Samstagskolumne Peter J. König 17.01.2015

Es wird Zeit für ein Miteinander über alle Religionen hinweg. Der Weltfrieden gebietet es. (Peter J. König)

Einmal wieder wurde in der vergangenen Woche auf das Brutalste klar, wie fragil die Werte der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlich sein können. Dabei wurden nicht nur die Journalisten und Redakteure des Satire-Magazins "Charlie Hebdo" kaltblütig ermordet, sondern der Anschlag galt auch gleichzeitig den Grundprinzipien unserer aller Demokratie. 

Ebenso ist der blutige Überfall auf den jüdischen Supermarkt zu verstehen, der vier Personen traf, die zufällig dort ihre Einkäufe tätigten und einen Polizisten, einen Franzosen mit marokkanischen Wurzeln und islamischen Glaubens, der sich schützend vor eine Gruppe von weiteren jüdischen Einkäufern gestellt hatte. Der Attentäter hatte bereits einen Tag zuvor eine junge französische Polizistin, sie war eben erst mit ihrer Ausbildung fertig und sollte nun den aktiven Dienst beginnen, kaltblütig hingerichtet. Ihre Ursprünge lagen auf der Antilleninsel Martinique, einem Übersee-Departement Frankreichs. 

Alle Ermordeten für sich standen für die Grundwerte der Demokratie, die Karikaturisten von "Charlie Hebdo" mit dem Zeichenstift und ihrer Intellektualität, die Gendarmen mit ihrer Überzeugung für die französische Nation und die damit verbundenen Freiheitsrechte. 

Dass die Terroristen ihre Gräueltaten im Namen Allahs ausgeübt haben, hat nichts mit dem Islam zu tun, sondern ist hauptsächlich auf die Geschehnisse im Vorderen Orient, in Syrien und Irak, aber auch in Afghanistan zurück zu führen. Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten sind Terrororganisationen am Werk, um die politische Ordnung in diesem Teil der Welt mit Gewalt zu verändern. Dabei haben sie sich den Islam als Begründung ausgesucht, nicht weil sie Muslime sind, sondern weil sie so den möglichst größten Rückhalt in den Islam- geprägten Gesellschaften erwarten und hoffen durch die kulturellen, aber auch durch die Glaubens-Differenzen ein machtvolles Potential zu erreichen. Ihre Ziele sind sowohl Potentaten von ihren Thronen zu stürzen, als auch Republiken zu Fall zu bringen, um weltweite Kalifate zu errichten, die nach der Scharia beherrscht werden. 

Dazu rekrutieren sie schon seit Jahren bereitwillige junge Menschen in allen europäischen Staaten, sowohl für die militärischen Aktivitäten in den arabischen Staaten, als auch für terroristische Einsätze weltweit. Mit größter Verachtung werden dabei die Menschenrechte mit Füssen getreten, indem gemordet, vergewaltigt, unterdrückt und geschändet wird, auf höchst perfide und willkürliche Weise. Und dies alles im Namen von Allah und nach den Geboten von Mohammed dem Propheten. 

Das Ziel sind nicht nur westliche Staaten mit ihrer demokratischen Wertegemeinschaft, auch Russland und weitere Staaten in Fernost und afrikanische Länder stehen auf der Agenda der Islamisten. Dabei muss man sich klarmachen, dass am Ende ein weltumspannendes Kalifat erreicht werden soll, das nur ein Gesetz kennt, die Scharia. 

Es ist deshalb plausibel, dass die Islamisten ganz besonders die westlichen freien Gesellschaften angreifen, da sie hier den größten Widerstand gegen ihr Vorgehen erleben, da hier auch das größte militärische Potential besteht, um sich ihnen im Kampf, aber auch politisch entgegen zu stellen. Gerade die weltweiten Bekundungen durch die Trauermärsche haben gezeigt, dass die zivilisierten Gesellschaften nicht bereit sind, auch nur einen Schritt von ihren demokratisch-humanitären Grundüberzeugungen zurück zu weichen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Morde von Paris haben allen Bürgern in der freien Welt gezeigt, wie wichtig es ist, sich für die Ideale der Französischen Revolution einzusetzen. 

Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkörpern die Werte jeder Demokratie und nur wenn diese Werte fest in den Gesellschaften verankert sind, ist der Bestand eines demokratischen Staates gesichert. Wenn die Massaker von Paris nicht völlig sinnlos sein sollen, dann muss klarwerden, dass es höchste Zeit ist, sich nicht nur diese Werte erneut bewusst zu machen, sondern sie müssen auch umgesetzt werden. Dazu sind viele Schritte nötig:  Zunächst muss deutlich sein, dass Islamismus in seiner Gewalt- beherrschenden Ausprägung mit dem Glauben des Islam nichts zu tun hat. Mögen auch die Terroristen sich hinter dem islamischen Glaubensbekenntnis verstecken und ihre Machtgier und Welt-erobernden Aktivitäten mit dem Islam begründen, die Religion der Mohammedaner gibt solche Handlungsmuster nicht her. 

