Samstagskolumne Peter J. König 25.07.2015

"Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das zusammenstürzen müßte, wenn sich nicht die einzelnen Steine gegenseitig stützen würden." Lucius Annaeus Seneca (4 v.Chr. - 65 n.Chr.),

Das Thema Griechenland ist weitgehend medial abgegrast, obwohl eigentlich noch überhaupt keine offiziellen Verhandlungen zwischen dem IWF, der EZB und der Eurozone stattgefunden haben. Die griechische Regierung hat neben den verabschiedeten Gesetzen über deren Umsetzung noch nicht den geringsten Nachweis erbracht. Der aber ist dringend notwendig zur Vereinbarung eines "Dritten Hilfspakets". Die Schlagzeilen werden aber bereits von einem neuen Thema beherrscht, das zwar überhaupt nicht neu ist, aber durch bestimmte Übergriffe aus der rechtsradikalen Szene die Bevölkerung erschreckt. Es geht um die sprunghaft angestiegene Zahl von Asyl-Suchenden, ihre Unterbringung, ihre Versorgung und damit die grundsätzliche Frage: Wer bekommt bei uns Asyl und wie sind berechtigte Asylanten von reinen Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden, die keinen Anspruch auf ein Bleiberecht besitzen, und die Deutschland wieder verlassen müssen. .

Um die Situation etwas transparenter zu machen, müssen zunächst einige rechtliche Fakten genannt werden. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen dem Recht auf Asyl und dem Recht auf Einwanderung. Das Asyl-Recht ist im Grundgesetz verankert und steht jedem zu, der verfolgt wird und dessen Leben massiv gefährdet ist. 

Ein Recht auf Einwanderung kennt die Bundesrepublik Deutschland nicht, da es kein klassisches Einwanderungsland ist wie z. B. die USA, Kanada oder Australien. Allerdings gibt es Programme mit denen unser Land qualifizierte, gut ausgebildete Menschen aus der ganzen Welt einladen, sich hier niederzulassen, um mit ihrem Potential die heimische Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen. Dabei liegt die Entscheidung, wer in dieses Land kommen darf allein im Ermessen der Bundesrepublik. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem "Green-card"-Programm der Amerikaner, wo sich jeder bei einem Losverfahren beteiligen kann, um eine Arbeitserlaubnis in den Staaten zu erhalten. 

Gut ausgebildete Zuwanderer sind in unserem Land hoch willkommen, da sie einen Zugewinn für unsere Gesellschaft bedeuten und mithelfen in Wirtschaft und Forschung das Land nach vorne zu bringen und bei dem akuten Bevölkerungsschwund auch noch zur Zukunftssicherung dringend von Nöten sind. Assimilations-Schwierigkeiten entstehen bei dieser Gruppierung auch keine, da sie die internationalen Standards gewohnt sind. Dabei muss allerdings erwähnt werden, dass leider für viele dieser Auswanderungs-Willigen Deutschland nicht sehr hoch im Kurs steht, sie ziehen es vor in die englischsprachigen Länder zu gehen, zunächst der Sprache wegen, aber weil auch in USA, Kanada, aber auch in Großbritannien, Australien und Neuseeland die weitaus attraktiveren Angebote auf diese Menschen warten. 

Die eigentlich herrschende Problematik ist der unkontrollierbare Zustrom von Hunderttausenden von Menschen, die aus Afrika, aus dem Nahen Osten und vom Balkan in unser Land gelangen, auf höchst gefährlichen Überfahrten über das Mittelmeer auf von Schlepperbanden für viel Geld organisierten "Seelenverkäufern". Mittlerweile haben viele Tausende dabei ihr Leben lassen müssen, und nur diejenigen, die das Glück haben,  von Marineeinheiten aus den europäischen Ländern aufgefischt zu werden, gelangen in die Auffanglager der italienischen Inseln Lampedusa und Sizilien. 

