Samstagskolumne Peter J. König 13.12.2014

Demokratie ist untauglich, wenn die Politik nur von einigen wenigen Politikwissenschaftlern verstanden wird. 

Pegida, das Sammelbecken für allgemeinen Frust und Unzufriedenheit von einigen Tausenden von Bürgern zeigt gerade in Dresden, dass hierzulande nicht alles zum Besten steht, trotz guten Wirtschaftsdaten und sprudelnden Steuerquellen. 

Dabei ist sowohl der Begriff, der hinter diesem Kürzel steht: "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", als auch die Gruppe der Initiatoren völlig irrational und bedarf dringend einer Aufklärung. Um es gleich vorweg zu sagen, mittlerweile hat sich gezeigt, dass trotz Sprechverbot gegenüber den Medien, die den Menschen, die bei den Kundgebungen mitgemacht haben, auferlegt wurde, ein entsprechendes Maß an Bereitschaft notwendig ist, diese wirklich ernst zu nehmen. 

Dabei muss jedoch unterschieden werden, ob es sich hierbei um Rechtsradikale, Neonazis, politische Wirrköpfe oder verunsicherte Bürger aus der Mitte der Gesellschaft handelt. In Dresden ist die Zusammensetzung der Demonstranten vielfältig. Über das braune Gesindel, das sich lautstark mit Hassparolen gegen alles Fremde artikuliert, muss hier nicht großartig debattiert werden. 

Die Begrifflichkeit, unter der diese Veranstaltungen stattfinden, ist ebenso absurd, wie die Glaubwürdigkeit der Initiatoren, die hinter Pegida stehen. Eine Islamisierung Europas findet de facto nicht statt, nicht einmal eine vermeintliche Überfremdung und schon gar nicht in Sachsen, dem Bundesland mit der mit Abstand niedrigsten Quote von Menschen mit Migrationshintergrund. 

Sprecher und Hauptdrahtzieher dieser Kundgebungen ist eine Person namens Bachmann, der sich nach mehreren Verurteilungen der Haftstrafe entzog, indem er nach Südafrika geflohen ist. Von dort wurde er nach Deutschland ausgeliefert und er hat anschließend hier seine Strafe abgesessen. Mittlerweile betreibt er offiziell eine Werbeagentur in Dresden, von wo er mit einigen Freunden diese Montagsaufläufe organisiert. Dabei spricht er gezielt die Menschen an, die sich als Verlierer der Wiedervereinigung fühlen, als auch die Enttäuschten, die glauben, die Politik habe sie im Stich gelassen, indem ihr Wohlstand gefährdet sei, durch illegale Einwanderung und steigende Flüchtlingszahlen. 

Dass solche Rattenfänger wie Bachmann nicht nur das rechte Gesindel auf die Straße zieht, sondern auch Bürger, deren Interesse eher unpolitisch ist, viele haben mittlerweile die Teilnahme an Wahlen abgelehnt, muss alle Demokraten aufschrecken. Wenn man sich dabei die Transparente ansieht und anhört welchen Slogans von den Rednern applaudiert wird, kommt doch ein Bild zum Vorschein, das weit über Politikverdrossenheit hinausgeht. Hier wird mittlerweile vom krassen Versagen des demokratischen Staates gesprochen, da sich "die da oben" alles angeeignet haben, keinerlei Rücksicht mehr auf das Volk nehmen und Deutschland an das Großkapital verscherbelt. 

Deshalb würde man auch wie 1989 mit Montagsdemonstrationen in die Öffentlichkeit gehen, um zu zeigen, wer eigentlich das Volk ist, um sich so wieder Gehör zu verschaffen. Obwohl diese Vorwürfe absurd sind, muss die Politik diese Haltung ernst nehmen, schon um einer Radikalisierung vorzubeugen. Die Bundesrepublik mit der DDR zu vergleichen, ist per se Nonsens. Allein die Feststellung dieser Tatsache wird die Menschen, die ihre Ziele nach der Wende nicht umsetzen konnten, nicht überzeugen. Der Frust und die Niedergeschlagenheit muss ein Grad erreicht haben, der so groß ist, dass sie nicht bereit sind,  mit den Medien zu sprechen, da diese angeblich alle nur lügen.

