Samstagskolumne Peter J. König, 25.10.2014


"Ohne die Erinnerung können wir unsere Demokratie nicht retten." (Hildegard Hamm-Brücher)

Verkehrte Welt, jetzt wollen Hooligans und rechtsradikale Neo-Nazis das Abendland vor den Salafisten und Islamisten retten. Was am Wochenende unter den altehrwürdigen Türmen des Kölner Doms sich abgespielt hat, bestätigt erneut die These der schleichenden Instabilität in unserem Land, bestätigt aber auch, dass die Gewaltbereitschaft in Deutschland auf dem Vormarsch ist, mit einer bisher nicht gekannten Qualitätssteigerung an Organisation im radikalen rechten Spektrum. 5000 politisch motivierte und sonstige gewaltbereite Schläger standen in Köln auf dem Bahnhofsvorplatz und rund um den Dom etwa 1200 Polizisten gegenüber, um zunächst scheinbar friedlich gegen das Erstarken der Salafistenszene in Deutschland zu protestieren. 

Schon bald stellte sich aber heraus, dass diese genehmigte Demonstration nur ein Ziel hatte, Randale und Schlägerei mit der Polizei, um danach noch etwas die Kölner Innenstadt aufzumischen. Dies konnte Dank des Einsatzes von Wasserwerfern verhindert werden. Mehr als 50 Polizisten wurden verletzt, aber lediglich nur etwa ein Dutzend Gewaltbereite wurden festgenommen. Dies wirft Fragen auf, denn was war hier eigentlich geschehen? 

Zunächst darf festgestellt werden, dass die Zusammenrottung von Hooligans und Neo-Nazis es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Hooligans aus dem Fußball- Milieu haben sich je nach gefühlter Vereinszugehörigkeit untereinander verprügelt oder gemeinsam bei Länderspielen sich mit den Schlägertrupps des ausländischen Gegners befasst. Neo-Nazis haben ihre Lust an Gewalt politisch verbrämt, dabei hatte jeder sein eigenes Terrain, Überschneidungen waren nicht üblich. Nun auf einmal dieses. Die Demo gegen die öffentlichen Aktivitäten von Islamisten (Scharia-Polizei in Wuppertal z.B.) war von der rechten Szene organisiert worden. Diese Größenordnung konnten die Sicherheitsbehörden in etwa einschätzen und man hatte mit etwa 1000 Personen gerechnet. Insofern war der Einsatz von 1200 Beamten durchaus adäquat. 

Doch jetzt wird es unverständlich, denn dass die Organisatoren der Kölner Veranstaltung bereits im Vorfeld sich mit den deutschen Hooligans quer durch die Republik in Verbindung gesetzt haben, um sich per Internet zu verabreden, scheint dem wachen Auge der professionellen Ausspäher völlig entgangen zu sein. Auch hat der Sicherheitsdienst der Deutschen Bundesbahn nicht festgestellt, dass sich mehrere Tausend Hooligans aus verschiedenen Richtungen mit der Bahn auf Köln zu bewegen. Die Demonstration in Köln war bekannt, was haben die Überwacher der Bildschirme auf den einzelnen Bahnhöfen in der Republik gedacht, als sie die Schlägertrupps in die Züge nach Köln einsteigen sahen, doch nicht etwa, dass es zu einer Dombesichtigung geht? 

Bei den heutigen Überwachungssystemen konnten solche Aktivitäten eigentlich nicht unbemerkt bleiben. Hier scheint doch ein gehöriger Schlendrian im Vorfeld stattgefunden zu haben, denn man möchte ja nicht annehmen, dass für die Behörden ein Zusammengehen von Hooligans und Neo-Nazis einfach nicht vorstellbar war. Wie hätten eigentlich die Schlagzeilen am Montag danach ausgesehen, wenn diese Schlägertrupps massiv bewaffnetet gewesen wären: Straßenschlacht mit mehreren Toten in Köln oder Polizei wird von bewaffneten Banden in die Flucht geschlagen? Diese Sicherheitslücken müssen sofort geschlossen werden und mit aller Macht gilt es dieses Gewaltpotential schon im Keim zu ersticken, d.h. alle Aktivitäten dieser Art müssen sofort unterbunden werden, in den einzelnen Städten und da direkt vor Ort an den Bahnhöfen, zu einem Massenauflauf darf es nicht mehr kommen. Dies verlangt die Sicherheit der Bürger, aber auch die Sicherheit von Reisenden aus dem Ausland, denn in Köln sind solche Besucher unseres Landes attackiert worden, nur weil sie ein ausländisches Aussehen hatten. 

Wie verheerend ist doch unser Bild in der Weltpresse, wenn glatzköpfige Neo-Nazis sich an Menschen aus anderen Kulturen vergreifen? Dann macht das Bild vom hässlichen Deutschen schnell wieder die Runde und das eben erst erworbene Ansehen von deutscher Weltläufigkeit und Gastfreundschaft ist dahin. Dies sollten wir durch ein paar Tausend geisteskranke Psychopaten nicht zulassen. Hier besteht Handlungsbedarf, sowohl bei den Behörden als auch bei der Zivilbevölkerung, Hooligans und Neo-Nazis dürfen nicht die geringste Chance bekommen ihr perfides Spiel zu treiben. 