Die Zustände auf diesen abfrackreifen Booten sind katastrophal. Total überlastet, ohne Wasser und Verpflegung treiben Alte und Junge, Schwangere und Familien mit kleinen Kindern tagelang zwischen der afrikanischen Küste von Libyen und Süditalien herum, jeder Sturm lässt viele verrottete Kähne untergehen. Die allermeisten Flüchtlinge kommen aus den Bürgerkriegs-Gebieten aus Afrika dort wo die islamistischen Terrororganisationen, wie Boko Haram, alles Ableger von ISIS aus dem Irak, die Menschen unterjochen und massakrieren. Aber auch aus Äthiopien, Eritrea und Somalia sind viele junge Menschen auf der Flucht, weil sie sich den Menschen-unwürdigen Verhältnissen ihrer Länder entziehen wollen. 

Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass mehrere Millionen Menschen auf dem Weg zur afrikanischen Küste unterwegs sind, um irgendwie nach Europa zu gelangen. In Libyen rechnet man bereits mit 1 1/2 Millionen Flüchtlingen, die sich dort bereits aufhalten, um über das Mittelmeer zu kommen. Da Libyen selbst im Chaos versunken ist nach der Diktatur von Gaddafi, sein Sohn wurde gerade in Abwesenheit zum Tode verurteilt, es für die Flüchtlinge sehr schwer dort überhaupt zu überleben, zumal die Milizen Jagd auf sie machen, in der Hoffnung ihnen die letzte Habe abzunehmen. Oft werden sie dann einfach umgelegt, die besoffenen libyschen Milizionäre berauschen sich am Blutbad, nicht natürlich ohne die Frauen vorher vergewaltigt zu haben. Dies soweit, damit man mal eine Vorstellung hat, unter welchen lebensgefährlichen Bedingungen die Menschen versuchen, ein besseres Leben zu bekommen

Die zweite Route führt über Land durch die Türkei nach Griechenland, dem ersten Staat in der EU aus südöstlicher Richtung kommend. Hier sind es die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, aber auch aus Afghanistan, die eine Bleibe in Europa suchen. Ihre bevorzugten Länder sind Deutschland, Frankreich, die Benelux-Staaten und Schweden. Innerhalb der EU gibt es große Unstimmigkeiten, wie mit den Asyl-Suchenden verfahren werden soll. Die einzelnen Staaten verhalten sich völlig unterschiedlich bei der Verteilung der Flüchtlinge, wobei die osteuropäischen Länder eher ablehnend einer Quote, bezogen auf die Bevölkerungszahl gegenüber stehen, während die Westeuropäer durchaus bereit sind noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Mit bestem Beispiel geht Schweden voran, sie haben bisher die meisten Asylanten gemessen an der Bevölkerungszahl aufgenommen. Frankreich und Deutschland sind entsprechend die folgenden Staaten mit der Zahl der am meisten aufgenommenen Flüchtlinge. Damit stellt sich nun die Frage, wie gehen wir als Staat mit den Flüchtlingen in unserem Land um, seien sie aus den Bürgerkriegsgebieten oder etwa aus den Balkanstaaten?

Und weiter: Wie reagiert die Bevölkerung auf den massiven Anstieg der Asyl-Bewerber?

Fakt ist, dass die Behörden mittlerweile ziemlich überbelastet sind mit der Flut der Flüchtlinge, denn es gilt zunächst allen eine menschenwürdige Bleibe zu ermöglichen, obwohl dies immer schwieriger wird. Es fehlt an geeigneten Unterkünften, an Personal zur Betreuung und hauptsächlich an der Möglichkeit zeitnahe Verfahren durchzuführen, bei denen festgestellt wird, ob jemand ein anerkannter Asylant mit einem Bleiberecht ist, oder ob es sich um einen Wirtschaftsflüchtling handelt aus einem sicheren Herkunftsland, der allein wegen der besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten her gekommen ist, oder noch problematischer, der das lange Asylverfahren nutzt, um zwischenzeitlich staatliche Leistungen zu kassieren, um nach der Ablehnung wieder in sein Land zurück zu kehren.

Dabei muss man wissen, dass in manchen Ländern das Durchschnittseinkommen weitaus geringer ist, als die hier zu beziehenden Leistungen. Um eine rechtsstaatliche Verfahrensweise bei der Anerkennung oder Ablehnung von Asylanten in dem angestrebten Zeitraum von drei Monaten zu erreichen, braucht es viel mehr geschultes Personal, das bedeutet viel mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Da die Asylantenfrage Ländersache ist, obliegt es den einzelnen Bundesländer hier zu handeln. Dies fällt aber immer schwerer bei den chronisch klammen Kassen der Länder, denn neben dem Personalbestand müssen in erster Linie viele neue Unterkunftsmöglichkeiten geschaffen werden. Deshalb soll der Bund finanzielle Hilfe leisten, und das nicht zu knapp. 