Hier werden Parallelen mit der DDR gezogen, ebenso sind sie nicht Willens mit Andersdenkenden zu diskutieren. Bachmann und seine Pegida-Clique haben deshalb Schweigemärsche verordnet, zuweilen werden aber doch Rufe nach Putin laut, dem starken Mann in Russland, was noch mehr Befremden und Nachdenklichkeit hervorruft.

Was ist jetzt zu tun? Auf keinen Fall dürfen die Demonstranten weiterhin mit dem rechtsradikalen Einfluss der Pegida- Initiatoren allein gelassen werden. Dazu ist es notwendig, die wirklich verunsicherten Menschen ernst zu nehmen. Dies bedeutet, sie nicht gleich in die rechte Ecke zu stellen. Die Politik, sowohl in Sachsen als auch in der gesamten Bundesrepublik muss auf die verunsicherten Bürger zugehen, und zwar seitens aller demokratischen Parteien.

Das Schlimmste wäre jetzt ein hirnloses Politikergezänk. Es ist dringend notwendig eine Plattform zu schaffen, wo die Enttäuschten sich frei artikulieren können, und zwar ohne die Vormundschaft von Bachmann und Co. Ihnen wird zu verdeutlichen sein, dass sie sich nicht instrumentalisieren lassen dürfen. Es muss klar werden, dass die Ziele von Pegida nicht die gleichen wie die ihrigen sind. Weiterhin sollte es gemeinsame Diskussionsrunden geben, in denen sich die Politik den Fragen dieser Menschen stellt, nachdem sie zunächst bereit sind, zuzuhören welche Ängste und Bedenken diese Bürger umtreiben, so dass sie auch spüren, dass sie tatsächlich ernst genommen werden. Jetzt ist Basisarbeit gefragt, Sonntagsreden und abgehobene Podiumsdiskussionen à la Fernsehtalkshows der bestehenden Form können hier nichts mehr bewirken

Die Menschen wollen sich Gehör verschaffen und wenn dies in ihrem Sinne nicht möglich ist, stimmen sie mit den Füßen ab. Das ist dann die Stunde der Rattenfänger und wie so etwas endet, hat Deutschland schon einmal 1933 erlebt. In der heutigen Zeit, in der sich Politik überaus komplex darstellt und die Menschen auf der Straße die politischen Entscheidungen kaum nachvollziehen können, da die Materie immer schwieriger wird, ist es eminent wichtig, diese auch dem Bürger plausibel zu machen. Demokratie ist untauglich, wenn die Politik nur von einigen wenigen Politikwissenschaftlern verstanden wird. 

Die Folgen sehen wir schon deutlich an den Wahlbeteiligungen, wenn die Menschen es aufgegeben haben, Entscheidungen über ihre eigene Zukunft selbst mit zu bestimmen. Alles beginnt mit Nichtverstehen. Daraus erwächst mangelndes Interesse, dann folgt Protest und schließlich Chaos. 

Ein markantes Beispiel ist die Asyl- und Flüchtlingsfrage. Die Politik muss den Menschen erklären, warum wir Flüchtlinge aufnehmen, was bei den meisten durchaus auf großes Verständnis stößt. Aber noch viel wichtiger ist es dann zu sagen, wie alles bewerkstelligt werden soll, also wie viele Flüchtlinge kommen, wo sie untergebracht werden und wie sie am besten mit der Bevölkerung harmonieren können. Auch wollen die Menschen wissen, über welchen Zeitraum in etwa Flüchtlinge beherbergt werden sollen und was mit den Asylsuchenden passiert. Um es auf einen Nenner zu bringen, es müssen Perspektiven erarbeitet werden, sowohl für die Bevölkerung, als auch für die Schutzsuchenden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Diese müssen von der Politik ausgiebig kommuniziert werden. Dazu gehört auch auf eine gewisse Opferbereitschaft hinzuweisen, ebenso den hier ankommenden Menschen neben zumutbaren Bedingungen auch ein gewisse Anpassungsfähigkeit zu vermitteln.

