Samstagskolumne Peter J. König 27.01.2018

Die Zeichen stehen auf Umbruch, die digitale Revolution erfordert Antworten. 

Die Zeit der totalen Veränderung unserer Gesellschaften, unserer Arbeitswelt, unserer globalen Herausforderungen und weltweiten Konflikte ist weiter vorangeschritten, als wir das direkt wahrnehmen. Wahrnehmbar ist auch kaum das persönliche Schicksal von einigen Gruppen in der Gesellschaft, die durch die neoliberale Politik der letzten zwanzig Jahre an den Rand ihrer Existenzen gedrängt wurden, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, durch eigene Arbeit sich und ihre Familien zu ernähren, anständig zu wohnen, ihnen eine menschenwürdige Versorgung im Alter nicht mehr möglich ist und ihre Kinder keine Bildung erhalten, die zukunftsorientiert, auch im digitalen Zeitalter ein sicheres Einkommen garantiert. 

Tatsächlich stehen wir an der Schwelle eines neuen Zeitalters, das allenfalls mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts zu vergleichen ist, der Beginn des Zeitalters der Maschine, entstanden in Großbritannien, als durch mechanische Webstühle die Produktion von Tuch enorm ausgeweitet wurde und dazu Arbeiter in den Fabriken notwendig waren, die diese Maschinen in Gang setzen. Früher haben diese Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet, nun sind sie vom Land in die industriellen Ballungszentren von Mittelengland gezogen, um dort als Arbeiter in miserablen Verhältnissen ihr Brot zu verdienen. Dabei scheuten sich die Fabrikbesitzer nicht, Kinder quasi zu versklaven, da diese noch weniger für ihre Arbeit entlohnt wurden, als Erwachsene, die ja auch schon ein geringes Entgelt erhielten. 

Wenn diese unwürdigen Bedingungen auch heutzutage in der Form nicht mehr möglich sind, so ist doch die Veränderung vergleichbar, denen unsere Gesellschaften gegenüberstehen werden. Und dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die meisten Länder in Europa, denn die Digitalisierung ist grenzenlos und die dadurch folgende Globalisierung nicht mehr aufzuhalten. Es sind gerade die klassischen Industrieländer, die am meisten mit den Folgen zu kämpfen haben, denen es besonders schwer fällt, angemessen auf die digitale Revolution zu reagieren. 

Facebook und Twitter und die anderen sozialen Medien sind da keine geeignete, erfolgsversprechende Antwort, eher Spielerei und allenfalls eine Möglichkeit alles weitaus öffentlicher zu machen, als dies im analogen Zeitalter möglich war. Interessant ist dabei, dass Staaten, die eher entwicklungsmäßig in Europa abgehängt waren, durch die frühe Digitalisierung ihrer Wirtschaft, Gesellschaft und in der Verwaltung, eine Quantensprung absolviert haben, wie etwa Estland, wo ohne die weltweite Vernetzung überhaupt nichts mehr geht, wo aber durch eine große Zahl von Internet-Firmen der Handel global ausgerichtet wurde, europaweit sowieso, und wo das kleine baltische Land eine sprunghafte Wirtschaftsentwicklung genommen hat, die anders gar nicht möglich gewesen wäre. Die staatliche Verwaltung wird per Internet organisiert, schnell, effizient und wirtschaftsfördernd. Da können sich die anderen europäischen Staaten ein Beispiel nehmen, denn hier wird sichtbar, was in naher Zukunft auf sie zukommt. Wer dann mit vorne dabei ist, hat die besten Chancen das Land wirtschaftlich und sozial sicher in die Zukunft zu führen. 

Diese Länder brauchen die Globalisierung nicht zu fürchten, ganz im Gegenteil, die globale Wirtschaft steht ihnen offen. Wer das Weltwirtschafts-Forum in Davos aufmerksam verfolgt hat, spürt geradezu wie dringend notwendig es ist, mit der Entwicklung der weltweiten Digitalisierung Schritt zu halten. 

Sowohl Angela Merkel als auch Emmanuel Macron, aber auch viele weitere Staatslenker aus Europa und Übersee haben eindringlich auf diese weltweite Revolution hingewiesen, zumal diese Entwicklung durchaus auch große soziale Verwerfungen mit sich bringen kann, wenn nicht schnellstens darauf reagiert wird. Die Bundeskanzlerin in Wartestellung hat dann auch freimütig zugeben, dass es höchste Zeit wird, unsere Gesellschaft darauf einzustellen, angefangen durch eine effiziente, zukunftsorientierte Bildungspolitik, damit die jungen Menschen, ähnlich wie in Estland, im digitalen Zeitalter zurechtkommen, aber dass sich auch die Menschen ganz allgemein mit den neuen Techniken befassen und sie verstehen und beherrschen lernen. 