Mittlerweile werden auch die östlichen Bundesländer verpflichtet, höhere Zahlen an Flüchtlingen aufzunehmen, was in einigen Teilen der Bevölkerungen auf massiven Widerstand stößt. Nicht nur das Brandsätze in zukünftigen Asylanten-Heimen entzündet werden, und dies nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern mittlerweile auch in den alten. Rechter Pöbel macht sich vor den Heimen breit um in aggressiver Form vorzugehen. In Dresden ist es so zu Auseinandersetzungen zwischen "diesem Volk" und toleranten Menschen gekommen, die für das Recht auf Asyl und menschenwürdige Behandlung eingetreten sind. 

Die Polizei musste die Gruppen trennen, denn die Rechten wollten mit Gewalt auf die friedlichen Befürworter losgehen. Natürlich mischt auch wieder die nationalistische Pegida-Bewegung kräftig mit, sie sieht in der Asyl-Frage neue Möglichkeiten, dass ihre wüsten Hetzparolen auf fruchtbaren Boden fallen. 

Wie immer werden in den Medien solche Aktionen wie in Dresden oder die Bilder von brennenden Asylanten-Wohnheimen breit getreten. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber um Einzelaktionen, die in keinem Verhältnis stehen zu der überwältigen Zahl von Hilfeleistungen die spontan von Menschen aus der Bevölkerung aller Bundesländer geleistet werden. Ohne die private Hilfe wäre die Frage der Asylanten mittlerweile zu einem echten Problem für unser Land geworden. Grundsätzlich sind die Menschen in unserem Land sehr hilfsbereit, besonders wenn sie erfahren, was die Flüchtlinge haben erleiden müssen, zunächst in ihren Staaten, wie in Syrien oder dem Irak etwa, wo nicht nur der eigene Staat, etwa in Syrien sie mit Fass-Bomben tötet, sondern auch noch die Terrorgruppe ISIS sie bestialisch massakriert, wenn sie nicht sich ihrem Terror unterwerfen. 

Diesen Menschen ist das Gros der Bevölkerung sehr positiv gesonnen, selbstverständlich haben solche Verfolgten in ihren Augen das Recht hier sicher zu leben und sie sehen es als ihre Pflicht an, ihnen zu helfen. Auch können sie sehr wohl unterscheiden, aus welchen Gründen die Menschen in das Land kommen. Dass hier eine klare Trennlinie gezogen werden muss, zwischen denen die Hilfe benötigen und denen die rein wirtschaftliche Motive unter Ausnutzung der sozialen Leistungen im Auge haben, ist allgemeiner Konsens. Für rechte Scharfmacher, gar Brandstifter gibt es keinesfalls Verständnis, bis auf die ewig Gestrigen. Aber der Staat muss sich jetzt ganz intensiv der Asyl-Problematik annehmen, die Bevölkerung mitnehmen, gerade bei der Unterbringungsfrage und diesbezüglich vorausschauend handeln. Dass alles sehr viel Geld kostet, steht eh außer Frage. Je schneller jedoch geklärt wird, wer zu Recht oder zu Unrecht hier Asyl beantragt, umso besser kann die Bevölkerung damit umgehen, und umso konsequenter wird der Intoleranz die Stirn geboten

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 11.07.2015

Wird #Griechenland für #Europa zur #Zerreißprobe?

Um nicht als Hellseher zu gelten, soll darauf hingewiesen werden, dass diese Samstagskolumne erst am 13.07. 2015 entstanden ist. Der Grund liegt einfach im Ablauf der Ereignisse um die Verhandlungen der Eurozone mit Griechenland und dem ungewissen Ergebnis, das erst nach einer Marathonverhandlung im Laufe der Nacht zum Montag Klarheit darüber gebracht hat, ob Griechenland noch eine letzte Chance erhält, um weiter in der europäischen Währungsunion verbleiben zu können, oder ob vielleicht schon morgen das Land insolvent ist, da es seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern(EZB, IWF und EU) nicht mehr nachkommen kann. 