Wer nun glaubt, die Ereignisse in Köln seien eine einmalige Angelegenheit, der irrt. Schon werden neue Aufmärsche aus dem rechten Spektrum angekündigt in Hamburg und Dresden und es ist zu vermuten, dass dahinter ein System steckt. In der nächsten Zeit wird es weitere hässliche Auftritte der Ultrarechten bundesweit geben. Der Zusammenschluss zwischen Hooligans und Neo-Nazis ist auch ein politisches Signal an die bürgerliche Gesellschaft und zeigt erstaunliche Parallelen zur Weimarer Republik, als die Braunhemden (SA) versucht haben die Straße zu erobern und sich Schlägereien mit der Polizei und den Kommunisten lieferten. Es scheint mittlerweile untrüglich, dass die gewaltbereite rechte Szene sich vermehrt Chancen ausrechnen, politischen Druck auszuüben. Dies geschieht nicht zuletzt durch das Erstarken der AfD unter deren Deckmantel sich Neo-Nazis und sonstiges rechtes Gesindel verspricht, in Deutschland Boden gut zu machen. 

Ob Professor Lucke und Hans-Olaf Henkel wissen, welchen gefährlichen politischen Cocktail sie hier eigentlich anrühren? Es ist zu befürchten, dass dieses den Herren in ihrem momentanen Höhenrausch ganz gelegen kommt, ohne danach zu fragen, welche Büchse der Pandora dadurch erneut geöffnet wird. Deshalb ist es mehr als traurig, dass von den etablierten Parteien kaum Stellung bezogen wird, bis auf ein paar schnöde Bemerkungen in irgendwelchen Talk-Shows. Mittlerweile hat man eh den Eindruck Politik findet fast nur noch in diesen Quassel-Veranstaltungen statt, wo es darum geht den größten Moderator oder die lockerste Moderatorin zu geben, während es dem Politpersonal allein darauf ankommt, das Gesicht möglichst oft in die Kamera zu halten. 

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach neuesten Umfragen die jungen Menschen immer mehr das Interesse an Politik verlieren, eine gefährliche Entwicklung, da sich der Einfluss von extrem rechts und links massiv verstärkt. Es wird Zeit, dass besonders die jungen Leute wieder erkennen, dass alles im Leben Politik ist und alles mit allem entsprechend zusammen hängt. Freiheit, Wohlstand, Selbstbestimmung und eine sichere, geordnete Zukunft ist ohne politisches Engagement nicht zu haben, sonst geht es uns bald wie in Ungarn, wo eine schleichende rechtsgerichtete Unterwanderung mit massiven freiheitlichen Einschränkungen, sowohl der Pressefreiheit, als auch der Freiheit im Internet kontinuierlich zunimmt. 

Politik ist kein Videospiel im Fernsehen sondern Basis unseres Gemeinwohls, an dem wir alle beteiligt sind. Deshalb sind wir alle gefordert, solchen Entwicklungen wie in Köln, aber auch jedem Rowdytum in der Fußballszene entschieden entgegen zu treten, besonders dann wenn dort eine verhängnisvolle Politisierung stattfindet, denn es gilt das Motto: Wehret den Anfängen

Zum Schluss noch eine persönliche Verwunderung über die Entwicklung in Thüringen. Lang hat es ja nicht gedauert, bis das kollektive Gedächtnis im Osten die Erinnerungen an die Geschehnisse in der DDR ad acta gelegt hat. Glaubt man wirklich, dass eine Regierung in Erfurt unter der Führung der Linken die Lebens-Wirtschafts-und Arbeitsverhältnisse in Thüringen entscheidend verbessert? Dies scheint doch mehr als unrealistisch zu sein, es sei denn man denkt, der Sozialismus der Linken würde auf wundersame Weise sich selbst finanzieren, ohne Rücksicht auf das wirtschaftliche Umfeld. Wie kann man nur die Erfolge der letzten 25 Jahre zugunsten eines erneuten sozialistischen Experiments in Frage stellen? Hat der aufblühende Wohlstand in Thüringen die Erinnerungen an die Vergangenheit derart massiv verdrängt? Und was hat die SPD und Grüne geritten, die Linken in den Sattel zu hieven? Es ist zu vermuten, dass sie schon bald die Quittung dafür erhalten werden, wenn das sozialistische Experiment nach hinten losgeht. Glaubt die Thüringer SPD tatsächlich unter einer linken Regierung an Profil zu gewinnen, wenn sie es schon nicht geschafft hat mit der CDU bei einer akzeptablen wirtschaftlichen Situation sich zu erholen? 

Dies wird nicht stattfinden, denn das Volk wird die Wohltaten den Linken zuschreiben, während alle notwendigen Sparmaßnahmen politisch der SPD zugerechnet werden, und die Grünen sich draus halten und ihre immerwährende grüne Gesinnung vor sich hertragen. Merkel wird es freuen, ob aber dies auf Dauer der Bundesrepublik gut tun wird, ist mehr als zweifelhaft. Die jungen Menschen haben auch deshalb das Interesse an Politik verloren, weil sie nicht mehr erkennen wofür die einzelnen Parteien eigentlich stehen. Wenn die Linken noch nicht einmal wissen, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, trotz Schießbefehl, Einschränkung beim Zugang zu den Universitäten und Partei-abhängiger Justiz, dann ist zu vermuten, dass die Wendehälse demnächst wieder in ihren Urzustand zurück schnellen. In Thüringen wird sich zeigen, ob die Menschen sich das erneut gefallen lassen oder ob das linke Experiment nun endgültig auf dem Friedhof der Geschichte verschwindet, bevor die Granden in Berlin überlegen , einen erneuten Versuch zu wagen, dieses Mal aber auf großer Bühne. 

Peter J. König

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