Hier hat die Politik in der Vergangenheit geschlafen, wie auch in einigen anderen Bereichen, etwa Wohnungsbau, adäquate Entlohnung in den sozialen Berufen und, und, und. Überhaupt wurde in unserem Land mit dem Wichtigsten was es besitzt besonders fahrlässig umgegangen. Und damit sind die jungen Menschen gemeint, denn in keinem Land Europas ist so wenig darauf geachtet worden, dass junge Familien Nachwuchs bekommen, ohne dass dies wie hierzulande keinen Nachteil und wirtschaftliche Einbußen hervorrufen, sondern dass der Staat dies großzügig honoriert und finanzielle Hilfen leistet. Kinder sind nun einmal der Garant für unseren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortbestand, zumal wenn sie gut ausgebildet und sich in der globalen Vernetzung versiert bewegen können. 

Und da darf keiner zurückgelassen werden, betonte Angela Merkel, denn nichts wäre schlimmer für unsere Gesellschaft, als eine Teilung in zwei Klassen, die einen, die mit der neuen Entwicklung zurechtkommen und die anderen, die sie nicht verstehen. 

Die Folge wäre eine Verarmung eines ganz großen Teils der Bevölkerung, sie kämen für einen sicheren Job nicht mehr in Frage. Das Ergebnis wäre verheerend, denn mit der Arbeitslosigkeit wächst der Unmut und wenn dann noch die notwendige soziale Unterstützung zu gering ausfällt, dann sind Aufruhr und Aufstände vorprogrammiert. Ein Blick in die Menschheits-Geschichte spricht da Bände, sei es im alten Rom, wo es immer wieder Aufstände und Verwüstungen in den Elendsviertel gab, weil die Menschen gehungert haben, sei es bei der Französischen Revolution, wo der nicht bezahlbare Brotpreis die Menschen nach Versailles an den Königshof zwecks massiven Protests getrieben hat und sie von Marie Antoinette, der französischen Königin mit den Worten beschieden wurden: "Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen". 

Aufstände dieser Art hat es in der Geschichte viele gegeben und die Ursachen waren hauptsächlich krasse Missstände wie Hunger und Elend innerhalb der Bevölkerungen. Dies weiß auch die Kanzlerin, und hat ihre zukünftige Politik ganz auf die digitalen Herausforderungen ausgerichtet, die zwangsläufig einhergehen mit einem gesellschaftlichen Wandel, dessen Richtung noch nicht klar erkennbar ist. 

Spät, aber notwendigerweise, versucht sie jetzt eine Bildungsoffensive, die alle Altersgruppen erfassen soll und die über unsere Zukunft bestimmt. Dabei sitzt ihr noch die AfD im Nacken, die mit ihrer Rechtsradikalität, ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihrem Nationalismus alles andere als behilflich ist, um in einem europäischen Konsens die Globalisierung zu meistern, wozu Deutschland alleine in der Zukunft überhaupt nicht mehr in der Lage sein wird. 

Macron hat dies ebenso für sein Land Frankreich erkannt. Deshalb hat er in seiner sehr beachtenswerten Rede in Davos für ein zehnjähriges gemeinsames Entwicklungsprogramm in Europa geworben, das all diesen globalen Herausforderungen begegnen soll, wo die Europäer, gemeinsam mit Frankreich und Deutschland an der Spitze, je nach ihrer Leistungsfähigkeit, aber in striktem Konsens und gemeinsamer Ausrichtung, sich als Einheit dem weltweiten Wettbewerb stellen. Auch für Macron hat die digitale Ausbildung der jungen Menschen die höchste Priorität, um für die Zukunft gewappnet zu sein. 

Aber es gibt noch einen genauso wichtigen Punkt, der sich bei vielen Reden in Davos heraus kristallisiert hat und der nicht nur von den 70 Staatslenkern, die alle ihre Aufwartung beim Weltwirtschafts-Forum gemacht haben immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wurde. Auch die Bosse der weltweit größten Firmen, ja selbst aus den USA, haben erkannt, dass es zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit der Gewinne kommen muss, was so viel heißt, dass nicht allein die Unternehmen „den ganzen Rahm abschöpfen“, sondern dass die Arbeitnehmer stärker an den Erlösen beteiligt werden müssen, soll es zukünftig nicht weltweit zu massiven Verwerfungen kommen. 