Wichtig ist die jeweiligen Ängste und Ressentiments abzubauen und Verständnis für den Anderen zu entwickeln. Dabei muss immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Dies umfasst die unterschiedlichsten Punkte. So darf z.B. eine Orts-Bevölkerung nicht mit zu großen Aufnahmezahlen überbelastet werden, Asylanten nicht über Jahre auf ihre Aufnahmeverfahren warten müssen, sondern binnen weniger Monate soll entschieden werden, ob sie Bleiberecht bekommen oder das Land wieder verlassen müssen. Dazu bedarf es mehr Personal, was wiederum Steuergeld kostet. 

Trotzdem wäre es vielleicht sinnvoll hier zu investieren, denn die Kosten für langjährige Aufenthalte sind allemal höher. Auch über die Frage von zwischenzeitlicher Arbeitserlaubnis muss diskutiert werden und zwar so, dass die einheimische Bevölkerung sich dadurch nicht behindert fühlt, sondern es als Unterstützung im Wirtschaftsprozess wahrnimmt. Und es gibt noch eine Menge weiterer Fragen, die die Menschen hierzulande bewegen. Darauf müssen wir alle gemeinsam Antworten finden, die Politik alleine ist damit überfordert. 

Wenn dies nicht gelingt, werden die Zahlen bei den Schweigemärschen an Montagen weiterhin steigen und dies nicht nur in Dresden. Aus einer dubiosen, politischen Randerscheinung namens Pegida wird ein echtes Demokratieproblem, denn die Menschen wollen ihre Meinung nicht mehr mit dem Stimmzettel kundtun, sondern mit Aufmärschen dem Staat Paroli bieten. Und dass dieses nicht gutgeht, haben gerade wir Deutschen schon des Öfteren erlebt. Deshalb kann die Devise nur heißen: Ängste ernstnehmen, zuhören, aufklären und Lösungen suchen, die besonders von den weniger Privilegierten verstanden werden.

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 06.12.2014


"Kultureller Pluralismus ist kein Hindernis, sondern Voraussetzung für eine demokratische Lebenswelt in Europa."  ( Zitat Prof. Dr. Claus Leggewie)

Seit einigen Wochen finden, erst in Dresden und mittlerweile in einigen weiteren deutschen Städten, ja selbst in Ostfriesland Montagsdemon- strationen statt, die von einer Bewegung Pegida initiiert werden und wobei sich mehrere tausend Bürger auf der Straße versammeln. 

Montagsdemonstrationen sind uns alle ein Begriff, haben sie doch den Anfang vom Ende der DDR eingeläutet, speziell in Leipzig und waren damit der Beginn der einzigen friedlichen Revolution, die jemals auf deutschem Boden stattgefunden hat. Deshalb ist der Begriff "Montagsdemonstration" ideell besetzt, assoziiert er doch automatisch damit die Geschehnisse von 1989 und damit das Aufbegehren gegen den Überwachungs- und Unterdrückungsstaat. 

Jetzt hat sich eine selbsternannte Bewegung namens Pegida-Bündnis, der Name leitet sich von der Abkürzung des hochtrabenden Mottos: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes her, die Begrifflichkeit zu Eigen gemacht, um gegen Überfremdung und fortschreitende Islameinflüsse zu demonstrieren. Dabei bezeichnen sich diese Herrschaften als aus der Mitte der Gesellschaft kommend und verwahren sich strikt gegen die Vermutung rechtsradikal und nationalistisch zu sein. 

Dies mag ja in Bezug auf ihr äußeres Erscheinungsbild stimmen, was allerdings ihre Gesinnung an betrifft, also ideologisch, unterscheiden sie sich nicht von dem Gedankengut rechtsradikaler und neonazistischer Gruppierungen. Dabei werden hier ebenso die bekannten Vorurteile und Tatsachenfälschungen propagiert, die seit jeher von Rechtsaußen kommen: Ausländerschwemme, illegale Einwanderung zum Zweck die Sozialsysteme auszuhöhlen, Kriminalität, Anpassungsverweigerung und Unterwanderung der urdeutschen Bevölkerung bis hin zu der irren Vorstellung in Deutschland einen islamischen Staat errichten zu wollen. 