Bei dieser Gelegenheit soll daran erinnert werden, was im Namen der katholischen Kirche seitens der Spanier in Südamerika verbrochen worden ist, ohne dass der Vatikan von den Machenschaften sich Jahrhunderte-lang distanziert hat. Das Phänomen Islamismus hat aber noch einen konkret- politischen Hintergrund, deren deutliche Spuren bis weit in die Staaten hineinreichen, wo der Islam zuhause ist, und wo westliche Regierungen massiv finanziell und militärisch eingegriffen haben, um bestehende Strukturen, zumeist absolute Herrscher zu stabilisieren. 

Wenn man sich diese Staaten ansieht, bis weit nach Fernost, sind sie überwiegend von Potentaten, korrupten Regimen oder Despoten beherrscht, die es verstanden haben ihre Bevölkerung zu unterdrücken oder zumindest in Schach zu halten. Demokratische Regeln sind dort durchweg unerwünscht. Der Islam ist meistens Staatsreligion, was die Macht der Herrschenden noch entscheidend stützt. Die westlichen Staaten haben als Verbündete dafür gesorgt, einerseits mit Technologie-Transfer(Ölindustrie und Waffen), anderseits mit der Ausbildung der Eliten an Militärakademien und Universitäten, dass ihr politischer Einfluss uneingeschränkt bleibt. 

Während dem Volk gegenüber die strenge Unterwerfung unter die Regeln des Korans vorgeführt wurde, haben die herrschenden Clans bei monatelangen Aufenthalten in den USA und Westeuropa dem ausschweifenden Leben gefrönt. Typisch zeigte sich dieses doppelbödige Verhalten über Jahrzehnte in Marbella/Spanien, wo das gesamte Saudische Herrscherhaus sich mittags in der Moschee versammelt hat, um abends nach westlicher Jet-Set-Manier spärlich bekleidet die sündhaft- teuren Diskotheken, Nachtklubs und Bordelle zu bevölkern. Marbella ist da kein Einzelfall und steht für London, Südfrankreich, Florida und andere Hot-Spots des internationalen Jet-Sets. Und dort sind sie alle aufgetaucht, die Führungsschichten dieser Länder, selbst aus dem bitterarmen Jemen. 

Zwangsläufig haben sich dementsprechend Widerstand und Auflehnung in den Bevölkerungen breit gemacht, meist angeführt von abtrünnigen Religionsführern, die auf die strenge Einhaltung des Koran drängten und des Weiteren die Scharia wieder einführen wollten. Dabei entstanden militante Untergrundbewegungen, die schließlich im Terrorismus landeten. War dies zunächst nur auf die eigenen Staaten bezogen, so entwickelte sich in Afghanistan eine neue Internationalisierung mit Al- Kaida und der Terrorstrategie zunächst gegen die Russen, die in Afghanistan einmarschiert sind, um den Terror, der nach Russland hineingetragen worden ist, an den Wurzeln zu bekämpfen. Nach den Russen waren die Amerikaner und andere westliche Staaten dran, die ebenfalls jetzt am Hindukusch intervenierten. Im Laufe der Zeit wurde nicht nur der Terrorismus in die westliche Welt getragen, der Islamismus (nicht zu verwechseln mit der Islamisierung, der Unterschied liegt in der Anwendung von Gewalt) hat sich zum Ziel gesetzt, die Weltherrschaft zu erringen. 

Mit der Terrorbewegung Isis, die in Syrien und im Irak den IS (Islamischen Staat) ausgerufen hat, ist ein Kalifat entstanden, etwa von der Größe von Großbritannien mit durchaus funktionierenden Strukturen. Boko Haram, der afrikanische Ableger versucht ebenfalls in Nigeria im Herzen Afrikas einen gleichen Gottesstaat zu errichten. Als nächstes Ziel haben die Islamisten Europa ins Visier genommen. Dazu versuchen sie zunächst diese Länder zu unterminieren, die einen gewissen mohammedanischen Bevölkerungsanteil ausweisen, sei es durch die ehemaligen Kolonien wie in Frankreich, Belgien oder Großbritannien, sei es wie in Deutschland und Schweden durch die Zuwanderung von Gastarbeitern aus islamischen Staaten. 

