Samstagskolumne Peter J. König 03.03.2018

Am Sonntag ist High Noon: TOP oder FLOP

Es ist so weit. Bis einschließlich Freitag, den 2.März hatten die etwa 460.000 Mitglieder der SPD die Gelegenheit, ihr Votum für oder gegen die Große Koalition abzugeben. Das Ergebnis wird mit großer Spannung erwartet, entscheidet es doch darüber, ob eine erneute Koalition zwischen CDU, CSU und SPD zustande kommt. Dies ist unabhängig von der Frage, ob es eigentlich politisch legitim ist, dass eine verschwindende Minderheit von ein paar hunderttausend registrierten Sozialdemokraten letztendlich entscheidet, ob es zu dieser Koalition mit einer neuen Regierung kommt, oder ob am Ende doch Neuwahlen angesetzt werden müssen, weil sich die Parteien nicht imstande sehen, eine tragfähige Regierung zu bilden, welche Farben auch immer diese gehabt hätten, ob Jamaika, Ampel oder die Groko. 

Der Wähler kann erwarten, dass die im Bundestag vertretenen Parteien sich auf eine Regierung einigen können, und nicht weglaufen, wenn bereits bei Sondierungsverhandlungen man sich nicht richtig berücksichtigt fühlt, wie etwa die FDP mit 10,7% Stimmenanteil, die sich wie die stärkste Fraktion gebärdet hat, mit dem Anspruch, maßgeblich das Meiste bestimmen zu wollen

"Schwamm drüber", die SPD hat unmittelbar nach der Wahl und auch danach eine nicht minder unrühmliche Rolle gespielt. "Messias Schulz" hat sofort kategorisch einen Eintritt in eine Koalition abgelehnt, was sich hernach als schwerer strategischer Fehler herausstellte und schlussendlich zu den vertrackten Folgen für die SPD geführt hat, die da sind: "Messias" weg, Wahl-Prognose im schwindelnden Fall, jetzt bereits im Zuge mehreren Umfragen bei 16%, gleichauf mit der rechtsradikalen AfD, dabei ist eine Ende noch nicht in Sicht

Und nun das Ergebnis der Mitgliederbefragung, das noch keineswegs feststeht, bis die letzte Stimme ausgezählt ist, wie diesbezügliche Umfragen es weismachen wollen. Danach soll das Ergebnis äußerst knapp für die Groko mit einem "Ja" ausfallen. Aber dieses bedeutet gar nichts, denn mal stimmen Umfragen einigermaßen, mal liegen sie deutlich daneben. Ob die SPD mit ihrem demokratischen Basisversuch ausgerechnet in ihrer Situation der totalen Verirrung den vernünftigsten Schritt getan hat, wird sich nach der Bekanntgabe der Mitgliederbefragung am Sonntag zeigen. Bei einem "Nein" beginnt die große Demontage dieser altehrwürdigen Partei erst recht. Dies ist, ohne Prophet zu sein, klar erkennbar. Sinnvoller wäre es gewesen, es bei dem Votum des Parteitages in Bonn zu belassen, als die Delegierten sich zur Sondierung mit CDU und CSU mehrheitlich entschieden haben. Wozu noch "alle" Parteimitglieder fragen, sind die Delegierten nicht die demokratisch gewählten Vertreter des gesamten Parteivolkes? 

Klar ist doch, wenn das Votum der Mitglieder so entscheidend von dem Willen der gewählten Vertreter abweicht, dann stimmt irgendetwas ganz Wesentliches nicht mit der Struktur der SPD, zu viel Klüngel und zu wenig Durchlässigkeit im Machtgefüge vielleicht? Auch dies war ein schwerer strategischer Fehler von Schulz und seiner Führungsriege, sie hätten zuerst besser eine Koalition gebildet, wenn auch schweren Herzens, um danach in Regierungsverantwortung mit der Erneuerung der Partei zu beginnen. Zumal die SPD doch eigentlich sehr erfolgreich Koalitionsverhandlungen mit den Unionisten geführt hat und damit über eine Basis verfügte, nicht nur wichtige und sehr notwendige Punkte ihres Programms durchzusetzen, sondern auch wieder markant in der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. 

Wie kann man einen solchen Erfolg für die Partei und die Menschen im Land so leichtfertig aufs Spiel setzen, zumal die Jusos es verstanden haben, Fundamental-Opposition innerhalb der Basis der Partei sehr erfolgreich, aber im Ergebnis völlig unklug, zu verkaufen. Es wäre ratsam gewesen die SPD-Führung hätte die Partei zunächst aus der Gefahrenzone eines weiteren Absturzes geführt. Und mit einer vernünftigen Erneuerungspolitik für das Land als mitverantwortliche Regierung wäre auch eine innerparteiliche Erneuerung viel besser vonstatten gegangen. Nun hängt alles am seidenen Faden und wer glaubt tatsächlich, dass nach einer Neuwahl mit vielleicht 12 oder 13%, garantiert hinter der AfD, hinter den Linken und hinter den Grünen, die SPD problemlos und alsbald sich erneuern könnte, um zu alter Stärke zurück zu finden. Mit Verlaub, eine Utopie und Wunschdenken, aber wirklich kein realistischer Ansatz zu einem erfolgreichen Comeback. 

