Samstagskolumne Peter J. König 12.08.2017

Wenn es nicht zu gefährlich wäre, könnte man glauben, man habe es mit zwei pubertierenden Jungs auf dem Schulhof zu tun.

Aus aktuellem Anlass ist es geboten, sich über das verbale Hochschaukeln zweier selbstverliebter Machtmenschen Gedanken zu machen. Normalerweise wäre eine solche Konfrontation maximal eine kurze Zeile wert, handelte es sich bei diesen beiden Narzissten nicht um zwei Männer, die nicht nur über Macht verfügen, sondern vielmehr mit die gefährlichsten Waffen besitzen, die es auf unserem Planeten gibt. Der eine, Präsident der Vereinigten Staaten, der andere uneingeschränkter Machthaber und Diktator in Nord-Korea, einem aus der Zeit gefallenen Überbleibsel aus der Ära der Ost-West-Konfrontation nach stalinistischem Vorbild. 

Unabhängig von ihren Staatsgebilden, im Fall der USA natürlich demokratisch, bei Nord-Korea vererbte Diktatur, haben doch beide Staatslenker eines gemeinsam. Sie sind rigorose Egomanen, die nur eines kennen, ihren Willen mit aller Macht, möglicher Intrige und im Fall von Nord-Korea aller Brutalität durchzusetzen. Sowohl Trump als auch Kim Jong-un erkennen nur eine einzige Autorität an, nämlich ihre eigene. 

Dass die USA über ein riesiges atomares Waffenarsenal verfügen, weiß man bereits seit den Tagen des Kalten Krieges. Mittlerweile gehört auch die Volksrepublik Nord-Korea zu jenen Staaten, die wie Indien, Pakistan, aber auch Israel neben den "Klassischen“ Atommächten Russland, Großbritannien, Frankreich und China über den Besitz einsatzfähiger Atombomben verfügen. Solange diese Waffen allein in den Händen der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg waren, hat letztendlich die Vernunft gesiegt, diese nach dem Abwurf von Hiroshima und Nagasaki und ihren verheerenden Folgen mit weit über 100.000 Toten, nicht mehr einzusetzen.

Zwar ist es im Zuge der Ost-West-Konfrontation auf beiden Seiten zu einer beispiellosen Aufrüstung mit Atomwaffen gekommen. Diese hätten gereicht, um die Erde mehrmals in die Luft zu sprengen, doch gerade dieses höchst-gefährliche Potential hat dazu geführt, letztendlich im Konfliktfall einzulenken, etwa wie in der Kuba-Krise, wo der Einsatz von Atomwaffen unmittelbar bevorstand. Dass dies so glimpflich ausging, wie auch in anderen Fällen und dass sogar tatsächliche Abrüstung im Bereich von Atomwaffen möglich war, hat auch mit einer gewissen Besonnenheit und realistischem Denken zu tun. 

Sowohl Russen als auch Amerikaner sahen die große Gefahr, den Planten weitestgehend zu zerstören und dies war für beide Seiten undenkbar. Also hat man sich auf Abrüstung geeinigt, um dann auf weniger brachial zerstörerischen Gebieten sich zu bekämpfen, um die Weltmachts-Ansprüche zu dokumentieren, etwa durch Stellvertreter-Konflikte wie Bürgerkriege, so früher in Mittelamerika (Nicaragua) und heute in Syrien oder dem Irak. 

Im Fall von Nord-Korea muss man die Problematik allerdings anders sehen. Sie ist auch nicht vergleichbar mit der Situation im Irak zu Zeiten von Diktator Saddam Hussein, als dieser von den USA angegriffen worden ist, weil dieser angeblich Atomwaffen herstellen wollte, um damit im Nahen Osten die geopolitische Lage zu seinen Gunsten zu verändern. Unzweifelhaft stand für die Amerikaner allein das Interesse an den riesigen Ölvorkommen des Irak im Vordergrund, nachdem sich Amerikaner und Saddam interessenmäßig auseinander dividiert und der Diktator von Bagdad sich den Russen zugewandt hatte. Ein vermeintliches Atomwaffenprogramm war lediglich Vorwand, um Saddam Hussein zu stürzen, mit der Folge, dass der Irak in ein politisches und wirtschaftliches Chaos versetzt wurde, von dem er sich bis heute nicht wieder erholt hat und infolge dessen der „IS“ sich einnisten konnte, mit all seinen verheerenden Greueltaten.

