Samstagskolumne Peter J. König 16.08.2014

Politische Scheinheiligkeit, Verlogenheit, Brutalität, Machtgier und  schließlich Menschenverachtung.

Bevor wir erneut einen Blick auf die Krisen dieser Welt werfen, sollte doch einmal auf die Verkommenheit des politischen Geschäfts, an Hand der Geheimdiensttätigkeit in den unterschiedlichsten Ländern verwiesen werden. Anlass ist die Enthüllung am Wochenende, da publik wurde, dass der Bundesnachrichtendienst alles andere als unschuldig daherkommt. Dabei wurde bisher mit keinem Wort erwähnt, welche Rolle das Innenministerium oder gar das Kanzleramt dabei gespielt hat. Beide zuständigen Minister schweigen sich beharrlich aus. 

Doch worum geht es eigentlich? 

Nach investigativer Recherche verschiedener publizistischer Organe hat sich herausgestellt, dass nicht nur die NSA gründlich Regierung und Bürger bei uns ausgespäht hat, nein unser BND war auch nicht untätig. So wurden zumindest einmal, wer glaubt wird selig, die Gespräche der früheren amerikanischen Außenministerin und baldigen demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihres Amtsnachfolgers John Carry abgehört. Außerdem wurde bekannt, dass die Türkei seit langem Ziel von bundesrepublikanischen Lauschangriffen ist. Diesbezüglich können wir uns noch auf die entsprechende Antwort von Neu-Präsident Erdogan gefasst machen.

Nach Bekanntwerden der umfassenden Aktivitäten der NSA in Deutschland klang die Antwort darauf seitens Kanzleramtsminister Profalla geradezu dümmlich und dilettantisch, als er vor der Presse mitteilte, er habe bei der NSA nachgefragt und die Auskunft erhalten, sie spioniere nicht in Deutschland und schon gar nicht in Berliner Regierungskreisen. Damit sollte die Angelegenheit vom Tisch sein, um ja nicht weitere Fragen auch zum deutschen Spionageverhalten beantworten zu müssen. Fast hätte es funktioniert, bis bekannt wurde, dass gar das Handy der Kanzlerin seitens der NSA abgehört wurde.

"Welche Zerknirschtheit, gar welche überschäumende Wut" seitens Angela Merkel, als sie Obama am Telefon bat, dies unter Freunden zu lassen, schließlich hatte er ihr einige Monate zuvor ja die höchste Freundschaftsmedaille überreicht, die die USA zu vergeben hat. Es wurde gar von der Abkühlung des Deutsch-Amerikanischen Verhältnisses gesprochen. Gleichzeitig haben die Unsrigen die jeweiligen amerikanischen Außenminister belauscht. Das ist doch alles sehr merkwürdig. Geht man davon aus, dass jede Seite von der anderen wusste was sie tat, dann war das öffentliche Getue eine Farce, die allein dazu diente uns Bürgern etwas vorzuspielen. Dann muss doch die Frage gestattet sein, wer wem wohl nähersteht, die Regierung dem Volk oder die Geheimdienste untereinander. 

Bei uns steht dazu irgendwo im Grundgesetz, dass die Geheimdienste einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen, aber was noch interessanter ist, Koordinator aller Geheimdienste ist der Kanzleramtsminister, damit dieser der jeweiligen Kanzlerin oder dem amtierenden Kanzler unmittelbar Bericht erstatten kann. Damit eröffnet sich zwangsläufig die Frage: Was hat Angela Merkel gewusst oder was hätte sie wissen müssen, als sie sich nichts ahnend vor der deutschen Öffentlichkeit gab? Die weitere Frage ist: Was sind eigentlich die Freundschaftsbekundungen zu den Partnerländern wert, wenn man gleichzeitig die sogenannten Freunde ausspioniert? Dies gilt übrigens für alle Seiten, auch für Länder, die unter dem Begriff EU sich vertraglich mit uns gebunden haben. Jetzt aber genug von der politischen Scheinheiligkeit, wir wechseln jetzt zur politischen Verlogenheit, zur Brutalität, zur Machtgier und zur Menschenverachtung. 