Es verbietet sich hier und heute über eine Regierung zu spekulieren, wenn die Groko nicht kommt. Aber eines ist sicher, wir reden dann über ganz andere Konstellationen und die können wahrlich Angst machen, wird doch an der AfD keiner mehr vorbeikommen. Was passiert, wenn diese dann nicht mit von der Partie sein wird, was eher unwahrscheinlich ist, denn die Union wird ihren Widerstand gegen diese, im Willen doch wieder die Regierung zu führen, aufgeben und sich zu einer Koalition mit den Rechtsradikalen bereit erklären? Falls jedoch ohne AfD, wird es in der Folge zu einer absolut schwachen politischen Führung durch mehrere Parteien kommen, die durch ständige Querelen handlungsunfähig und gefährdet sein wird. Spätestens dann ist die AfD ganz obenauf, denn bei erneuten Wahlen werden dann die Wähler in Massen ihnen zulaufen, haben doch die Altparteien gezeigt, dass sie stabile Verhältnisse nicht mehr schaffen können, ganz so wie 1933. Ähnliche Konstellationen gibt es z.B. in Italien, wo der rechtsgerichtete Berlusconi sich am Sonntag anschickt, wieder die Macht zu gewinnen. Aber noch sind wir nicht soweit, noch ist Hoffnung. 

Die Frage, ob etwa 460.000 Mitglieder der SPD uns zu diesem Schicksal verdonnern können, bleibt trotz "Ja" oder "Nein" doch im Raum stehen? 

Nach so viel berechtigter Spekulation ist es wichtig sich mit den aktuellen Fragen unseres Landes und unserer Gesellschaft zu befassen, die eine Große Koalition, sollte sie denn doch zustande kommen, unbedingt anpacken muss. Im Ansatz zeigt ja schon das ausgehandelte Koalitionspapier, welche Veränderungen dringend in unserem Land durchgeführt werden müssen. Dabei fällt auf, dass eine Reihe von Aktivitäten längst hätten stattfinden können, zumal die Kanzlerin Angela Merkel schon bereits 3 Amtszeiten regiert und damit es ihre Pflicht gewesen wäre, sich über die Zustände in unserem Land umfassend zu informieren, Mängel politisch anzugehen und zukunftsorientiert zu handeln. Und diese Mängel gelten für viele Bereiche unseres Staates und der Gesellschaft. 

Außenpolitisch hat sie ja durchaus große Erfolge erzielt und hat der Bundesrepublik Deutschland wieder mehr Gewicht in Europa und der Welt gegeben. Aber gerade die letzte Bundestagswahl im September hat gezeigt, dass es gravierende Versäumnisse in unserem Staatswesen gibt, sei es in der Bildung(katastrophal), sei es im Gesundheitswesen bei den Ärzten, Krankenhäusern und der Pflege, überall wo der Staat sich zurückgezogen hat oder seiner Aufsichtspflicht nicht gewissenhaft nachgekommen ist. So ist neoliberaler Wildwuchs entstanden, immer verbunden mit Kostenexplosionen oder absurden Tatsachen, wenn Kassenpatienten Monate auf einen Facharzt-Termin warten müssen, über die weit überhöhten Kassenbeiträge der Krankenkassen, ob privat oder gesetzlich ganz zu schweigen. 

Hier existiert die Schieflage bereits seit Jahrzehnten und die Regierungen unter Merkel sind in ihrem angeblichen Kampf dagegen keinen Zentimeter weitergekommen. Und was ist mit der fortschreitenden Armut ganzer Bevölkerungsteile, sei es während des Berufslebens etwa von alleinerziehenden Müttern oder von Rentnern, die ein Leben lang gearbeitet haben und im Alter kaum von ihrer knappen Rente leben können? 

Weiter geht es mit der Digitalisierung, die hierzulande nahezu von der federführenden Politik verschlafen wurde, wie es sich jetzt immer konkreter herausstellt. Da ist es doch ein Witz, wenn im neuen Koalitions-Papier und von den seit Jahren an der Macht befindlichen Politikern erklärt wird, man sei auf einem guten Weg, man wolle in Deutschland eine Digitalisierungs-Offensive starten! 