Abgesehen von der Tatsache, dass diese Unterstellungen keine reale Basis darstellen, zumindest auf die gesamte Bundesrepublik bezogen, einzelne Brennpunkte, wie in Berlin, Mannheim und dem Ruhrgebiet bilden da die Ausnahme und sind überhaupt nicht relevant für unseren Staat, zeigt die Bewegung, übrigens ein sehr belastetes Wort, bezeichneten sich einst die Nazis und ihre NSDAP ebenfalls als Bewegung, wessen Geistes Kind dahintersteckt. 

Intoleranz, das Schüren von Hass auf alles Andersartige, mangelnde Offenheit allem Fremden gegenüber und nicht zuletzt die Abkehr von Religionsfreiheit und Rassenhass, einem Übel dem 6 Millionen Juden allein in Europa während der Nazizeit zum Opfer gefallen sind. Natürlich stellt sich deshalb die Frage, warum gehen diese Bürger, die von sich behaupten, zur Mitte der Gesellschaft zu gehören, zu diesen Demonstrationen, von denen bisher nicht genau klar ist, wer dahinter steckt? 

Dass in Deutschland etwa 20-bis 25% der Bevölkerung latent rechtsradikal sind, ist durch viele Untersuchungen und Gutachten belegt worden. Meistens wird dieses öffentlich nicht wahrgenommen, da solche Personen in der Regel zu dem großen Heer der Nichtwähler gehören. Auch wird vermieden sich diesbezüglich zu erklären, da zumindest außerhalb des Freundeskreises man sich gerne verdeckt gibt. Weshalb also gerade jetzt und weshalb so offen? 

Einerseits sind es die kriegerischen Ereignisse im Nahen Osten, das Erstarken des IS mit seinen unmenschlichen Gräueltaten und seiner brutalen Präsenz in den digitalen Medien, aber ebenso das mediale Ausschlachten der jungen Salafisten, die von Deutschland aus in den syrischen Bürgerkrieg gezogen sind, die den Anlass geben, sich solchen fragwürdigen, populistischen Treffen anzuschließen. Des Weiteren ist es die permanente unterschwellige Angst, die Menschen, die nach Deutschland kommen, und wenn auch nur als Flüchtlinge, könnten den Wohlstand unseres Landes gefährden, die Arbeitsplätze wegnehmen und die sozialen Errungenschaften torpedieren. 

Ablehnung allem Fremden gegenüber spielt natürlich dabei auch eine große Rolle und es ist schon interessant, dass dort,  wo die wenigsten Menschen aus anderen Kulturen zu finden sind, diese Angst und Ablehnung am größten ist. Des Weiteren spielt eine Veränderung in der politischen Anschauung in vielen Ländern der EU eine Rolle, die Tendenz zu rechten, nationalistischen Parteien ist ganz offensichtlich. In Frankreich, in England, in Ungarn und einigen anderen EU-Ländern, auch in Deutschland haben rechtsgerichtete Parteien zurzeit Hochkonjunktur, man denke nur an die AfD hierzulande oder den "Front national" bei unseren Nachbarn in Frankreich. 

Der rechte Block im Europäischen Parlament war noch nie so stark, wie aktuell. Dies ist kein gutes Zeichen, weder für Europa noch für die Demokratie. Um noch einmal auf dieses obskure Bündnis von Pegida zurück zukommen, ist es notwendig sich den Anspruch vor Augen zu führen, der hinter diesem Sammelname steht. "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Hochtrabender kann sich ein Haufen nationalistischer, fremdenfeindlicher Populisten nicht mehr bezeichnen, von denen Innenminister de Maizière sagt, dass sie von dubioser Herkunft und polizeilich im äußerst rechten Milieu aktenbekannt sind. 