Die Folge wäre nicht nur ein möglicher Austritt aus dieser Eurozone. Die Rechtsexperten sind sich nicht sicher, ob dies von den anderen Mitgliedsstaaten herbeigeführt werden kann, oder ob die Griechen dies nur selbst bestimmen können. Fakt aber ist, das Griechenland kein Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) im Falle einer Nichteinigung mehr erhält, und auch keinerlei Förderung durch spezielle EU-Rettungsschirme mehr beantragen kann. Bei aller Schwierigkeit der juristischen Materie wäre das Ergebnis aber eindeutig. 

Mit der Pleite Griechenlands und ihrer Auswirkung hätte das Land verheerende Folgen zu erleiden, die das Staatsgebilde bis ins Mark erschüttern, die jeden einzelnen Griechen treffen würde, bis vielleicht auf ein paar wenige Oligarchen und ihre Clans, doch auch die müssten mit erheblichen Einbußen bei ihren innergriechischen Aktivitäten rechnen. Darüber hinaus wäre nicht sicher, ob Griechenland weiter in der EU bleiben würde, und ohne massive europäische Hilfe bestünde die Gefahr eines Zerfalls der sozialen Strukturen des Landes, sodass Experten davor warnen, Griechenland könnte ein ähnliches Schicksal erleiden, wie einst Äthiopien oder Eritrea, wo jegliche staatliche Ordnung sich aufgelöst hat, wie es auch gerade in Libyen stattfindet und wo Warlords das Schicksal des Landes bestimmen. Und dies in der Wiege der Demokratie in einem europäischen Land! 

Aber nicht nur die Menschen in Griechenland würden ein tragisches Schicksal erleiden, ohne jegliche Perspektive, nein ganz Europa würde in eine überaus gefährliche Krise schlittern, denn ob es die EU auf Dauer überhaupt noch geben würde, wäre fraglich

Die Gefahren durch Krieg und militärische Überfälle wären so akut wie in der Vergangenheit, die man glaubte mit dem Zusammenwachsen der europäischen Völker überwunden zu haben. Aber nicht nur diese Rückentwicklung wäre bedrohlich, wirtschaftlich wäre es ein Desaster im Hinblick auf die globale Wirtschaft, die einzelnen europäischen Staaten wären ein Nichts im Welthandel. 

Doch die vielleicht größte Gefahr lauert auf politischer Ebene. Hatte man es im Ansatz geschafft, einem sich entwickelnden gemeinsamen Europa wieder mehr Einfluss in geostrategischen Fragen zukommen zu lassen, würde die Zukunft als europäische Einzelstaaten diese zur Bedeutungslosigkeit verkommen lassen. Sowohl Russland und China würden versuchen ihren Einfluss in der Region weiter massiv zu verstärken. Ohne eine gemeinsame EU hätte sich der Ukrainekonflikt schon lange erledigt, mit dem Ergebnis, dass die gesamte Ukraine zum Vasallenstaat Russlands degradiert wäre. 

China versucht schon jetzt mit wirtschaftlichen Mitteln in Griechenland Positionen zu erreichen, so wie übrigens in vielen Staaten in der EU, auch in Deutschland, wie die Übernahmen deutscher Firmen durch die Chinesen zeigen. Der einst so gerühmte und wirtschaftlich aktive Hafen von Piräus ist langfristig zur Hälfte von einem chinesischen staatlichen Transportunternehmen gepachtet worden, mit der Folge, dass nur hier überhaupt noch Waren umgeschlagen werden, der griechische Teil ist mittelweile schon längst verrottet. 

Und die Hiobsbotschaften gehen weiter. Bei der südosteuropäischen Lage wäre ein zerrüttetes Griechenland natürlich das unkontrollierte Einfallstor für alle möglichen Bewegungen auf den europäischen Kontinent. Bürgerkriegsflüchtlinge aus allen Nahoststaaten sowieso, aber auch terroristische Unterwanderungen der sich immer weiter ausbreitenden Terrororganisation ISIS, die versucht ihr Territorium des sogenannten IS-Staates kontinuierlich in Richtung Mitteleuropa zu erweitern, wäre die Folge. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Europa um Jahrhunderte zurück geworfen würde

Diese Szenarien waren den Regierungschefs der Eurozone durchaus bewusst, als es darum ging, Griechenland unbedingt im Euro und in der EU zu halten. Keiner der verantwortlichen Staats-Frauen und –Männer und ganz bestimmt nicht Angela Merkel wollten letztendlich für einen "Grexit" verantwortlich sein, indem sie den Griechen nicht noch eine letzte Chance eingeräumt hätten. 