Womit haben sich die zuständigen Fachministerien eigentlich die letzten 10 Jahre beschäftigt, wenn sie jetzt erst aufwachen und feststellen, dass es tatsächlich so etwas wie eine weltweite Digitalisierung gibt, ohne die zukünftig kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist? Da fällt es ja schon schwer zu glauben, dass ab jetzt der Turbo einsetzt, vermutlich aber mit Angela Merkel als Kanzlerin nicht mehr. Zweifellos hat sie große Verdienste für Deutschland erworben, sie hat vernünftig verwaltet und hatte das Glück, dass die Wirtschaft prächtig lief, sodass die nötige Herausforderung von Innovation primär sich nicht offen gezeigt hat. Diese Zeiten sind aber vorüber und der Mangel an Erneuerung wird immer deutlicher.

Globalisierung und Digitalisierung sind viel weiter fortgeschritten, wie dies in unserem Land deutlich wird. Die deutsche Industrie hat sich sukzessive ins Ausland verlagert, nach China oder in die USA wie z.B. die Autoindustrie, die ja auch die Elektromobilität verschlafen hat, um nicht wie über ein Jahrhundert lang stets Vorreiter zu sein und so hochqualifizierte Arbeitsplätze zu sichern. Über die Entwicklung künstlicher Intelligenz und ihre Umsetzung in die tägliche Praxis wissen hierzulande allenfalls die wenigen Experten etwas zu sagen und doch ist es die unmittelbare Zukunft. In all diesen Bereichen hat die Politik der Regierung nichts Adäquates vorzuweisen, hier wurden keine Weichen gestellt und schon gar nichts in die Wege geleitet. Wenn das sich nicht demnächst rächen wird? 

Jetzt ist Handeln gefragt und zwar umgehend und tiefgreifend. Und dies ist nicht mehr die Zeit von Angela Merkel. Auf alten Lorbeeren ausruhen und verknöcherten Verfahrensmethoden vertrauen, hilft jetzt nicht mehr, zumal die geschäftsführende Noch-Kanzlerin auch durch ihre 3 Amtsperioden verständlicherweise ausgepowert ist. 

"Frisches Blut" und neue Ideengeber müssen her und nur so kann eine erneute Groko Erfolg haben. Aber Angela Merkel, "die Rationale" wäre nicht Angela Merkel, wenn sie dies nicht lange erkannt hätte. Hier ist sie weitaus weniger ichbezogen und machtbesessen, als ihr einstiger Ziehvater Helmut Kohl, der partout nicht von der Macht lassen konnte, obwohl abzusehen war, dass alles in einem Scherbenhaufen enden würde. 

Mal wieder hat Merkel bewiesen, dass sie durchaus noch Realitätssinn besitzt und die Zeichen der Zeit erkannt hat. Und das macht sie zu einer großen Politikerin und zeigt intelligente Stärke. Mit ihrer neuen Generalsekretärin Annegret Kramp Karrenbauer, der ehemaligen Ministerpräsidentin des Saarlandes hat sie ein politisches Gewicht auf den Schild gehoben, die durchaus ähnliche politische Qualitäten besitzt wie sie selbst, die gezeigt hat, dass sie bei der Bevölkerung gut ankommt, anpacken kann und keine Angst vor männlichen Macho-Kollegen in der eigenen Führungsspitze und beim politischen Gegner hat. Zudem zeigt die Besetzungsliste der CDU-Ministerien der zukünftigen Regierung, falls sie denn zustande kommt, dass jetzt ein Generationswechsel seitens Merkel eingeleitet wurde, an dessen Ende im Laufe der Legislatur der Wechsel an der Regierungsspitze stehen wird. 

Wer allerdings die jetzige Kanzlerin beerbt, ist noch nicht endgültig ausgemacht. Dazu fehlen aktuell Merkel noch wichtige Erkenntnisse über das geschärfte politische Profil und das verantwortliche Handeln der in Frage kommenden Personen. Hier ist die Union und speziell die CDU einen ganzen Schritt weiter wie die CSU oder gar die SPD, die ja noch keine eventuelle Ministerin oder einen möglichen Minister benannt hat, zu groß ist die Angst, das könnte im Einzelfall noch mehr Mitglieder zu einem "Nein" bewegen. 

Interessant ist noch die Bemerkung von einigen führenden Mitgliedern der SPD-Spitze, die doch allen Ernstes behauptet haben, es gäbe keinen Plan B, wenn die Befragung negativ ausfällt. Dies scheint blauäugig, ist jedoch durchaus verständlich, denn alle diejenigen, die sich angeblich um eine Alternative nach dem Scheitern keine Gedanken gemacht haben, brauchen dies auch nicht mehr zu tun. Ihre Plätze haben dann andere Genossen eingenommen, die hoffentlich bessere Strategien und mehr Fortune zum Überleben der Sozies und für die Erneuerung unseres Landes haben. Eins ist jedoch noch immer klar, eine wieder erstarkte SPD wird auch zukünftig mehr denn je gebraucht, so oder so. 

 Peter J. König

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