Mit ihren Hasspredigern in den Moscheen und den Moschee-Vereinen gelingt es, besonders junge Männer, die am Rande der Gesellschaft stehen für sich zu gewinnen und sie zu radikalisieren. Unterstützt werden sie dabei durch modernste Kommunikationsmittel, die den Islam wie eine moderne "Soap-Opera" preisen. Ziel ist es, die jungen Leute im Syrischen Bürgerkrieg für den IS zu instrumentalisieren, sie zu verrohen, um sie anschließend zu Terrorzwecken in ihre Heimatländer zurück zu schicken, um dort Angst und Schrecken zu verbreiten, mit der Folge, dass die dort friedlich lebenden Muslime von der Bevölkerung attackiert werden und so die Islamisten weiteren Zulauf bekommen. Ergebnis soll ein Aufschaukeln von Gewalt sein, sowohl auf Seiten der einheimischen Nationalisten, als auch bei den Muslimen. Welche Folgen dies haben kann, zeigt ganz deutlich das Beispiel Frankreichs, wo die Bevölkerung insgesamt verunsichert ist. Dies gilt besonders nach den jetzigen Anschlägen für Juden, aber auch für Muslime und für einen großen Teil der restlichen Gesellschaft. 

Deshalb ist es jetzt dringend notwendig, dass sich die Menschen für alle friedliebenden Mitbewohner solidarisieren, seien sie Christen, Juden, Muslime oder Atheisten, so wie es in Paris aber auch in Berlin geschehen ist. Dazu sind wir alle aufgerufen, die Zivilgesellschaft, die Politik, aber auch die Kirchen. Die muslimischen Glaubensgemeinschaften müssen mehr denn je öffentlich machen, dass der Islam weder etwas mit Islamismus noch mit Dschihadismus(Aufruf zum heiligen Krieg) zu tun hat. 

Ebenso dringlich ist es, sich mit den Anwerbemethoden der Salafisten ausgiebig zu befassen. Salafisten sind extrem radikale Islamanhänger und sie bilden die Einstiegsebene zur Terrorszene. Selbsternannte Gottesprediger, wie z.B. Pierre Vogel einem deutschen Konvertit, der zum Islam übergetreten ist, agitiert in seinen Hasspredigten gegen die westliche Gesellschaft und für die Scharia. Dabei findet er seine Anhängerschaft unter den jungen Leuten mit muslimischem Migrationshintergrund. 

Diese haben in der Regel eine geringe Schulbildung, kommen aus einem sozial-schwachen Milieu und sind kaum in die Gesellschaften ihrer Staaten integriert. Hinzu kommt noch eine entsprechende Benachteiligung und Ausgrenzung. Zwangsläufig entstehen so Hass und Wut, eine besondere Verunsicherung und das Gefühl der Wertlosigkeit. Hier setzen die Salafisten an, indem sie ihnen erklären, dass sie eine neue Bedeutung bekommen, wenn sie sich dem radikalen Islam anschließen, um für die weltweite Verbreitung zu kämpfen. 

Bis zu diesem Zeitpunkt haben die wenigsten von ihnen etwas mit dem mohammedanischen Glauben zu tun gehabt, so dass sie den Unterschied zwischen dem friedlichen Islam und dem militanten Islamismus nicht kennen. Sie sind allein von dem Gedanken beseelt, als Gotteskrieger Anerkennung und Bedeutung zu erlangen. Den Preis, den sie dafür zahlen müssen, erkennen sie erst, wenn sie als IS-Kämpfer in Syrien und Irak mit dem Leben und der Gesundheit bedroht sind. Viele kehren daraufhin ernüchtert zu ihren Familien zurück. Größte Gefahr geht allerdings von denen aus, die radikalisiert und verblendet, zudem brutalisiert durch den Blutrausch des IS in ihre Ursprungsländer nach Westeuropa zurückkehren, um hier Terrorakte zu begehen. 

Diese Theorie der Einzeltäter hat mittlerweile die früheren Muster von Massenterror, wie z. b. "nine-eleven" in New York bei den strategischen Überlegungen des IS abgelöst und ist deshalb für die Sicherheitsbehörden ein großes Problem, da im Vorfeld die Entdeckung nur sehr schwer möglich ist. Alle Rückkehrer aus den Bürgerkriegsgebieten müssen deshalb überwacht werden, da gibt es zurzeit keine andere Möglichkeit zum Schutz der Bevölkerungen. Dies geschieht auch konsequent, wie man in Frankreich, Belgien und auch bei uns in der BRD feststellen kann. Genauso wichtig ist es aber auch, die heranwachsenden, jungen Menschen jetzt mit allen Möglichkeiten der Betreuung nicht mehr alleine zu lassen, damit sie nicht weiterhin leichte Beute der Radikalen werden können. Dazu ist die Hilfe aller familiären und gesellschaftlichen Gruppen notwendig. Mit dem nötigen Hintergrunds- Wissen durch Bildung, Anerkennung in ihrem Umfeld und einer geeigneten Arbeitsstelle entsteht eine Perspektive, die sie immun macht für Salafismus und den Dschihad. 

Wenn sie dann noch erkennen, dass sie in einer freien Wertegemeinschaft ohne Repressalien ihren friedlichen Islam leben können, wenn sie das wollen, dann werden ihre Eltern auch nicht mehr von der Frage gequält, wie es kommen konnte, dass ihre Kinder zu Mördern und Verbrechern wurden oder in den Tod gingen, ohne dass sie dieses verhindern konnten. 

 Peter J. König