf Scholz kann das ambitionierte Regierungsprogramm von Angela Merkel besonders tatkräftig finanziell unterstützen. 


 Peter J. König

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