In Nord-Korea gibt es weder Öl noch sonstige nennenswerte Schätze, wenn man von den großartigen Naturlandschaften und unberührten Küstenstreifen absieht. Die Problematik liegt allein in der Tatsache des Koreakrieges, der entstanden ist als die russische Zone im Norden die amerikanische Zone im Süden der Halbinsel Korea annektieren wollte. Daraufhin haben die Amerikaner mit massiven Mitteln die Nordkoreaner fast bis an die nördlichen Grenzen zurück gedrängt und erst mit dem Einsatz militärischer Kräfte aus China ist es gelungen das nordkoreanische Territorium zurück zu erobern und bis weit in den Süden vorzudringen. 

China ging es darum, nicht unmittelbar an seinen Ostgrenzen amerikanischen Einfluss durch Südkorea zuzulassen, so wie heute auch. Schließlich wurde ein Waffenstillstand vereinbart, nachdem General MacArthur mit Hilfe von UN-Truppen die nordkoreanischen Verbände wieder bis zum 38. Breitengrad zurückdrängen konnte. Hier wurde eine Demarkationslinie errichtet, die bis heute fester Bestand der koreanischen Teilung ist. Im Grunde genommen ist die Situation auf der koreanischen Halbinsel nicht unähnlich, dem was sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg abgespielt hat. So wie hier standen sich Amerikaner und Russen gegenüber, jeweils um größeren Einfluss ringend. Dies führte zum Korea-Krieg. 

Wir sind glücklicherweise von einem solchen Alptraum verschont geblieben. Nicht so Korea, wo es blutigste Auseinandersetzungen gab mit 950.000 getöteten Soldaten und mehr als 3 Millionen toten Zivilisten und einer komplett zerstörten Wirtschaft und Infrastruktur im Süden. Fortan teilte der 38. Breitengrad nicht nur das Land, auch die politische Einflussnahme war komplett geteilt, im Norden die Kommunisten, wobei die Chinesen den Russen den Rang abgelaufen haben, während der Süden westlich orientiert ist, auch weil die Amerikaner nicht nur massive Wiederaufbau-Hilfe geleistet haben, sondern auch die Sicherheit der Südkoreaner garantieren mit mehr als 26.000 stationierten Soldaten und einer westlich agierenden Wirtschaftspolitik. 

Während Nordkorea als kommunistisches Land mit einer Herrschaftsstruktur à la Stalin, der Diktator nannte sich hier Kim Il-sung und ist der Großvater des jetzigen Machthabers Kim Jong-un, sich zu einem wirtschaftlichen Desaster entwickelt hat, gewann der Süden immer mehr an wirtschaftlicher Stärke und Wohlstand. Schon der Sohn des ersten Machthabers Kim Jong-il hat fortgesetzt, was sein Vater nach der Unabhängigkeit 1948 begonnen hatte. Er hat das Land weiter zu einer Militärdiktatur ausgebaut, die mit aller Gewalt jegliche demokratischen Bewegungen blutig unterdrückt hat. 

Dies wurde entsprechend jetzt von seinem Sohn Kim Jong-un in noch brutalerer Weise fortgesetzt. Das Militär, eine der größten Armeen der Welt, hat eine absolute Sonderstellung im Staat, alle Ressourcen gehören allein ihm. Als Nomenklatura besitzen sie nicht nur besondere Rechte sondern in erster Linie wirtschaftliche Privilegien, wobei die Führungskader mit reichlich westlichen Konsumgütern versorgt werden, während die normale Bevölkerung bitterarm ist und bei schlechten Ernten viele buchstäblich verhungern. 

