Samstagskolumne Peter J. König 26.08.2017

Was hat islamistischer Terror mit Politik zu tun und in welchem Zusammenhang steht dieser Terror mit uns Europäern? 

Nizza, Berlin, Stockholm, Manchester, London, Barcelona und kein Ende. Zudem ein geplanter Bombenanschlag auf ein Rockkonzert in Rotterdam, der durch die kurzfristige Absage unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung verhindert werden konnte, nachdem die Rotterdamer Polizei einen Hinweis aus Spanien erhalten hatte, worauf sie einen Mann in Rotterdam festnahm und sich jetzt konkrete Anschlagspläne auf dieses Rockkonzert fanden. Die kalifornische Band mit dem Namen Allah-Las war schon des Öfteren Ziel von islamistischen Attacken, weil eine gewisse Namensgleichheit unterstellt wird, die der Verhöhnung des Propheten dienen soll. Dies jedoch wird von den amerikanischen Musikern vehement bestritten. 

Tatsache ist, dass nach den islamistischen Terror-Anschlägen in und um Barcelona, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen und weit mehr als 100 Menschen verletzt wurden, zum Teil lebensbedrohlich, erneut ein Anschlag von islamistischer Seite konkret geplant war. 

Nur in allerletzter Minute buchstäblich konnte das verheerende Attentat, immerhin hatten sich 1000 Besucher des Rockkonzerts angesagt, verhindert werden. Stellen sich doch jetzt die dringenden Fragen: Warum finden diese Anschläge überhaupt statt, warum in dieser Häufigkeit, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, warum können so viele nicht verhindert werden, wann hat das Ganze ein Ende, und schließlich was dies alles mit Politik zu tun hat? 

Fangen wir zunächst mit der letzten Frage an: Grundsätzlich hat alles in unserem Leben mit Politik zu tun. Was wir essen, was wir trinken, welche Autos wir fahren, mit welchen Antriebssystemen, ob Diesel, Hybrid oder Elektro, wie hoch die Renten ausfallen, ja selbst wen und in welcher Form wir unsere Partnerinnen und Partner ehelichen, oder zunächst nur in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenleben konnten, alles ist Politik. So natürlich auch die Erscheinung des Salafismus und des Islamismus, ihre Ausbreitungen, speziell bei den ganz jungen Menschen aus den arabischen Kulturen, die als 2. und 3. Generation bereits in europäischen Ländern groß geworden sind und nun sich abgehängt fühlen und nach neuen Zielen und Antworten suchen. 

Natürlich sind diese Generationen allein gelassen worden, wir als deutsche und europäische Gesellschaft haben uns nicht sonderlich um die Integration gekümmert, als die 1.Generation von Gastarbeitern aus der Türkei und den Magreb-Staaten, speziell aus Marokko zu uns eingeladen wurde, um die niederen, schmutzigen Arbeiten zu erledigen, die die einheimischen Deutschen und Europäer sich weigerten zu leisten. Wie gesagt, es handelte sich um Gastarbeiter, nicht um Flüchtlinge, nicht um Emigranten und nicht um Asyl-Bewerber. 

Nur ganz vereinzelt hat z.B. Deutschland kleine Kontingente dieser Personengruppen aufgenommen, wie etwa Vietnamesen, sogenannte "boat-people", die unter tragischsten Bedingungen mit klapprigen Schiffen über das Südchinese Meer flüchteten, um der kommunistischen Herrschaft Nordvietnams im Süden des Landes zu entfliehen. Hierbei handelte es sich um eine verschwindend geringe Minderheit, deren Integration überhaupt keine Schwierigkeit machte, ganz im Gegenteil. Viele sind erfolgreiche Akademiker geworden und einer von ihnen sogar Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, Philipp Rösler von der F.D.P., der trotz seines deutschklingenden Namens vietnamesischer Abstammung ist. 

