Samstagskolumne Peter J. König 22.02.2014

Eine friedliche Lösung für die Ukraine kann nur in einem gemeinsamen Erfolg von EU, Russland und den USA liegen. 

So schnell wird Geschichte fortgeschrieben. Was eben noch langwierig bis unmöglich schien, ist binnen weniger Stunden eingetreten. Wer hat geglaubt, dass nach dem Kompromisspapier zwischen Janukowitsch, dem amtierenden Präsidenten der Ukraine und dem Oppositionsbündnis in Kiew, entstanden unter tatkräftiger Mithilfe der drei Außenminister von Frankreich, Polen und Deutschland, es nur wenige Stunden dauern würde, bis das Terrorregime des Despoten Victor Janukowitsch ein jähes Ende finden würde ?

Kaum war das Abkommen unterschrieben, das ihn noch immer bis Ende des Jahres im Amt verbleiben lassen sollte, begann er auch schon sein Luxusdomizil, die berüchtigte Meschihirija, einen Landsitz außerhalb von Kiew, der schwer bewacht, mehr einem sowjetischen Disneyworld ähnelt, mit Hilfe zahlreicher Lkws zu räumen. Er selbst hat sich mit dem Hubschrauber in den Osten des Landes ausfliegen lassen, bei Nacht und Nebel, ohne ein Ziel anzugeben. Der Diktator hat sich aus dem Staub gemacht und seine Schätze mitgenommen. Zurück blieb allerdings eine Unzahl von Dokumenten, nicht alles konnte vor der überstürzten Flucht vernichtet werden. 

Es war eng für Janukowitsch geworden. Im Laufe des letzten Samstags, nachdem in der Nacht das Parlament verschiedene Gesetze verabschiedet hatte, die die Macht des Präsidenten einschränkte, da die alte Verfassung wieder eingesetzt wurde, die verhafteten Oppositionellen sofort freisprach und die ehemalige Präsidentin Julia Timoschenko aus der Haft entließ, haben sich Teile der Polizei und der Armee auf die Seite der Opposition geschlagen. Das Machtgebilde Janukowitsch bröckelte zusehends. Der Diktator wird sich wohl an das unrühmliche Ende von Rumäniens Despot Ceaucescu erinnert haben, er wollte nicht so wie dieser mit einer Kugel im Kopf in einem Kellerverließ enden. Deshalb hat er sich aus dem Staub gemacht.

Immerhin kann er sich mit Hunderten von Millionen Euro, die er für sich und seine Familie dem ukrainischen Volk abgepresst hat, überall auf der Welt ein Leben in Luxus leisten. Wozu also noch ein Risiko eingehen? Außerdem war ihm klar geworden, dass er den Rückhalt bei Putin verloren hat. Auch seine Oligarchenfreunde haben ihn fallen lassen, die marode Wirtschaft ist ihren Geschäften nicht mehr zuträglich. Somit war es höchste Zeit zu verschwinden. Derweil machte sich das Volk am Samstag auf den Weg, um sich selbst zu überzeugen, was hinter den hohen Mauern der schwerbewachten Privat-Datscha ihres kommunistischen Schlächters, der brutal die Menschen auf dem Majdan von Scharfschützen ermorden ließ, abging. 

Einige heimlich aufgenommene Bilder von diesem Luxusanwesen waren schon ins Internet gelangt, jetzt wollte man selbst sehen, was es damit auf sich hat. Nachdem die Wachen sie nicht mehr aufhielten, sie waren ebenfalls zur Opposition übergelaufen, bot sich den Menschen ein Bild von nie vermutetem Luxus. In einem riesigen gepflegten weitläufigen Park, der viele Hektar umfasst entlang des Dnjepr, dem Fluss an dem auch Kiew liegt, gibt es mehrere Golfplätze, einen Privatzoo mit exotischen Tieren und in einer Bucht des Dnjepr liegt der Nachbau einer spanischen Galeone, die als Bar und Tanzpalast diente. Großzügige Orangerien und Gewächshäuser bilden ein Ensemble mit dem Hauptsitz und verschiedenen weitläufig verstreuten Gästehäusern. Und alles strotzt vor Prunk und Protz. 