Da helfen auch große Getreidelieferungen aus China kaum etwas. Ohne Chinas Hilfe wäre das Regime schon längst zusammengebrochen, gibt es doch strikte wirtschaftliche Sanktionen seitens der westlichen Staaten. Dies bezieht sich auf Technik, Verkehr und Warenaustausch. Wer in die Hauptstadt Pjöngjang reisen möchte, was seitens des Regimes sehr restriktiv gehalten wird, muss über einen chinesischen Flughafen einfliegen, nachdem ordentlich Devisen bezahlt worden sind. Für Amerikaner ist dies seit einigen Tagen nicht mehr möglich, seitdem ein amerikanischer Student auf einer Reise nach Nordkorea, nachdem er ein Plakat im Hotel mitgenommen hat, in Haft genommen wurde und nach einigen Wochen dann vom Tod gezeichnet in die USA ausgeflogen werden durfte, wo er unmittelbar danach verstarb. 

Dies und die Tatsache, dass Nordkorea immer wieder neue Raketenstarts unternommen hat, zunächst mit Kurz-und Mittelstrecken-Raketen, zuletzt auch mit Langstrecken-Flugkörper, die in der Lage sein sollen, Atomsprengköpfe zu tragen und sogar Kalifornien erreichen würden, so hat Kim Jong-un angedroht, ist für Trump eine nicht hinnehmbare Provokation, zumal der UN-Sicherheitsrat diese Raketenstarts untersagt und mit Sanktionen belegt hat. 

Wurden die verbalen Attacken aus Pjöngjang gegenüber den USA zunächst mit einer gewissen diplomatischen Zurückhaltung beantwortet, zumal die amerikanische Administration auf Gespräche mit Nordkorea im Zuge einer Verhandlung gemeinsam mit China, Japan, den beiden koreanischen Staaten und Russland wieder aufleben lassen wollte, um das Atomprogramm von Kim Jong-un einzufrieren, so sah sich Trump einer erneuten Drohung ausgesetzt, wobei der amerikanische Luftwaffenstützung in Guam im Pazifik, etwa 3000 km von Nord-Korea entfernt mit Atom-Raketen angegriffen werden sollte, wenn die USA weiterhin im UN-Sicherheitsrat auf Sanktionen drängen würden. 

Jetzt ist Trump völlig undiplomatisch der Kragen geplatzt. Nach einer Sitzung mit Kabinettsmitgliedern hat er offen Nordkorea mit einem militärischen Angriff gedroht. Mit nie dagewesener Intensität von Feuer und voller Zorn würde die amerikanische Antwort sein, sollte das amerikanische Territorium oder auch Vebündete egal mit welchen Waffen angegriffen werden. 

Einen Tag später hat der amerikanische Präsident noch einmal nachgelegt, erneut mit militärischen Mitteln gedroht und auf die Modernisierung des bestehenden atomaren Waffenarsenals verwiesen, um deutlich zu machen wie ernst es ihm ist. Das hat doch die Weltgemeinschaft gehörig aufgeschreckt und selbst China hat verlauten lassen, die Kontrahenten sollten sich mäßigen und zu Verhandlungen zurückkehren. Die Politiker in Washington, selbst Trumps Republikaner waren "not amused" ob dieses unkontrollierten Machtgebarens ihres Präsidenten. Nach einem solch langen Anlauf hier stellt sich doch die Frage: 

Wie ist dieses Bedrohungsszenario tatsächlich einzuschätzen? 

Fakt ist, dass Nordkorea schon seit Jahren den USA gegenüber Drohungen aussprechen, sehen sie doch seit der Gründung die Amerikaner als die entscheidenden Übeltäter, die ihren Staat vernichten möchten. Dies war auch in der Amtszeit von Präsident Obama so und er hat in aller Stille militärische Optionen erarbeiten lassen, wie Nordkorea im Falle eines Angriffs auf Südkorea bekämpft werden könnte. Gedroht hat Obama nie, denn er glaubte auf verschwiegenen diplomatischen Kanälen Nordkorea zu überzeugen, ihr Atomprogramm einzustellen. An Wiedervereinigung wurde allenfalls heimlich gedacht. Nordkorea verlangte jedoch als Vorleistung generell zu Gesprächen unmittelbaren alleinigen Kontakt zwischen Washington und Pjöngjang. 