Damit sind wir bei den zahlreichen Brandherden weltweit angekommen, deren Ausmaße ständig zunehmen. Ging es in der öffentlichen Wahrnehmung vor zwei Wochen noch hauptsächlich um den Gaza-Konflikt mit all seinem Leid und den vielen Toten, hier herrscht momentan Waffenruhe, von der man nicht weiß, wie lange sie hält, so stehen jetzt besonders die Massaker der IS (Islamischer Staat vormals ISIS) an der Bevölkerung im Nordirak im Focus, aber auch die Kriegshandlungen in der Ostukraine im Don Bass. Das Problem der islamistischen, selbsternannten Gotteskrieger, Steinmeier hat sie bei einem Besuch am Wochenende in Bagdad als islamistische Mörderbanden bezeichnen, ist schon lange keine innere Angelegenheit des Irak mehr. Die Brutalität, mit der diese marodierenden Gesellen durch den Nordirak, aber auch durch Syrien bis in den Libanon hinein unterwegs sind, ist nicht mehr zu übertreffen. Sie töten alles, was ihnen über den Weg läuft. Dabei nehmen sie weder Rücksicht auf Frauen und Kinder. Soldaten der regulären irakischen Armee werden grundsätzlich geköpft, und um Angst und Schrecken zu verbreiten, werden diese Hinrichtungen gefilmt und im Internet veröffentlicht. Die Wirkung ist entsprechend bei der gerade erst neu aufgestellten irakischen Armee.

Die Soldaten ergriffen beim Anmarsch der IS-Kämpfer nur noch die Flucht, dabei lassen sie ihre brandneue hochmoderne Ausrüstung zurück, die jetzt den Islamisten in die Hände gefallen ist. Hierbei handelt es sich nicht nur um Handfeuerwaffen, sondern die gesamte Palette an Kriegsgerät, bis hin zu schweren Panzern und Raketen haben diese Mörderbanden in die Finger bekommen. Damit sind sie weitaus besser ausgerüstet, als die Kurden im autonomen Kurdengebiet im nördlichen Irak. Dorthin aber haben sich hunderttausende christliche Gesiden geflüchtet, die wegen ihres Glaubens von den Islamisten umgebracht werden, wenn sie sich nicht sofort zum Islam bekennen. Des Weiteren sind natürlich auch die reichen Ölvorkommen auf kurdischem Autonomiegebiet das ausgemachte Ziel der IS. Anfänglich hatten die kurdischen Soldaten wenige Möglichkeiten sich gegen die Invasion mit modernsten Waffen zu wehren, ein Besetzung des Kurdengebietes schien unmittelbar bevor zu stehen. 

Ein Suizid von gewaltigem Ausmaß wäre die Folge gewesen, zumal ständig neue Flüchtlinge dort eintrafen. Allein die Versorgung all dieser Menschen ist fast unmöglich. Erst als sich Obama entschied durch Luftangriffe den rasanten Vormarsch der "Gotteskrieger" zu attackieren, konnte die kurdische Armee die Invasion stoppen und wieder Boden gut machen. Dabei gelang es ihnen auch den größten Staudamm im Irak wieder auf Ihre Seite zu bringen, besonders wichtig für die großflächige Stromversorgung, aber auch für die Sicherheit weiter Teile im Norden von Irak. Nicht nur einmal hat der IS gedroht den Damm zu sprengen, worauf riesige Flächen des Lands verwüstet wären und Hundertausende ihr Leben hätten lassen müssen. Steinmeier wurde bei seinem Besuch bei den Kurden dringend um Waffenlieferungen gebeten, ebenso wie Amerikaner, Engländer und Franzosen, bisher haben aber nur die Briten und die Franzosen Zusagen gemacht. 

