Samstagskolumne Peter J. König 19.08.2017

....das latente rassistische, antisemitische, rechtsradikale Gedankengut wartet nur auf den nächsten Rattenfänger. 

Die Ereignisse in Charlottesville im Staat Virgina, USA am letzten Wochenende haben nicht nur eine Debatte über Rechtsradikalismus in den Vereinigten Staaten ausgelöst, sie sind auch der Anlass ganz intensiv darüber nachzudenken und zu hinterfragen, wie es mit Ausgrenzung von Minderheiten insgesamt in der Welt und besonders bei uns in Europa und Deutschland steht. 

Mittlerweile haben sich Vater und Sohn Bush, beides ehemalige Präsidenten der USA in einer gemeinsamen Erklärung an die Amerikaner gewandt, Rassismus, Intoleranz, Ausgrenzung und Gewalt nicht zu akzeptieren. Sie haben dabei auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verwiesen, die "Declaration of Independence", die von Thomas Jefferson(Virginia), John Adams(Massachusetts), Benjamin Franklin(Pennsylvania), Robert L. Livingstone(New York) und Roger Sherman(Connecticut), alles Abgeordnete ihrer Staaten, erarbeitet und verabschiedet wurde. Diese "Declaration of Independence" diente als Legitimationspapier, um sich vom britischen Mutterland loszusagen. 

Neben den allgemeinen Menschenrechten wird besonders auf den politischen Liberalismus hingewiesen, denn jeder amerikanische Bürger soll das Recht zur freien Entfaltung, Redefreiheit und politischer Unabhängigkeit besitzen, so wie der große Philosoph John Locke es postuliert hat, und an dem sich die Gründungsväter der Vereinigten Staaten orientiert haben. Im Gegensatz zum amtierenden Präsident Donald Trump haben die beiden früheren Präsidenten Bush dem Rassismus, der Rechtsradikalität, der Gewalt und dem ethnischen Nationalismus, dem ausschließlich "Weißen Amerika" eine klare Absage erteilt. 

Die Gründe zum Erstarken der ultra-radikalen Rechten hängen eindeutig mit Donald Trump zusammen. Er hat während des Wahlkampfs sich sehr intensiv mit diesen Rechtsradikalen gemein gemacht, um sie für sich zu gewinnen. Diese politischen Gruppierungen sind gerade in den zentralen Staaten der USA sehr verbreitet, im Gegensatz zu den Ballungsgebieten an der Ost- und Westküste, wo eher die liberalen Bürger zuhause sind. 

Trump hat den weißen Rechtsradikalen das Gefühl gegeben, ihre Stunde sei jetzt wieder gekommen, nach einem dunkelhäutigen Präsident Obama, der für Toleranz und Gleichheit stand. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass schon totgesagte Elemente wie der Ku-Klux-Klan wieder auf der Bildfläche erschienen sind, ein rassistischer, gewalttätiger Geheimbund, der für die weiße Vorherrschaft gegenüber Afroamerikanern, aber auch für einen militanten Antikatholizismus und Antisemitismus steht. 

Jetzt sind sie wieder da, die gewaltbereiten Rassisten und der Fackelzug von mehreren Hundert rechtsradikaler Anhänger auf den Campus der Universität von Charlottesville war der Anfang einer Gewalt-Demonstration, die schließlich am nächsten Tag mit dem Tod einer Frau und über 20 Verletzten endete. Friedlich haben sie gegen die Nazis und Rassisten demonstriert, als ein Zwanzigjähriger aus diesen Reihen mit seinem Fahrzeug in die Gruppe hineinraste. Trump hielt es nicht für notwendig das gewalttätige Vorgehen der Rechten auf das Schärfste zu verurteilen. 

In seinem Statement, das er erst auf Anfragen von Journalisten abgab, meinte er nur lapidar, er würde Gewalt von allen Seiten nicht billigen. Eine klare Aussage zu den Aufmärschen der brutalen Schläger der Rechtsradikalen mit dem tödlichen Ende einer unschuldigen Frau, die nur ihr Recht zur Demonstration wahrnahm, war vom Präsident nicht zu hören, sieht man einmal von seiner halbherzigen Erklärung ab, die er verspätet nach drei Tagen verlautbaren ließ, um sie dann sofort wieder zu relativieren. 