Dies hat alles nichts mit Patriotismus, Europa oder gar mit einer Islamisierung des Abendlandes zu tun, wobei sich zwangsläufig die Frage stellt: Was ist eigentlich das Abendland? Staatspolitisch ist dieser Begriff der reinste Humbug. Selbst umgangssprachlich ist das Wort Abendland nicht geläufig, zumindest nicht klar definiert. In der geschichtlichen Literatur hat der Begriff Anwendung gefunden, um damit die Abgrenzung zum Morgenland hervorzuheben. Gerade jetzt zu Weihnachten kennen wir die Geschichte von den Heiligen Drei Königen, die aus dem Morgenland kamen um dem Christuskind zu huldigen. Gemeint sind die Regionen des Vorderen Orients und Nordafrikas, weil dort aus römischer Sicht im Osten die Sonne aufgegangen ist, während sie im Westen unterging, dementsprechend es dort Abend wurde, also sich das Abendland befand. 

Politisch gibt dieser Begriff überhaupt nichts her, er macht sich aber besonders gut, um enormen Eindruck zu schinden, ähnlich wie die Floskel vom Untergang des Abendlandes, worauf auch bewusst gezielt wird. Genauso verhält es sich mit dem Wort "Patriotische Europäer". 

Selbstverständlich gibt es Bürger in allen europäischen Staaten, die sich als überzeugte Befürworter der europäischen Einheit engagieren, der Schreiber dieser Zeilen zählt selbst dazu. Derartige Bekenntnisse sucht man aber bei den rechten Parteien in ganz Europa vergebens, ganz im Gegenteil, sie versuchen im Europäischen Parlament in Straßburg alles, um einen weiteren Zusammenschluss zu verhindern. Bei den Parteiversammlungen im eigenen Land wird unisono erklärt, dass ein gemeinsames Europa ja nur den Verlust der Existenz des eigenen Landes und der eigenen Kultur bedeuten würde, was mit aller Macht unterbunden werden muss. So viel zu patriotischen Europäern aus den ultra-rechten Lagern. 

Über die Islamisierung von Europa wurde bereits gesprochen. Dies ist nicht nur ein rechtsradikales Hirngespinst, sondern muss auch als Hetze gegen Andersgläubige, hier gegen den Islam gesehen werden, in der Hoffnung Menschen zu mobilisieren, die weder mit einem veränderten Weltbild, der Globalisierung noch mit einer wirtschaftlichen Veränderung klar kommen. Sie sehen tatsächlich den Untergang des Abendlandes, auch eine Floskel aus dem Nazivokabular, als man die "Rote" und die "Gelbe" Gefahr herauf beschwor. Gemeint aber ist der Verlust von wirtschaftlichem Wohlstand und sozialen Privilegien. 

Hier sollte man doch besser gegen die globalen Großkonzerne auf die Straße gehen, damit diese ihre Steuern in dem Land entrichten, in dem sie riesige Gewinne gemacht haben, um sie anschließend, leider legal in steuergünstige Oasen zu transferieren. Hier ist Protest tatsächlich angebracht. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König, 29.11.2014

"In einem sind wir alle einig: Grenzen werden uns nicht trennen. Die Einheitlichkeit unseres deutschen Vaterlandes ist für uns alle ein Stück unseres Glaubens, unserer Liebe und Hoffnung." (Zitat: #Friedrich_Ebert, erster Reichtpräsident der Weimarer Republik)

Diese Woche könnte es noch spannend werden. Am Freitag, dem 5.Dezember soll es zum politischen Showdown in #Erfurt im Thüringer Landtag kommen. Alle Protagonisten haben sich positioniert. Die Koalitionsverhandlungen zwischen der Linken, den Grünen und der Thüringer SPD sind erfolgreich abgeschlossen worden. Das gemeinsame Regierungsprogramm wurde in einen Koalitionsvertrag gegossen, in dem die Linken zähneknirschend in der Präambel akzeptiert haben, dass die DDR ein Staat war, von dem Unrecht ausgegangen ist. Sei´s drum, der begriffliche Streit um die Definition: "Unrechtsstaat" hatte eh keine tiefere Bedeutung und wurde von den Linken nur deshalb mit intensiver Leidenschaft geführt, damit dieser Makelbegriff nicht die unentschlossenen Wähler verprellen sollte, die es vielleicht einmal mit der Linkspartei und Ramelow probieren wollen. So hat man sich in sophistische Erklärungsrituale geflüchtet und letztendlich akzeptiert, einen solchen Passus in den Vertrag aufzunehmen, dient er doch bestens dazu, damit den ungebrochenen Aufklärungswillen der Linken zu dokumentieren. 