Gerade die internationalen US-Firmen wie Apple haben in der Vergangenheit durch geschickte Steuervermeidungstaktiken rund um den Globus riesige Vermögen gebunkert. Anstatt diese in den USA zu investieren, um dort neue Arbeitsplätze zu schaffen, wird das Geld weltweit platziert, um neue Milliarden zu akquirieren. Die Folge war eine massive Arbeitslosigkeit der weißen unteren Mittelschicht, die schließlich Trump zum Präsident gemacht hat. Seine kürzlich verordnete Steuersenkung, verbunden mit höheren Zöllen für ausländische Waren, besonders aus China, sollen der produzierenden Wirtschaft in den USA wieder Aufschwung geben und speziell dem unteren gebeutelten Mittelstand wieder neue Jobs verschaffen. 

So versucht er zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen würde er ein Wahlversprechen für seine Wähler einlösen und sie für eine zweite Amtszeit bei der Stange halten, zum anderen, und dies scheint der entscheidende Punkt zu sein, er lässt die Reichen, inklusive seiner eigenen Familie noch reicher werden, ohne dass das Volk aufbegehrt. Ob dies auf Dauer so funktionieren wird, da haben selbst die Experten doch sehr berechtigte Zweifel, zumal noch nicht klar ist, dass der Coup überhaupt gelingt. 

Die internationalen Manager jedenfalls plädieren in Davos für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Sie sehen in der Konzentration des Geldes weltweit auf eine immer kleinere Gruppe von Milliardären eine echte Gefahr für die gesamte globale Wirtschaft. Dies ist ja auch logisch, denn wer soll das ganze produzierte Zeug des Konsums eigentlich kaufen, wenn die Masse immer weniger Geld hat und der Reichtum sich auf einige Wenige konzentriert. 

Die Folge wären Aufstände, Zusammenbruch der Wirtschaften, Verwüstungen und schließlich Anarchie und Kriege um Ressourcen und Lebensmittel. Dies kann auch dem geldgierigsten Kapitalisten nicht gefallen, denn was nützt ihm seine weltweit gebunkerte Kohle, wenn er mit seinem Privatjet mangels Sprit nirgendwo mehr zwischenlanden kann? 

Sie glauben, der Autor übertreibt hier maßlos? Informieren Sie sich bitte in der Geschichte, die römischen Imperatoren glaubten auch sie seien unantastbar, bis der Pöbel (populus) sie weggefegt hat. 

Der europäische Adel, erst in Frankreich, später in Russland, Deutschland und Österreich waren sich jahrhundertelang sicher, ihre Privilegien seien ewig. Und dann hat es nur kurze Zeit gedauert, sie zu liquidieren, oder wenn sie Glück hatten, konnten sie ins Exil fliehen. 

In Davos jedenfalls scheint dies die Mächtigen dieser Welt doch sehr beschäftigt zu haben. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren sich nahezu einig, dass speziell durch und mit der Globalisierung die soziale Frage mehr als akut ist. Dies sollte zu denken geben, denn eins ist doch klar, aus reiner Menschenfreundlichkeit wird dieses Thema nicht mit einer solchen Dringlichkeit auf die Agenda gesetzt, da muss schon mehr auf dem Spiel stehen. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 20.01.2018

Kommt sie oder kommt sie nicht, die ungeliebte große Koalition von CDU, CSU und SPD? 

Während nicht nur in Deutschland sondern auch in ganz Europa und dabei speziell in Frankreich Macron darauf wartet, dass unser Land regierungs- und handlungsfähig wird, krümmt sich die SPD in Geburtswehen, und das obwohl noch nicht einmal die Hälfte der politischen Schwangerschaft vorbei ist. Zunächst geht es darum, die Delegierten bei dem am kommenden Sonntag stattfindenden Parteitag in Bonn zu überzeugen, dass das Sondierungspapier angenommen wird und die Mehrheit der Abgesandten der SPD für Koalitionsgespräche mit CDU und CSU stimmen. Dies allein ist schon eine Schwerst-Geburt, bei der die Chancen fifty-fifty stehen.

So bemüht sich die Parteispitze um Martin Schulz und Andrea Nahles auf regionaler Ebene die Delegierten zur Zustimmung zu bewegen, was durchaus sehr unterschiedlich angenommen wird. Schon jetzt haben Landesverbände wie Sachsen-Anhalt und Berlin für die Ablehnung votiert. Die Jusos gar geben den Vorreiter für ein entschiedenes "Nein", da sie die entscheidenden Themen der SPD in dem Sondierungspapier nicht deutlich genug verankert sehen und zudem befürchten, dass durch eine neue "Groko" die Partei nicht nur den Rest ihrer Glaubwürdigkeit verliert, sondern so auch zur Bedeutungslosigkeit verkümmert. Neueste Umfragen besagen, dass die SPD nochmals an Zustimmung verloren hat und nun bei einer Bundestagswahl auf maximal 18% kommen würde. 