Die Gastarbeiter der 1. Generation hatten, auch wenn sie aus Ländern mit einer islamischen Kultur kamen keinerlei Ambitionen sich in irgendeiner Weise aufzulehnen. Sie waren froh hier arbeiten zu können, um ihren Lebensstandard gegenüber ihren Herkunftsländern zu verbessern. Sie lebten in ihren Gemeinschaften, gebrochen Deutsch wurde nur soweit gesprochen, wie es für die Arbeit in den Fabriken und Firmen hier notwendig war. Ansonsten blieb man seiner kulturellen Herkunft treu. Der Gedanke einer irgendwie gearteten Integration war sowohl ihnen als auch uns fremd. Dies gilt übrigens für alle europäischen Länder, sei es Spanien, Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und genauso für die BRD, ja selbst in der DDR, wo Vietnamesen, Kambodschaner und Laoten als Gastarbeiter tätig waren. 

Man ging ja davon aus, dass die Menschen irgendwann die Länder verlassen, um nach Hause zurückzukehren. Diesbezügliche Auflagen gab es keine, nirgendwo außer in der Schweiz, wo nur befristete Arbeitsverträge ausgestellt wurden, mit der Maßgabe, das Land nach Auslaufen der Befristung wieder zu verlassen. Ein solches Procedere stand hierzulande nicht an, glaubte man doch, dass die Arbeitnehmer Deutschland wieder verlassen würden, wenn die Firmen ihnen kündigen. Dies hat sich jedoch anders entwickelt, denn die Menschen, einmal an die besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen gewöhnt, hatten kaum ein Interesse in ihre Länder zurück zu kehren, in denen sie fast keine Arbeit fanden, und wenn überhaupt dann mit Löhnen leben mussten, die ein Bruchteil ihrer deutschen Vergütungen ausmachten. 

Also sind sie geblieben, haben versucht einen neuen Job zu finden oder haben von der Sozialfürsorge gelebt. Dies wäre der Zeitpunkt gewesen, um sich massiv um die kulturelle Einbürgerung dieser Mitbewohner zu kümmern, ja dies zu fordern. Dabei liegt das Interesse sowohl auf dieser Generation, aber noch wichtiger in der darauf folgenden, also ihrer Kinder. Deutschkenntnisse hätten obligatorisch sein müssen, für alle, auch für die Frauen und Mädchen, die in den Wohnblocks und Wohngebieten sich allein mit ihrer Muttersprache zurechtfanden. Das Fernsehen aus ihren Ursprungsländern sorgte weiterhin dafür, dass eine Anbindung an die deutsche Gesellschaft überhaupt nicht stattfand, ganz im Gegenteil. 

Man lebte im Bewusstsein der alten Heimat auf eigentlich fremdem Boden, denn der Versuch mit der Kultur des neuen Landes sich zu befassen, wurde erst gar nicht begonnen. Und wer schon einmal längere Zeit im Ausland gelebt hat, weiß, dass die Reflektion und die Zugehörigkeit an die ursprüngliche Kultur immer größere Beachtung findet, als dies früher zuhause der Fall war. So sind bei uns die Viertel entstanden, die anmuteten, als sei man in einem fremden Land. Aber auch die Banlieues in Frankreich und alle anderen separierten Wohnviertel in allen großen Städten Europas haben ihren Ursprung in der nicht stattgefundenen Integration. 

Um hier nicht falsch verstanden zu werden, kulturelle Vielfalt ist absolut eine Bereicherung, sie sollte aber immer damit einhergehen, nicht in eine kulturelle Einfalt zu münden, wenn eine Integration in die Kultur und Werte des neuen Landes nicht erwünscht oder gar abgelehnt wird. Das Unterlassen der Akzeptanz unserer grundgesetzlichen Werte, um sie dann durch die Scharia zu ersetzen, dies geht gar nicht. 

Solche Probleme hat es aber in den beiden ersten Generationen nicht gegeben, allenfalls hatte die Elterngeneration ein Problem mit der aufkommenden Aufmüpfigkeit ihrer nachgeborenen Söhne. Natürlich gibt es auch Ausnahmen und interessant ist dabei, dass gerade die Mädchen viel eher bereit waren, sich auf die veränderten kulturellen Bedingungen einzustellen, wenn sie dann überhaupt dazu eine Chance bekommen haben. Beachtlich ist da schon, dass viel mehr junge Frauen mit einem anderen ethnischen Hintergrund bessere Bildungsabschlüsse als ihre männlichen Personen vorweisen können, was sich in der 3. Generation noch extrem verstärkt hat. 