Natürlich sind diese rechten "Weißen Zirkel" noch immer Trumps treueste Anhänger, während sich das liberale Amerika schon lange von Trump verabschiedet hat, wenn sie ihn denn gegenüber Hillary Clinton favorisiert haben sollten. Ohne die Ultra-Rechten hat Trump keine Chance überhaupt an eine zweite Amtszeit zu denken, zumal auch die Wirtschaft und Industrie dabei ist, sich immer mehr zurück zu ziehen und alle Vorstandsvorsitzenden der größten US-Unternehmen, die als Berater des Präsidenten fungiert haben, sich enttäuscht aus dem Beirat verabschiedeten. Doch Trumps Botschaft ist eindeutig, zumindest für seine rechtsradikale Anhängerschaft. 

Wäre es nach dem Wahlprogramm des Multi-Milliardärs gegangen, dann würden wir mittlerweile ein anderes Amerika erleben. Zum Glück funktionieren die demokratischen Institutionen im Land, und so gibt es bisher keinen massiven diskriminierenden Einwanderungsstop, keine "Chinesische Mauer" an der Grenze zu Mexiko und keine wirtschaftliche Abschottung. Nichts desto trotz versuchen die weißen Rassisten weiter an Macht zu gewinnen. Dafür sorgt auch ein enger Berater des Präsidenten, denn mit Steve Bennon, seinem Chefberater, hat ein ausgewiesener Rassist und Ultra-Rechter ganz das Ohr Trumps. Da ist es kein Wunder, dass die Nazis in Charlottesville Parolen wie "blood and soil", also "Blut und Boden" oder "Jews out", "Juden raus" gebrüllt haben. 

Wenn der frei gewählte Präsident hier nicht unverzüglich eingreift und solche Hetze nicht mit aller Schärfe verurteilt, dann ist etwas faul mit der amerikanischen Präsidentschaft. Genau dies haben George und George W. Bush empfunden und sich unmittelbar an das amerikanische Volk gewandt, obwohl diese Vorgehensweise von Ex-Präsidenten dem amtierenden gegenüber in den USA unüblich ist. Vater und Sohn Bush sahen da doch einen dringenden Handlungsbedarf. 

Klar ist, dass die Radikalisierung in den Staaten in erschreckendem Maße zunimmt, scheint es doch diesbezüglich keine Tabus mehr zu geben. Nazitum scheint in den USA offensichtlich hoffähig geworden zu sein und nicht mehr nur eine Randerscheinung. Dies macht überaus bedenklich, zumal dieses Phänomen auch anderenorts in der Welt beträchtlich zunimmt. Dabei ist ethnischer Rassismus durchaus kein Merkmal von Personen weißer Hautfarbe. In Afrika wüten zurzeit wieder mörderische Stammeskämpfe vom Süden Libyens über den Südsudan, dem Völkermord in Ruanda, den Kämpfen im Kongo und viele kleinere Pogrome, die medientechnisch überhaupt nicht bis zu uns durchdringen. Ursachen sind immer Macht, Landnahme und Resourcenverteilung. 

Die Folgen spüren wir mittlerweile in Europa überdeutlich. Sie drücken sich in Millionen von Flüchtlingen aus, die sich auf den Weg gemacht haben, bessere Lebensbedingungen zu suchen, aber um auch Verfolgung und Tod zu entgehen. Durch den Druck der Flüchtlingsströme und wenn sie auch nur in begrenzter Form sind, ist auch in den europäischen Staaten wieder der Rechtsradikalismus aufgeflammt, der zuvor eher unter der Oberfläche schwelte. Zusätzlich haben der Terror und das Erstarken des Islamismus für weiter steigende Intoleranz gesorgt. So wie Teile der weißen amerikanischen Mittelschicht ihre Lebenschancen durch die Einwanderung aus Mittel- und Südamerika in starkem Maß gefährdet sehen, wobei die tatsächlichen Ursachen eher in einer verfehlten Industriepolitik zu suchen sind, so mutmaßen die Menschen in einigen Ländern Europas, ganz besonders im östlichen Teil, dass die Emigranten ihre Lebensperspektiven verdüstern. 

Und schon keimen wieder alte Vorteile auf. Wie immer stehen die Juden am Pranger, schon aus traditioneller Sicht in ganz Europa, wie Professor #Götz_Aly in seinem Buch "Europa gegen die Juden" bei der Betrachtung der europäischen Geschichte zwischen 1880 und 1945 nachgewiesen hat. In den USA sieht dies nicht anders aus. Zwar hat das Judentum in den Vereinigten Staaten eine ziemlich starke Lobby, aber so wie es Professor Götz Aly für die damalige Zeit erforscht hat, so prangert auch heutzutage in USA die untere weiße, christliche Mittelschicht "Die Juden von der Wall-Street" als diejenigen Treiber an, die mit ihren Machenschaften und ihrer Geldgier der Verelendung des Landes Vorschub leisten. 