Nach einem 17stündigen Ringen mit Griechenlands Ministerpräsident Tsipras ist es in den Morgenstunden gelungen einen Kompromiss zu erarbeiten mit dem sowohl Griechenland überleben kann, mit dem aber auch die restlichen Eurostaaten zumindest einverstanden sein können. Trotzdem muss darauf hingewiesen werden, dass die Sache zunächst noch an einem seidenen Faden hängt. Bevor überhaupt offizielle Verhandlungen mit Griechenland aufgenommen werden, dabei geht es um ein Hilfspaket von mehr als 80 Milliarden Euro über 3 Jahre, das nicht nur die Verpflichtungen bei den Gläubigern teilweise decken soll, die griechischen Banken wieder rekapitalisiert, damit sie nicht mehr am Tropf der EZB mit Notkrediten hängen und damit endlich das Wichtigste unternommen werden kann, nämlich Investitionen in die griechische Wirtschaft, muss die griechische Regierung bis Mittwoch anfangen, Reformen in Gang zu setzen. 

Dies bedeutet konkret, Gesetze durch das Parlament zu bringen, die unumkehrlich staatliche Veränderungen in der Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik garantieren, und die Griechenland wieder zu neuem wirtschaftlichem Wachstum verhelfen. Ohne solche vertrauensbildenden gesetzlichen Maßnahmen wird es noch nicht einmal zu den Abstimmungen in den Parlamenten einiger Euroländern wie Holland, Finnland oder Deutschland kommen, die dann mit ihrem positivem Votum ihren Regierungschefs das Mandat erteilen, in Brüssel mit Griechenland ein solches sogenanntes "Drittes Hilfspaket" zu verhandeln. 

Ob alle Parlamente allerdings "grünes Licht" geben werden, ist momentan noch nicht abzusehen. Dies wird sich am Ende dieser Woche zeigen, Voraussetzung ist allerdings unbedingt, dass die Griechen mit ihren Reformen begonnen haben. Bei allen Aktivitäten muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass die Rettung Griechenlands exorbitant viel Geld kosten wird. Etwa 340 Milliarden Euro Staatsschulden hat das Land zurzeit etwa. 80 Milliarden sollen erneut dazukommen, wobei ein Teil davon zur Schuldentilgung beim IWF und der EZB heran genommen werden sollen. Griechenland muss dafür Staatseigentum von 50 Milliarden auf ein Treuhandkonto übertragen, also staatliche Einrichtungen, wie Flughäfen und Eisenbahntrassen, die dann privatisiert werden und wobei die Erlöse jeweils zu einem Drittel für die Schuldentilgung, die Rekapitalisierung der Banken und zu Investitionen genutzt werden sollen. Dies alles reicht aber bei weitem nicht aus, um nur annährend Griechenlands Schulden zu tilgen

Bei den Verhandlungen zwischen der Eurozone und den Griechen, wenn sie dann zustande kommen sollten, wird es dann auch um einen Schuldenschnitt und um eine langfristige Umschuldung gehen. Zwar wurde dies nach den Verhandlungen nicht erwähnt, zumindest der Schuldenschnitt nicht, aber jedem Kenner der Materie ist klar, dass es ohne einen Schuldenerlass in einem massiven Umfang für Griechenland zukünftig überhaupt keine Perspektive geben wird. Hinter vorgehaltener Hand wird mindestens mit 40 bis 50 Prozent gerechnet, die restlichen Schulden werden bei einem extrem niedrigen Zinssatz von vielleicht einem Prozent auf 50 bis 70 Jahre gestreckt. 