Fakt ist, dass von staatlicher Seite kaum ein Versuch einer vernünftigen und notwendigen Integration unternommen wurde, als man feststellte, die Menschen aus den nahöstlichen Staaten würden auf Dauer im Land bleiben. Dieses schwere Versäumnis hat seine Folgen. Dabei sind die einst ghettoähnlichen Viertel in vielen Großstädten mittlerweile gar nicht das Problem, eher das Gegenteil ist der Fall, trifft man doch hier auf gut integrierte Geschäftsleute, die unser kulturelles Leben und speziell unsere Essgewohnheiten absolut bereichern. Bunte Vielfalt ist dort zu finden und so mancher Stadtteil ist sogar Kult geworden, denkt man nur an Kreuzberg in Berlin. 

Nein, es ist der abgehängte Teil dieser Bevölkerungen, die mangels Bildung und mangels der Bereitschaft sich zu integrieren, keinerlei vernünftige Lebensperspektiven entwickeln können und dann entweder eher bereit sind, sich zu kriminalisieren oder noch schlimmer, und dies gilt speziell für die ganz junge Generation, sich von Salafisten verführen zu lassen, um dann radikalisiert im Islamismus zu versinken. Das Ergebnis erleben wir seit einigen Jahren, wenn diese junge Menschen sich dem sogenannten IS in Syrien und im Irak angeschlossen haben, um dort auf bestialische Weise dem Ziel des selbsternannten Kalifat zu dienen. 

Viele sind selbst dabei umgekommen, einige haben es geschafft körperlich unversehrt aus der Hölle des Bürgerkrieges in Syrien zurückzukehren, nachdem sie gemerkt haben, welchen Lügen und falschen Versprechungen sie aufgesessen sind, um als Mörder und Vergewaltiger brutalisiert zu werden. Gelegentlich sind auch einige IS-Kämpfer nach Europa zurückgekehrt, um Terrorakte zu begehen mit tödlichen Folgen für eine Anzahl unschuldiger Menschen. Seit der militärische Kampf gegen den "IS" diese immer weiter zurückgedrängt hat, im Irak gibt es kaum noch Gebiete, die von ihnen beherrscht werden und die Niederlage und Vertreibung des "IS" dort ist nur noch eine Frage von wenigen Monaten, in Syrien gibt es eine ähnliche Entwicklung, seit diesem Zeitpunkt ist der islamistische Terror übergegangen, verstärkt in Europa zuzuschlagen. Dies wird mit Hilfe von zurückkehrenden Kämpfern aus dem "Kalifat" unternommen, oftmals als Flüchtlinge getarnt, aber vermehrt durch in Europa angeworbene junge Muslime, die in solchen Taten ihre Erfüllung auf Erden sehen, nachdem sie durch einen Prozess der radikalisierenden Gehirnwäsche gegangen sind. 

Eindeutig sind dies die Spätfolgen einer nicht stattgefundenen Integration, die mangelnde Akzeptanz dieser Bevölkerungsgruppen, die bereits seit ihrer Geburt in den westeuropäischen Ländern leben, aber die nicht wirklich die Beachtung der Gesellschaft und schon gar nicht durch die Politik erfahren haben. Durch den Terror aufgeschreckt, versucht man jetzt jahrzehntelang Versäumtes nachzuholen, um den jungen Menschen endlich eine Chance und Perspektiven zu geben. Dies aber dauert, und es ist zu befürchten, dass für die heutigen 15 bis 30jährigen es längst zu spät ist. 

Der islamistische Terrorismus hat sich wie ein Virus in die westeuropäischen Gesellschaften eingenistet. Ihn zu erkennen, ist extrem schwer, ihn komplett zu bekämpfen quasi unmöglich. Wir werden nicht umhinkommen mit dem Terror zu leben, mindestens noch ein weiteres Jahrzehnt. Aber dieser Terror wird nur dann beendet sein, wenn man jetzt wirklich auf Integration setzt und aus den Fehlern der letzten 30 bis 40 Jahre lernt. 