Wenn dann ein Präsident nicht konsequent dagegenhält, und ganz im Gegenteil diese Stimmung noch anheizt, und anstatt Aufklärung Hass- und Gewaltparolen predigt, so im Wahlkampf geschehen, dann ist nicht verwunderlich, dass solche Elemente wie Nazis und Ku-Klux-Klan neue Anhänger in Scharen finden. Mit einem Blick auf Deutschland kann allerdings festgestellt werden, dass solche Aufmärsche wie in Charlottesville noch nicht an der Tagesordnung sind, sieht man einmal von den Montagsspaziergängen in Dresden ab, die von einer Randgruppe namens Pegida, von der man mittlerweile nichts mehr hört und sieht, veranstaltet wurde. Hier haben einige dubiose Personen, genannt sei Bachmann, ein verurteilter Straftäter, die Gunst der Stunde genutzt, um mit Fremdenhass und dem plötzlichen Flüchtlingszustrom sein politisches Süppchen zu kochen. Die Parolen, die montags-abends in Dresden und bald danach auch in Leipzig bei den Demonstrationen herausgeplärrt wurden, hatten einen ähnlichen rassistischen, nazihaften und volksverhetzenden Charakter wie in Charlottesville. 

Nur die Umzüge hatten weniger ähnlich Bedrohliches. Während aber in Dresden doch ein friedliches, eher starrsinniges Publikum an den Start ging, traten in den USA stahlharte Schlägerjungs auf, die auch vor dem Töten keine Rücksicht nahmen. Davon scheint Deutschland noch verschont zu bleiben. Unser Problem ist und bleibt in erster Linie der islamistische Terror, so wie in ganz Europa und ganz aktuell in Barcelona, wo zur Stunde das ganze Ausmaß des terroristischen Anschlags mit vielen Toten und an die Hundert Verletzten noch nicht abzusehen ist. 

Islamismus und Antisemetismus bewirken auch, dass bei den neuesten Umfragen unter den hier lange ansässigen Juden eine steigende Verunsicherung eingetreten ist, zumal auch sich langsam wieder eine verstärkte antisemitische Stimmung unter den Deutschen breit macht. Da spielt natürlich auch die Haltung der Israelis gegenüber den Palästinensern eine gewisse Rolle, um sofort wieder kollektives Erinnern an die Hetz-Parolen aus der Nazizeit hervorzurufen. 

In sechs Wochen wird hierzulande ein neuer Bundestag mit einer "altbekannten Regierung" gewählt, oder zweifelt da noch jemand dran? Bewundernswert dabei ist der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, der sich wirklich müht und alles gibt, auch emotional. Da ist ihm Gerhard Schröder als zukünftiges Aufsichtsrats-Mitglied beim Kreml-nahen Energie-Konzern Rosneft absolut keine Hilfe, eher das Gegenteil. Der Turm, den Schulz erklimmen will, scheint aber doch zu hoch zu sein und Angela Merkel will weder ein langes Haar herunterlassen, in Form eines gravierenden politischen Fehltritts vor der Wahl, noch macht sie ihm Hoffnung für eine Vize-Kanzlerschaft, steht sie doch mehr auf jungen knackigen Burschen wie Macron oder Lindner etwa. 

Aber entschieden ist noch nichts, glaubt der sozialdemokratische Herausforderer, allenfalls, dass er Angela Merkel durchaus die Rolle einer Vize-Kanzlerin zutraut. Na ja, wie gesagt, Martin Schulz gibt alles.

Spannend wird sein, ob die AfD noch einmal die Nazi-Keule herausholt. Damit kann sie sich vielleicht über der Fünf-Prozent-Hürde halten, um dann im Bundestag zu landen. Frauke Petry, die langjährige Galionsfigur wird sich derweil mit den Gerichten herumschlagen, ihre Immunität als Mitglied des Sächsischen Landtags soll aufgehoben werden, weil sie sich unter Umständen des Mein- oder Falscheides schuldig gemacht haben soll. Wird allerdings die AfD den Einzug in den Bundestag verpassen, dann wäre dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass langfristig rechtsradikales Gedankengut politisch sich nur  begrenzt auszahlt. Dies heißt aber nicht für alle Zeiten davon befreit zu sein, denn das latente rassistische, antisemitische, rechtsradikale Gedankengut wartet nur auf den nächsten Rattenfänger. 

Peter J. König

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