Dies ist durchaus nicht ungewöhnlich bei einer Staatsschuldentilgung, denn auch Deutschland hat Reparationszahlungen vom Ersten Weltkrieg bis in die 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts bezahlt. Unter dem Strich ist festzustellen, dass die Rettung Griechenlands die europäischen Steuerzahler mindestens weit über hundert Milliarden Euro kosten wird, wenn alles so läuft wie geplant. 

Doch was ist die Alternative, und um vielleicht noch etwas Positives bei allem finanziellen Desaster heraus zu filtern, welche Schlüsse können die Regierenden und ihre Bürger für Europa daraus ziehen? Auf das Gefahrenpotential für den europäischen Kontinent bei einem "Grexit" wurde bereits hingewiesen. Der monetäre Verlust bei einer griechischen Pleite wäre in diesem Fall sofort eingetreten, alle Kredite an Griechenland wären unwiederbringlich untergegangen, wobei Deutschland die Summe von weit über hundert Milliarden für immer hätte abschreiben müssen. Dies reicht aber bei weitem nicht aus, wenn man Griechenland nicht "vor die Hunde gehen lassen will", aus oben genannten Gründen, aber ebenso, wenn die Menschen nicht verelenden sollen. 

Also müssten umfangreiche humanitäre Hilfspakete her, in der Größenordnung des jetzt angestrebten "Dritten Hilfspaket", ohne jedoch überhaupt eine Rückzahlung dafür zu bekommen. Zudem hätten die Europäer keinerlei Einfluss mehr in Griechenland, natürlich würde jeder dort willkommen sein, wenn er nur Geld mitbringt. Auch ist sehr zweifelhaft, ob das Land bei einer Rückkehr zur Drachme überhaupt gewillt ist, die überfälligen Staatsreformen umzusetzen, an der entsprechenden Kraft hat es ja schon seit Jahrzehnten gefehlt. Es ist davon auszugehen, dass auch die humanitären Hilfspakete sinnlos verpuffen würden. 

Unter dem Strich darf festgestellt, dass die Grexit-Lösung nicht die sinnvollere Variante für Griechenlands Zukunft sein kann. Nun da man gewillt ist Griechenland im Euro zu halten, und dies haben die 19 Mitglieder der Eurogruppe ja einstimmig beschlossen, ist am Schluss zu fragen, welche Erfahrungen aus dem Griechenland-Drama zu ziehen sind, und was zukünftig zu unternehmen ist, damit ein solches kostspieliges Dilemma sich nicht wiederholt? 

Grundsätzlich müssen die Kriterien der Maastricht-Verträge überarbeitet werden, sodass Bedingungen geschaffen werden, damit alle Mitglieder der Eurogruppe gleiche Wettbewerbschancen erhalten. Dies genauer hier auszuführen würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Doch so viel soll noch erwähnt werden, ohne eine gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik ist zukünftig ein europäisches Gebilde auf Dauer nicht zu halten. Dies muss sowohl allen Menschen und besonders allen Politikern in Europa klar sein. Diesen Schritt zu gehen, erfordert viel Geduld, noch mehr Vernunft, große Überzeugungskraft und den Willen auf Privilegien im Sinne der Gemeinschaft zu verzichten.

Als Gegenleistung gibt es ein einiges, starkes Europa, das in der Riege der Großmächte durchaus seinen berechtigten Platz sichert. In diesem Sinne ist wohl auch das Engagement der Bundeskanzlerin zu sehen, die weit vorausschauend und sehr pragmatisch die Vor- und Nachteile um die Griechenland-Rettung abgewogen hat und lieber ein zwar teures, aber überschaubares "Drittes Hilfspaket" präferiert hat, bei dem auch noch die Chance einer teilweisen Rückzahlung gegeben ist, als einen unkontrollierten "Grexit" in Kauf zu nehmen, bei dem keiner weiß, was tatsächlich passiert, weil die Folgen letztendlich unkalkulierbar sind. 

Bei aller Skepsis gegenüber Angela Merkel, was ihr tägliches Politikgeschäft anbetrifft, hier hat sie trotz aller Häme die ihr diesbezüglich entgegenschlägt, sich mit aller Kraft für die bestmögliche Lösung eingesetzt, die langfristig Europa, den Griechen, aber auch den anderen Staaten in der Eurozone eine gewisse Erfolgschance bietet.

Peter J. König