Des Weiteren lassen sich jegliche Anfechtungen parieren, die immer wieder auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der DDR-Staatspartei SED hinweisen. Über die Tatsache, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, gibt es in der Sache nichts zu streiten. Nur ein notorischer Leugner der ostdeutschen Geschichte versteigt sich in Beschönigungsfloskeln, die aus dieser Diktatur eine deutsche demokratische Republik machen wollen, oder eben die regimetreuen Nutznießer mit Parteiausweis. Damit alles basisdemokratisch korrekt abläuft, haben alle Koalitionäre ihre Mitglieder befragt, ob ein solches Regierungsbündnis ihrem Willen entspricht. Das Abstimmungsergebnis zumindest bei der SPD hätte jedem Vergleich mit der DDR-Volkskammer standgehalten. 97% Zustimmung als Juniorpartner mit den Linken und eine Frischzellen- und Erneuerungskur unter der Leitung von Therapeut Ramelow ist doch schon gewaltig, zeigt aber auch wie extrem die altehrwürdige SPD in Thüringen ins Trudeln gekommen ist mit ihren knapp 10%. 

Ganz nach dem Motto von #Müntefering, dem ehemaligen Parteivorsitzenden der SPD: "Opposition ist Scheiße" wurde sich mit wehenden Fahnen den Linken angedient. Dafür gab es ordentliche Ministerposten, für die führenden Personen in der Partei ist dies nicht nur ein beachtlicher Karrieresprung, auch das Alter lässt sich so trefflich versüßen. Ob dies dann auch für die Menschen in Thüringen so sein wird, da darf man doch nach dem beschlossenen Regierungsprogramm berechtigte Zweifel haben. Noch ist es allerdings nicht soweit. Es ist für Freitag zur Wahl von Ramelow als Ministerpräsident zwar alles angerichtet, wenn da nicht die äußerst knappe Mehrheit der gemeinsamen Stimmen von Linke, SPD und Grüne wäre. Eine einzige Stimme aus dem Lager der angestrebten Koalition soll Ramelow die Wahl garantieren. Dies ist zweifellos heikel und spannend zugleich. 

Nicht, dass es nicht schon einige Koalitionen in den Länderparlamenten gegeben hätte, die mit der knappsten aller Mehrheiten durchaus erfolgreich eine Wahl und eine Legislatur überstanden hätten, dafür gibt es Beispiele genug. Aber da war auch die Wahl von Heide Simonis in Schleswig-Holstein, die sich Hoffnung auf eine Wiederwahl zur Ministerpräsidentin in Kiel machte, mit einer Zweistimmen-Mehrheit, und die nach dem dritten Wahlgang völlig verstört auf einen weiteren Wahlgang verzichtet hat, um nicht gänzlich demontiert zu werden. Sie hatte es bei allen vorherigen Wahlgängen nicht geschafft die notwendigen Abgeordetenstimmen aus ihrer Koalition zusammen zu bringen. Der eine oder andere Kollege aus der CDU oder F.D.P. hatte wohl noch mit ihr eine Rechnung offen und ließ Simonis im Regen stehen. Damit war das Koalitionsvorhaben geplatzt, Frau Simonis war als Ministerpräsidentin Geschichte und hat dann nur noch einmal Schlagzeilen in der RTL-Sendung: "Let´s Dance" gemacht, als sie versucht hat, den Tanzwettbewerb zu gewinnen, allerdings auch nur mit mäßigem Erfolg. 