Die AfD hat erneut zugelegt und käme auf 14% und wäre damit drittstärkste Kraft, denn FDP, Grüne und Linke würden kaum 10% schaffen. Was dies bedeuten würde, wenn aufgrund des Nichtzustandekommen einer großen Koalition in einigen Wochen Neuwahlen stattfinden, soll im Laufe dieser Kolumne noch ausgiebig erörtert werden. 

Zunächst gilt es aber die parteiinternen Vorgänge in der SPD zu analysieren. Dabei ist den Parteioberen ein, wie sie glauben, zugkräftiges Argument eingefallen, denn nicht nur die Delegierten am Sonntag sollen ihre Zustimmung zu Koalitionsgesprächen geben, nein, bei einem "Ja" sollen anschließend auch noch die gesamten SPD-Mitglieder befragt werden, um die Sache ab zunicken. Wenn das keine Basisdemokratie ist, nach dem Motto: "Dreimal genäht hält besser". 

Stellt sich doch die Frage, warum überhaupt noch die Parteivorstände und Delegierten fragen, da kann man doch gleich die Mitglieder entscheiden lassen? 

Dann brauchen wir aber auch keine Abgeordneten mehr, weder in den Landesparlamenten noch im Bund. Dies ist natürlich nicht praktikabel, zudem gefährlich wegen des Populismus und nach dem Grundgesetz auch gar nicht möglich. Die Mütter und Vater des Grundgesetzes waren sich auch aus der Erfahrung der Weimarer Republik sehr wohl einig, dass die Macht im Staat bei den Parlamenten liegt und nicht beim Volk durch entsprechende Volksentscheide. 

Deshalb wird gewählt auf allen Ebenen und die Volksvertreter bestimmen nach ihrem eigenen Gewissen, was an Gesetzen und Verordnungen durchzusetzen ist. Ein Procedere á la SPD ist nicht vorgesehen, dass die Entscheidungen in den Parlamenten noch einmal durch Volksabstimmung abgesegnet oder verworfen werden. Rechtlich ist diese Vorgehensweise innerhalb einer Partei möglich, es zeigt aber doch wie verunsichert, anfällig und wenig stabil eine solche Parteien-Struktur ist, wenn Herr Schulz und seine Führungsmannschaft nach dem Votum zu Koalitionsgesprächen, dieses von den Delegierten und schließlich noch von den Mitgliedern wieder kassiert werden kann. 

Hier handelt es sich nicht um selbstbewusste Politiker, die auf Grund ihrer Wahl die Partei vertreten, sondern um unsichere Zauderer, die eher als Marionetten fungieren, und nicht als Parteiführer, die von ihrer Sache überzeugt sind und notfalls auch ihren Kopf, sprich ihr Amt riskieren, was bei einer Ablehnung durch die Partei sowieso der Fall wäre. 

Vielleicht ist es ja gerade diese Verunsicherung seit Jahren an der Spitze der SPD, dass sie nicht mehr als entscheidende Kraft in Deutschland wahrgenommen wird und sie die Hälfte ihrer Wählerschaft über die Jahre seit Schröder verloren hat. So konnte sich mit den "Linken" eine Partei links von der SPD etablieren, um so das Potential der Linkswähler zu spalten. Früher einmal, und dies über mehr als hundert Jahre, waren die Sozialdemokraten für "den kleinen Mann", aber auch für Linksliberale uneingeschränkt die politische Kraft, von der sie sich vertreten fühlten, für die sie auf die Straße gingen. Natürlich auch weil Frauen und Männer an der Spitze selbstbewusst und unbeugsam ihre politischen Thesen vertreten haben und selbst KZ und Ermordungen unter Hitler für ihre Ideen nicht scheuten. Davon ist die heutige SPD meilenweit entfernt. 

Die Führungsspitze muss quasi mit der Basis drohen, damit die Delegierten einen ersten Schritt zu Koalitionsverhandlungen billigen, um schließlich das Votum den einfachen Mitgliedern zu überlassen. Falls es schließlich doch zu einer großen Koalition kommen sollte, was zwar nicht unwahrscheinlich doch mehr als unsicher ist, sollen in diesem Fall bei schwierigen Entscheidungen in der Regierung und im Parlament auch erst die Mitglieder gefragt werden? Ein absurder Zustand und alles andere als eine verlässliche Politik. So kommen bestimmt kein Aufbruch und kein Neuanfang in unserem Land zustande, wenn die SPD sich einerseits mit den Schwarzen rumschlagen muss und andererseits mit zwei Augen immer wieder auf die Basis und die Wählerschaft schielt. 