Erst wenn die jungen Menschen aus den islamischen Staaten sich angenommen fühlen, gleich sind, auch im Sinne des Grundgesetzes oder der Französischen Revolution "liberité egalité fraternité", dann erst kann man gewiss sein, den islamistischen Terror im Grundsatz überwunden zu haben. Dann werden sich keine verirrten Jugendlichen mehr finden, die auf die Wahnsinnsidee eines weltumspannenden Kalifats hereinfallen. Bis dahin bleibt es brisant, zumal niemand wirklich weiß, wie weit die Netzwerke des islamistischen Terrors sich ausgedehnt haben. Verhindert werden können solche Anschläge letztendlich nicht, aber man kann viele noch frühzeitig erkennen, um sie doch noch zu unterbinden, so wie etwa in Rotterdam und bei vielen solcher Aktionen zuletzt in Europa. 

Auch Barcelona hätte ein weitaus schlimmeres Ausmaß erreicht, wenn die Attentäter ihren ursprünglich geplanten Anschlag mit 120 Gasflaschen in die Tat hätten umsetzen können. Hier hat allein der Zufall einer Explosion im Haus der Terroristen noch Schlimmeres verhindert. Bleibt zum Schluss noch die Frage, was die Politik daraus lernen muss? 

Vielleicht ist dies so zu beantworten: Verantwortliche Politik bedeutet das Ganze im Auge zu haben. Es bedeutet sich über Rüstungsexporte Gedanken zu machen, besonders in Krisengebiete, zu denen zwangsläufig der Persische Golf aber auch viele Staaten in Afrika zählen. Es bedeutet aber auch eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die nicht imperialistisch ist, etwa durch Handelsbarrieren oder einseitige Finanzabkommen. 

Das Bedürfnis der jungen Menschen aus den afrikanischen Staaten zu fliehen, kommt nicht von ungefähr. Jahrhundertelang wurde dieser Kontinent von den Europäern nur ausgebeutet. Eine florierende Wirtschaft konnte nicht aufgebaut werden. Wirtschaftshilfen sind bei den größten Verbrechern des Kontinents gelandet, die dafür gesorgt haben, dass die Rohstoffe billig von großen westlichen "Multis" ergattert werden konnten, die schwarzen Despoten dafür jeweils Milliardenvermögen kassiert haben, ihre Länder verrotten ließen und ein Aufbau so nicht möglich war. Währenddessen haben ihre Frauen Flugzeugladungen-voll westliche Luxusgüter aus London und Paris herbeischaffen lassen. 

Nachdem die jungen Menschen dann noch per Internet feststellen konnten, dass in Europa ein Überleben möglich ist, gar eine solide Existenz, haben sie sich auf den Weg gemacht, mit dem Ergebnis, das wir ständig im Mittelmeer sehen. Hier muss die Politik lernen, hier müssen neue Konzepte her, die den Menschen in ihren Heimatländern akzeptable Möglichkeiten bieten. Um es realistisch zu sagen, auch unser Überleben hängt davon ab, denn wenn sie diese Chancen nicht bekommen, dann werden sie hier sein, zu Millionen und dann ist islamistischer Terror im Vergleich dazu ein Kinderspiel gewesen. Dieses muss klar sein und es muss unmittelbar gehandelt werden und zwar von der Politik insgesamt. Bezüglich der Innenpolitik ein allerletztes Wort: Es ist nicht nur die Integration der Nachgenerationen der ehemaligen Gastarbeiter notwendig. Auch die Integration Millionen von verarmter Kinder und ihrer Familien ist unumgänglich. Auch hier muss die Politik lernen, über alle Parteien hinweg. Auf Dauer hält keine noch so agile Volkswirtschaft den Zustand einer wirtschaftlichen Spaltung aus, bei der Millionen von Menschen unter der Armutsgrenze leben. Welche Vergeudung von humanen Ressourcen, aber auch welches Potential an Risiko? Zurzeit geht es den Deutschen wirtschaftlich gut. Dies kann sich aber sehr schnell ändern. Welcher Terror wartet dann auf uns? 

Da ist die Antwort eindeutig: Radikalismus von rechts oder links und beides führt bekanntermaßen zu einem verheerenden Ende. 

Peter J. König

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