Die Amerikaner aber haben dies abgelehnt, da sie besonders China mit am Verhandlungstisch haben wollten, der eigentlichen Schutzmacht der Nordkoreaner und wenn diese dem Raketen- und Atomverzicht zustimmen, dann gäbe es auch eine Gewähr, dass die Nordkoreaner ihre Zusage einhalten würden. Für Kim Jong-un sind die bilateralen Gespräche eine Prestige-Frage, möchte er doch auf einer Stufe mit dem amerikanischen Präsident stehen. 

Obama hat es nicht geschafft, während seiner Amtszeit dieses Problem zu lösen und als er die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger übergab, benannte er Nordkorea als das größte Problem, das auf den neuen Präsident warten würde. Tatsächlich hat sich die Lage mit Nordkorea erheblich verschärft, versuchen doch diese immer mehr nach Kurz- und Mittelstreckenraketen auch Langstrecken-Marschflugkörper, die auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können, herzustellen und zu testen. Interessant ist, dass die Technik dazu überwiegend aus Russland stammt, auch eine diskussionswürdige Betrachtung. 

Ob ein nordkoreanischer Raketenangriff auf Guam oder gar auf Kalifornien zu diesem Zeitpunkt schon möglich ist, scheint doch eher zweifelhaft, da bei den bisherigen Raketenabschüssen diese unkontrolliert ins Meer gestürzt sind. Interessant dabei ist, dass eine Passagiermaschine der Air France auf dem Weg von Tokio nach Paris und eine abstürzende Rakete kaum hundert Kilometer aneinander vorbei geflogen sind, was die Fluggesellschaft dazu veranlasst hat, dieses Gebiet zukünftig weiträumig zu umfliegen. 

In Südkorea haben die Amerikaner ein Raketen-Abwehrschild aufgebaut, ebenso in Alaska und Kalifornien. Zudem ist der Pazifik zwischen Asien und Nordamerika abgesichert mit einer Flotte von Kriegsschiffen, die alle in der Lage sind, mit eigenen Raketen Marschflugkörper vom Himmel zu holen. Fachleute bezweifeln außerdem, dass nordkoreanische Raketen den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen würden, da diese bei großen Reichweiten zunächst außerhalb in die Atmosphäre geschossen werden müssten. Solche und ähnliche Planspiele können allerdings nicht beruhigen, denn auch eine abgeschossene Rakete mit einem Atomsprengkopf ist das Allerletzte was unsere Erde gebrauchen kann

Um noch einmal auf die beiden machtbesessenen Kampfhähne zu kommen, so sollte alle Welt alles versuchen sie zu coolen. Die Chinesen haben die Möglichkeit auf Kim Jong-un maßgeblich einzuwirken, denn an einem militärischen Eklat kann auch der Volksrepublik China nicht gelegen sein, generell und auch als unmittelbarer Nachbar Nordkoreas nicht. 

Trump sollte schleunigst lernen, dass er als Präsident zurückhaltend diplomatisch auftreten muss, ein Verhalten wie zwei Pubertierende auf dem Schulhof ist da nicht angemessen, zumal bei einer sich aufschaukelnden Rhetorik niemand sicher sein kann, bei wem zuerst die Sicherung durchbrennt. Eine Deeskalation ist aktuell nicht in Sicht, die Situation bleibt angespannt und gefährlich, auch weil täglich von beiden Seiten weiteres Öl ins Feuer gegossen wird mit immer drastischeren Attacken. Senator John McCain, einer der angesehensten Politiker der USA und Republikaner wie Trump hat zuletzt verlautbaren lassen, was schon früher große amerikanische Präsidenten gesagt haben: "Wir müssen die Keule in der Hand haben, aber nicht ständig mit ihr drohen". 

Vielleicht schickt Trump besser seine Tochter Ivanka in diplomatischer Mission zu Kim Jong-un nach Pjöngjang, eine Waffe ganz besonderer Art. Auf der einen Seite kann er dann durchaus entspannter reagieren und er verliert nicht sein Gesicht als amerikanischer Präsident, auf der anderen Seite soll der nordkoreanische Diktator als Internatsschüler im schweizerischen Bern sich sehr für blonde hübsche Mädchen interessiert haben, was dann durchaus zu einer gewissen Entkrampfung zwischen den USA und Nordkorea führen könnte. 

Peter J. König

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