Und doch muss die SPD diesen Weg gehen, wenn es irgendwie zu einer stabilen, kalkulierbaren Regierung kommen soll, die eine nötige soziale Gewichtung vorweisen kann. Und hier liegt die Chance für die Sozialdemokraten, zu beweisen, dass sie noch immer eine wichtige Kraft in unserem Land sind, dass sie Verantwortung tragen können für die Menschen in Deutschland und Europa, und dass sie gewillt sind auch unter schwierigsten Bedingungen sich gegen den Rechtsradikalismus, die Fremdenfeindlichkeit und den immer stärker werdenden Nationalismus zu stellen. In dieser Stunde wird die SPD gebraucht, mehr denn je in den letzten Jahrzehnten, denn wenn Europa noch ein zukunftsträchtiges Projekt für uns alle bleiben soll, und ohne dieses gemeinschaftliche Projekt spielen wir auf dem alten Kontinent kaum noch eine bedeutende Rolle in der Welt, also wenn Gemeinsamkeit und Eintracht und nicht nationalistische Zwietracht unsere Zukunft sein soll, dann führt kein Weg an einer baldigen großen Koalition vorbei, und zwar schnell. 

Diese Notwendigkeit ist so unumgänglich, sowohl innen- als auch außenpolitisch, denn zu dem jetzigen Zeitpunkt garantiert nur eine Koalition von CDU, CSU und SPD eine sichere Zukunft, nachdem die Jamaika-Variante gestorben ist. Die politischen Herausforderungen und nationalistischen Verwerfungen in ganz Europa, ja in der ganzen Welt, machen eine deutsche Politik notwendig, die dieser Entwicklung entgegen wirkt, verlässlich ist und Vertrauen ausstrahlt, gerade in die Länder Osteuropas, die von nationalistischen Infiltrationen zurzeit stärker geprägt sind

Und da ist die SPD gefragt, hier muss sie staatspolitische Verantwortung zeigen und sich nicht ausschließlich um die vermeintliche Genesung der Partei in der Opposition kümmern. Denn eine Mitgliedschaft in der Regierung ist sowieso der einzig vernünftige Weg raus aus der innerparteilichen Krise, wenn die Menschen im In- und Ausland erkennen, dass es gerade die SPD ist, die mit ihrer Bereitschaft Verantwortung zu tragen, für Stabilität, Entwicklung und Stärke in Europa und mit in unserem Land sorgt, anstatt sich wieder einmal nur mit sich selbst zu beschäftigen.

Denn was wäre die Alternative, wenn tatsächlich die "Groko" nicht Wirklichkeit würde und demnächst Neuwahlen anstünden? Allein die Tatsache, dass weder Jamaika noch "Groko" dann zustande gekommen ist, wäre ausgiebig Wasser auf die Mühlen der Rechten. Sie sprechen ja eh die Regierungsfähigkeit den alten Parteien ab, um dem Volk zu suggerieren, die neue Bewegung muss ans Ruder, die AfD, um dann federführend all die Probleme zu lösen, die unser Land so maßgeblich erschüttern sollen. Das Heil soll dann in rechtsradikaler Gesinnung, Abschottung und nationalistischer Stärke zu finden sein, alles vergiftete Parolen, die Deutschland schon einmal ins Verderben gestürzt haben. Und das Problem besteht darin, dass in vielen Ländern Europas und besonders im Osten diese verbalen Verführungen immer mehr Anhänger finden, so als hätte es die Geschichte vor und nach 1933 nie gegeben. 

Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, so ist mit einer ähnlichen Situation wie in Frankreich zu rechnen, wo es Marine Le Pen vom Front National, dem rechtsradikalen Pendant zur AfD, fast gelungen wäre, Präsidentin der Franzosen zu werden. Nur Macron mit seiner überparteilichen Bewegung "La République en Marche" ist es gerade noch geglückt die rechtsradikale Le Pen zu verhindern. Doch wer spielt hierzulande die Rolle von Macron? Weit und breit nichts und Niemanden zu sehen! Eine solche Entwicklung darf nicht zugelassen werden, darum muss auch die "Groko" her, so wenig sie auch momentan bei den Menschen favorisiert wird. An der SPD hängt es nun zu entscheiden, welchen Weg unser Land aber auch Europa gehen wird. Entweder gibt es mit Macron eine Erneuerung und Weiterentwicklung der europäischen Idee, wobei durchaus auch falsche Verkrustungen in Form von Überbürokratie aufgebrochen werden müssen, oder es folgt ein Zurück in das Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, das geprägt von nationalistischer Egomanie, letztendlich zwei verheerende Weltkriege hervorgebracht hat. Und glauben Sie nicht, dass dies alles nicht mehr möglich ist. Die Menschen vergessen schnell, zudem sind sie immer wieder bereit, die gleichen Fehler zu machen, besonders wenn sie glauben, es sei zu ihrem Vorteil.