Deutschland spendet humanitäre Hilfe und Logistik, also alle Arten von lebensnotwendigen Hilfsgütern und medizinischem Gerät. Bei aller Verzweiflung im Irak scheint doch sich hier mit dem neuen Ministerpräsident in Bagdad eine Wende vollziehen zu können. Um die erbitterte Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten einzudämmen, sollen in der künftigen Regierung alle großen Glaubensrichtungen und alle Regionen vertreten sein, um so auch einen vernünftigen wirtschaftlichen Ausgleich zu schaffen. Gleichzeitig verspricht man sich dadurch, dass die Unterstützung der IS durch bestimmte Volksgruppen beendet wird. Dies würde die Kampffähigkeit dieser Mordtruppen entscheidend schwächen, denn schon lange sind einige Unterstützer mit den Methoden der IS nicht einverstanden, sie sahen aber keine andere Möglichkeit wieder an einer irakischen Regierung beteiligt zu sein. Nicht nur für den Irak wäre dies nach Saddam Hussein, dem Irak-Krieg mit den Amerikanern und dem Terror der IS endlich eine Möglichkeit, speziell für die allgemeine Bevölkerung wieder ein normales Leben zu führen, ohne den Schrecken von der einen oder der anderen Seite.  Für die Stabilität im Vorderen Orient ist die Befriedung des Irak unabdingbar und der Kampf gegen einen gefährlichen Brandherd unmittelbar vor der Haustür Europas könnte mit neuem Schwung und einer besseren Aussicht angegangen werden.

Zum Schluss noch einige Sätze zu der Ostukraine. Für die dort lebenden Menschen ist es die Hölle, das hat mir noch gestern jemand bestätigt, dessen Familie dort lebt und von den Separatisten permanent bedroht wird. Dazu kommen die Angriffe der ukrainischen Armee, die versucht die Hochburgen der Belagerer zurück zu erobern. Die Menschen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, wie immer diejenigen denen das nötige Geld fehlt, müssen zwischen den Fronten ausharren und können jederzeit vom Artilleriebeschuss getroffen werden und dies von beiden Seiten. Das ist das Allerschlimmste. 

Welche Rolle Putin dabei spielt, scheint ziemlich klar zu sein. Er will die Ukraine als seine Einflusssphäre nicht verlieren und setzt alles daran, die Besetzung der Ostukraine durch prorussische Separatisten nicht aufgeben zu müssen. Natürlich werden diese Besetzer, bei denen vermutet wird, dass es sich um tschetschenische Milizen handelt, vom russischen Militär sowohl mit Material, als auch mit Kampftruppen unterstützt. Da ist der Hilfskonvoi mit 250 LKW lediglich propagandistische Augenwischerei. Sie dient eher dem eigenen Volk Sand in die Augen zu streuen, damit die Folgen des Handelsembargos gegen westliche Staaten, die sich bald sehr deutlich auf die Versorgung der Menschen auswirken werden, nicht negativ auf Putins Image fallen. Noch scheint der Herr im Kreml seiner Sache sicher und er versucht mit allen möglichen hinterhältigen Tricks, aber auch mit Waffengewalt, seine Interessen durchzusetzen. 

Sein neuster Coup: er will den Import von westlichen Autos stoppen. Man kann nicht sicher sein, ob dies der vermögende Teil der Gesellschaft so einfach hinnehmen wird, wo sie doch so gerne Mercedes, BMW, Audi und Porsche fahren. 50% der polnischen Apfelernte wird nach Russland exportiert. Da dies aber zurzeit nicht möglich ist, haben die polnischen Bürger bis hin zur Regierung beschlossen ihre Äpfel im Land selbst zu konsumieren, um so der Landwirtschaft den finanziellen Schaden zu ersparen. Am Ende werden Putins Aktionen der russischen Bevölkerung am meisten schaden. Dann wird sich zeigen, wie sich der Konflikt um die Ostukraine auf Putins Macht und auf das Land selbst auswirken wird. Dass dabei ein demokratischeres Russland entsteht, ist doch mehr als zweifelhaft. Um noch einmal Steinmeier zu zitieren, möchte ich seine warnende Einschätzung hier wiederholen, wenn er sagt, dass ein militärischer Konflikt zwischen Russland und der Ukraine noch nie so wahrscheinlich war, wie es jetzt scheint. Für den Diplomaten Steinmeier war dies mehr als deutlich. Aber was dann? Dies zu beantworten ist hier nicht möglich, aber wie es den Familien vor Ort schon jetzt geht, da kennt man die Antwort genau. Sie sind gezeichnet von großem Leid und Schmerz, und wenn sie hier Verwandte haben, die keinerlei Kontaktmöglichkeiten zu ihren Familien in die besetzte Ostukraine besitzen, kommt noch die Verzweiflung und die Sorge hinzu, ob die Ihren überhaupt noch am Leben sind

Peter J. König

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