Dies soll Bodo Ramelow nächsten Freitag natürlich nicht passieren. Wie man aus nahestehenden Kreisen hört, werden die wahlberechtigten Abgeordneten, speziell bei der SPD und den Grünen intensiv gecoacht. Die Geschäftsführung beider Parteien bemüht sich außerordentlich um das Wohlwollen der Entscheidungsträger, nichts darf bei der "Schicksalswahl" daneben gehen. Das Projekt der Erneuerung und die Überwindung des Stillstandes und der sozialen Kälte sollen hier in Thüringen ihren Anfang nehmen, so die verheißungsvollen Versprechen der siegessicheren Koalitionspartner. Hier in Erfurt soll sich die Blaupause für das große Ganze entwickeln, wie man in Berlin die Kanzlerin bei der nächsten Bundestagswahl zu Fall bringt. 

Wenn die Koalition in Thüringen zustande kommt und Stehvermögen beweist, dann können linke Träume durchaus Wirklichkeit werden, mutmaßen die Genossen. Nach einer längeren Phase der Erstarrung ist die CDU allmählich wieder aufgetaut. Innerparteiliche Machtkämpfe haben zu diesem Zustand geführt, wobei noch nicht abzusehen ist, ob Lieberknecht, die noch amtierende Ministerpräsidentin die Zügel noch in der Hand hält oder bereits Lenkhilfe erhält. Zur Wahl am Freitag will die CDU mit einem Gegenkandidaten antreten, soviel ist schon gewiss. Und hier beginnt es jetzt wirklich spannend zu werden.

Die AfD mit 12% im Landtag vertreten, hat bereits signalisiert, sie werde den Kandidaten der CDU wählen, falls es sich dabei nicht um Frau Lieberknecht handelt. Dies könnte natürlich weitere interessante Konstellationen aufwerfen, falls es darum geht bei den weiteren Wahlgängen mit einer einfachen Mehrheit den Ministerpräsident zu wählen, die vereinbarte Koalition aber nicht ihr gesamtes Stimmenpotential zusammen bekommt, die CDU und die AfD jedoch dem gegenüber eine Mehrheit erzielt. Ergebnis wäre ein CDU-Ministerpräsident mit Hilfe der AfD, mit denen die Christdemokraten ja vehement nichts zu tun haben wollen. In diesem Fall ist zu erwarten, dass die gewählte Person das Amt nicht annehmen wird, alles andere wäre ein politischer Selbstmord für die CDU und genau das benötigte Elixier zu einem Revival für die SPD. 

Doch was folgt dann? Neuwahlen natürlich, wo das ganze Gezerre wieder von vorne losgeht. Danach wird sich aber erst wirklich zeigen, in welche Richtung sich das Land Thüringen politisch entwickelt. Es ist zu mutmaßen, dass eine solche Pattsituation sich kaum wiederholt. Der Wähler wird sich eindeutiger positionieren, die Anzahl der Protestwähler wird geringer werden, was eindeutig zu Lasten der AfD gehen wird und es ist zu vermuten, dass die drei Koalitionsparteien mit Stimmenzuwächsen rechnen können. Die Stimmung im Land zeigt Wechselbereitschaft, zumindest bei einem nicht geringen Anteil der Bevölkerung, die jetzt sehen will, was die neuen Kräfte so zustande bringen. Zudem zeigen soziale Versprechungen immer Wirkung, zunächst in der Wahlkabine.

Ob dies sich dann auch bewahrheitet, steht auf einem anderen Blatt. Sollte es tatsächlich zu einer Neuwahl kommen, so ist den Schwarzen dringend geraten mit frischen, unbelasteten Kräften in die Schlacht zu ziehen, ansonsten können sie nur den Ergebnissen aus den letzten Wahlen nachtrauern. Dann hilft auch nicht mehr die Selbstkritik, warum man eigentlich so rüde mit der SPD in der letzten Koalition umgegangen ist? Diese aber sind jetzt bereits auf dem Weg zu neuen Ufern, denn wie bereits erwähnt, das große Ganze wartet in Berlin, Thüringen sollte ja nur die Generalprobe sein, nun allerdings mit der SPD an der Spitze, was man dann auch freimütig zugesteht. 

Peter J. König