Zunächst gilt es ein stabiles politisches Fundament zu organisieren und dies mit Hilfe der SPD und den beiden christlichen Parteien. Dass dies alles andere als einfach wird, dürfte hier hinreichend erklärt worden sein. Doch es führt kein Weg daran vorbei, und man kann nur hoffen, dass die Vernunft in der SPD die Oberhand gewinnt. Und eins ist dabei doch auch klar, sowohl Merkel als auch Seehofer sind ebenfalls angezählt, denn auch sie benötigen die große Koalition und nicht nur wegen des Erfolgs der Politik der Mitte, sondern auch wegen ihrer persönlichen Erfolgsbilanz nach so vielen Jahren, wenn jetzt schon abzusehen ist, dass sich ihre politischen Karrieren dem Ende zuneigen. Da möchten sie nicht wie geprügelte Hunde vom Hof gehen sondern mit Würde und einem letzten Erfolg. Und genau da liegt die Chance der SPD und ihrem sozialen Programm. 

Wenn die Menschen spüren, dass es die SPD war, die mit Augenmaß und auch dem geeigneten wirtschaftlichen Verständnis, gemeinsam mit CDU und CSU die Probleme hierzulande angepackt hat und Europa mit Macron auf einen neuen, zukunftsträchtigen Weg führt, dann wird es auch bei der langen, oft schmerzvollen Erfahrung mit Angela Merkel nicht mehr so schwer sein, den Menschen deutlich zu zeigen, dass es die SPD war, die in der Stunde der Herausforderung Verantwortung gezeigt hat und dabei für die Menschen im Land bereit war zu kämpfen und zu wegweisenden Lösungen ihrer Probleme mit beizutragen. Dann klappt es auch wieder mit steigenden Wahlergebnissen, denn eine Vielzahl von Wählern der linken und rechten Ränder erkennen zwangsläufig, dass für sie doch die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD die beste politische Lösung sind und wer zweifelt dann noch daran, dass die SPD auch immer ein verlässlicher Garant für die Demokratie und die Balance in unserem Land ist. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 13.01.2018

Hängepartie in der Regierungs-bildung 

Die Monate vergehen und Deutschland befindet sich politisch im Schlafmodus. Nichts rührt sich großartig an der politischen Front in Berlin. Die Bundestagswahl am 24. September letzten Jahres ist mittlerweile fast vier Monate passé und außer einem Jamaika-Flop gab es nichts Wesentliches zu bemerken. Innen- als auch außenpolitisch ist gespenstige Ruhe eingekehrt, so als sei der Lauf der Welt einfach angehalten worden. Doch dieser Eindruck trügt gewaltig. Das Karussell der weltweiten Entscheidungen dreht sich unaufhaltsam, nur wir Deutschen fahren da momentan nicht mit. 

Zwar erklärt die geschäftsführende Regierung sie würde weiterhin sehr aktiv sein, dies ist aber Beschwichtigung und Ablenkung von dem aktuellen Zustand. Bestimmt werden noch die laufenden Aufgaben erledigt, etwa die Anwesenheit in den nationalen Parlamenten, wobei die Aktivität im Bundestag gegen null tendiert und es dringend notwendig wäre, längst überfällige Gesetze zu verabschieden und endlich die politische Auseinandersetzung mit der AfD aufzunehmen, aber wer traut sich da schon aus der Deckung, solange es keine neue Bundesregierung gibt. Dies ist politisch geradezu ein Totalausfall. 

Auf der europäischen und internationalen Bühne tut sich auch so viel wie gar nichts, dass selbst der französische Präsident und Deutschlandfreund Macron inständig anmahnt, dass die Deutschen endlich "zu Potte" kommen, um mit einer stabilen Regierung wieder ins europäische und internationale Geschäft mit einzusteigen. Derweil verkauft Macron in China an die 150 neue Airbus-Flugzeuge und bringt Frankreich und Europa für das Projekt der Chinesen "Neue Seidenstrasse" schon einmal wirksam in Stellung. Es geht dabei um eine neue Eisenbahn-Trasse, die von China nach West-Europa gebaut werden soll, um so auf schnellem Weg gewaltige Mengen von Güter zu transportieren, den Handel zwischen den östlichen und westlichen Polen enorm zu vereinfachen, billiger zu machen und zu beschleunigen. Natürlich denken die Chinesen, die mittlerweile global agieren, in erster Linie an den Export ihrer Güter, einfach und schnell und kostengünstig. Hier hat Macron eine klare Position eingenommen und einen fairen Ausgleich zwischen Westeuropa und Ostasien angemahnt.

Es wäre dringend geboten gewesen und von absolut nationalem Interesse, dass die Bundesregierung durch ihre Führung, wie sie auch heißen mag, gemeinsam mit dem französischen Präsident die gesamt-europäischen Interessen deutlich gemacht hätte, aber Berlin verharrt ja noch in Schockstarre, nachdem Lindner sich vom Acker gemacht hat und ein absolutes politisches Chaos hinterließ. 

Apropos Lindner, dieses politische Leichtgewicht mit selbstdarstellerischen Ambitionen hatte einfach nicht das Format neue Wege in unserem Land zu gehen, die auch dringend notwendig sind und wie es die Jamaika-Konstellation hätte bringen können. Stattdessen hat er nur an seine eigene politische Zukunft gedacht und die Verantwortung gescheut. Zu groß war die Angst, dass die FDP am Ende dieser Koalition die wichtigen Sitze im Bundestag durch die nächste Wahl wieder räumen müsste. Was sind das für Politiker, die gar nicht erst den Versuch unternehmen, etwas Neues und Konstruktives für das Land zu wagen, weil sie Angst haben "Mutti frisst sie auf"? Erinnert so ein bisschen an das Märchen "Der Wolf und die sieben Geißlein". Was zurückgeblieben ist, ist Ratlosigkeit und wie gesagt eine gewisse Schockstarre, trotz aller Beteuerungen von Angela Merkel, alles richtig gemacht zu haben.

Die FDP von der Fahne, die SPD im Verweigerungsmodus, die Grünen, ob ihrer weitgehenden, nicht fruchtenden Zugeständnisse vor den Kopf gestoßen, dass demnächst eine neue Führungsspitze gewählt wird und die Rechtsradikalen im Bundestag und im Land sicht- und hörbar auf dem Vormarsch. Wenn das nicht eine Gemengelage ist, die Angst auslösen kann?

Und nun der Versuch einer neuen großen Koalition. Um es gleich vorweg zu schicken, nichts ist sicher, selbst wenn man sich jetzt zu Koalitionsverhandlungen zusammenraufen würde. Bei all dem Vorgeplänkel, Sie erinnern sich, die SPD wollte in der Opposition vom Absturz genesen, muten die Gespräche wie ein Ritt auf der Rasierklinge an. Jede der drei Parteien ist nicht nur zum Erfolg einer neuen Regierung verdammt, sonst stürzen alle ab, spätestens bei dann folgenden Neuwahlen, nein sie müssen auch sichtbare Profile in den Vereinbarungen vorweisen, sonst gibt es Prügel zuhause.

Speziell die SPD hat da noch ein zusätzliches Problem, denn sollten Schulz und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter sich tatsächlich mit den Schwarzen zu einer Regierung durchringen, dann wartet auf sie nicht nur die Parteibasis, sondern auch noch eine Mitgliederbefragung, um das Ergebnis abzusegnen. Und da haben sich die Jusos schon positioniert, sie lehnen eine erneute Kroko ab und glauben auf einem Parteitag, der speziell in der Koalitionsfrage Klarheit bringen soll, die Delegierten für ein "Nein" gewinnen zu können. Welch eine Aussicht für die deutsche Politik und unser Land?

Manchmal fragt man sich, wozu die Parteien und ihre Vertreter eigentlich da sind? Sie haben nach dem Grundgesetz maßgeblich an der politischen Willensbildung mitzuwirken und wenn gewählt worden ist, alles zu unternehmen, was dem Wohl des Deutschen Volkes dient. Von Gezerre und Geplänkel steht nichts im Grundgesetz und schon gar nicht von taktischen Spielchen. Die Abgeordneten müssen ihrer politischen Pflicht nachkommen, sich über Kompromisse, auch zu einer nicht sonderlich geliebten demokratischen Regierung vereinbaren und endlich damit anfangen, wozu sie gewählt wurden: Verantwortung für das Land nach innen und außen zu übernehmen und den Menschen "zu dienen", auch wenn man die eine oder andere Kröte schlucken muss. 

Es kann doch nicht sein, dass im zwischenparteilichen Gezänk unser Land politisch stillsteht, wichtige innen- und außenpolitische Projekte über Monate ausgesetzt werden, weil man nicht genau weiß, mit wem man sie politisch auf den Weg bringt. Natürlich wissen Merkel, Seehofer und Schulz um die Brisanz und die Dringlichkeit einer neuen Regierung. Deshalb haben sie auf das Tempo gedrückt, wochenlange Wohlfühl-Runden mit ausgiebigen Zigarettenpausen, wirksam auf klassizistischen Balkonen zelebriert, darf es nicht mehr geben, dafür hätte auch kein Bürger mehr Verständnis und die AfD würde noch mehr Futter für ihre Anhängerschaft bekommen. 

Auch werden nicht permanent die "Wasserstände" aus den Verhandlungen gemeldet, wie bei der Reise zuvor nach Jamaika, sodass man als Beobachter das Gefühl vermittelt bekam, da ist alles bestens, alle sind happy und morgen geht das Regieren schon los. Dieser Ballon ist zu früh zu hoch gestiegen und nachdem Lindner die Reißleine gezogen hat, war der jähe Absturz besonders tief. Dieses Mal also nicht, eine neue Dramaturgie, nüchtern, sachlich und verschwiegen, wenn dies überhaupt in der Politik mit ihren Durchstechereien möglich ist. Und doch steht alles unter Vorbehalt, was die Gespräche noch schwieriger macht und wie gesagt, die Zeit drängt mächtig. 

Für Schulz und die SPD ist es eine wirkliche Bewährungsprobe. Klappt es nicht mit einer erneuten großen Koalition und es gibt Neuwahlen, dann wird die altehrwürdige Partei in die Niederungen einer Durchschnitts-Partei versinken, bestimmt mit weit weniger als 20% und sie läuft auch noch Gefahr innerlich zu zerreißen. Inhaltlich wird es ebenfalls sehr schwierig, denn nicht nur Parteiprogramme müssen kompatibel gemacht werden, die Menschen müssen auch sichtbare Verbesserungen wahrnehmen, spüren, dass gesellschaftliche Verkrustungen aufgebrochen werden, in der Form, dass gerade die Arbeit im sozialen Bereich so vergütet wird, dass die Menschen davon angemessen leben können, bezahlbare Wohnungen erhalten und durchaus die Möglichkeiten bekommen auch für das Alter vernünftig vorzusorgen. Es kann doch nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Erde die Altersarmut steigt und Alten- und Pflegeheime nicht mehr für den Durchschnittsbürger bezahlbar sind. 

Die Parteien, die sich nun zu einer neuen Kroko vereinbaren wollen, tragen in ihren Namen sowohl die Begriffe christlich und sozial und die bayrische Variante sogar beides. Hier muss eine Balance gefunden werden, zwischen einer florierenden Wirtschaft und einer angemessenen sozialen Komponente, sonst ist es bald vorbei mit dem Wohlfühlmodus in unserem Land. 

Neben dem nicht zu unterschätzenden Rechtsradikalismus wird es dann noch soziale Unruhe in der Bevölkerung geben und beides zusammen gibt ein ganz gefährliches Gemisch. Darüber sollten sich die Koalitionäre im Klaren sein, denn auch ihnen dürften die Zeichen der Zeit nicht entgangen sein. Wenn auch momentan die Wirtschaft brummt, so ist dies noch lange keine Garantie für die nähere Zukunft. Schon jetzt fehlen über eine Million qualifizierter Arbeitskräfte in den Export- und Zukunftsbranchen. Viele Firmen würden gerne expandieren, aber es fehlt an geschultem Personal. Dies liegt nicht etwa an zu wenig jungen Leuten, davon gibt es in unserem Land genug. 

Es liegt am verschluderten Bildungssystem, an der völlig überzogenen Vorstellung und den Erwartungen junger Menschen, was sie mit minimalem Aufwand alles erreichen können. Die Realität sieht leider anders aus und dies vor dem Hintergrund der Globalisierung und den neuen bestens ausgebildeten Mittelschichten in den früheren Schwellenländern, wie Indien, Brasilien oder ganz besonders in Ostasien. Deshalb muss auch hier die neue Regierung schleunigst die geeigneten Weichen stellen. Der Fisch stinkt vom Kopf und hier muss Erneuerung her. 

Föderalismus schön und gut, doch nur dort, wo er die Bundesrepublik nach vorne bringt. Es gibt viel zu tun für die zukünftige Regierung. Und nicht zuletzt gilt es auch den Eindruck nicht aufkommen zu lassen, als sei eine richtungsweisende und zukunftsorientierte Regierung überhaupt nicht mehr vonnöten, denn die vielen Beamten in den Ministerien in Berlin würden das Regierungsgeschäft schon automatisch schaukeln. Dem ist nicht so, denn allein mit Dienst nach Vorschrift kommt das Land nicht voran.

Peter J. König