Sowjetische Großmannssucht ist unverkennbar. Ergänzt wird das Ganze durch die Sammlungen von Luxuskarossen, Yachten und Hubschraubern, Swimmingpools und Saunen, künstlichen Grotten und Teiche, dazu Gartenarchitektur, die den Vergleich mit englischen Landsitzen nicht zu scheuen braucht. Dieses alles bekamen die Menschen zu Gesicht vor dem Hintergrund ihres eigenen wirtschaftlichen Niedergangs, der herrschenden Korruption und dem drohenden Bankrott ihres Landes. Im Gegensatz zu anderen Revolutionen im Ostblock haben sich die Ukrainer allerdings diese Anhäufung von kaltem Luxus aus Gold sehr diszipliniert angesehen, ohne in einem ersten Anfall von Wut alles kurz und klein zu schlagen. Doch konnten sie hautnah miterleben, wie maßlos sich hier bereichert wurde. Mittlerweile sind auch Janukowitschs Getreue von ihren Ämtern zurückgetreten. Auch ihnen ist der Boden zu heißgeworden, sie sind nicht gewillt ihren Kopf für das Regime hinzuhalten. 

Doch was bedeutet dieses nun für die Ukraine und wie wird es dort weitergehen? Eines muss vorweg gesagt werden: Zwar ist Janukowitsch vertrieben, dies bedeutet aber noch lange nicht, dass damit das Land nunmehr sich demokratisch stabilisieren wird. Die Opposition auf dem Majdan war auch bisher nie eine geschlossene Vereinigung von Regime-Gegnern. Alle möglichen Gruppierungen haben sich dort eingefunden, von friedlich demonstrierenden Bürgern, über europaorientierte demokratische Parteianhänger der Mitte, dazu starke nationalistische Kräfte mit rechtsradikalen Parolen bis hin zu gewaltbereiten Hooligans aus der Fußball Szene. Trotz aller Appelle war es Vitali Klitschko schon während den Demonstrationen auf dem Majdan nicht gelungen die Radikalen in den Griff zu bekommen. Sie alle hat nur ein Ziel zusammen gehalten, nämlich der Sturz Janukowitschs. 

Nur mit Mühe und mit Hilfe des polnischen und deutschen Außenministers war es überhaupt gelungen die Rechtsradikalen und Nationalisten zur Unterschrift unter das Kompromisspapier mit Janukowitsch zu bewegen. Für diesen Erfolg wurde Klitschko anschließend auf dem Majdan ausgebuht, ihm wurde angekreidet, dass er Viktor Janukowitsch nach der Unterschrift den Handschlag nicht verwehrt hatte. Fakt jedoch ist, dass diese Unterschrift das schnelle Ende des Despoten gebracht hat. Trotzdem ist die Lage in Kiew und in der Ukraine sehr instabil. Sofort nach ihrer Entlassung aus der Haft hat Julia Timoschenko bei ihrem Auftritt auf dem Unabhängigkeitsplatz ihren Anspruch auf das Präsidentenamt artikuliert, wenn es im Mai zur Wahl eines neuen Parlaments und eines Präsidenten kommt. Bis dahin wurden die Ämter der Interimskandidaten sowohl beim Parlamentsvorsitz, als auch bei der Präsidentschaft von engsten Vertrauten Timoschenkos besetzt.

Viele Menschen sehen darin keinen Fortschritt in der Ukraine. Sie sind überzeugt, dass mit den alten politischen Kräften, wie sie auch heißen mögen, ein wirklicher politischer Wandel, die Bekämpfung der Korruption, die Belebung der Wirtschaft und ihre Stabilität zwischen Russland und der EU nicht möglich ist. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Putin für seine Interessen zwar Janukowitsch hat fallen lassen, die Ukraine aber noch lange nicht. Noch immer will er das Land in seinen eurasischen Wirtschaftsverbund eingliedern, zum uneingeschränkten Nutzen von Russland und seinen Ansprüchen wieder zu den Großmächten zu zählen. Zudem haben die Menschen in der Ukraine den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg von Julia Timischenko während ihrer Präsidentschaft nicht vergessen. Durch die Ölgeschäfte mit Russland hat sie in dieser Zeit ein Millionenvermögen angehäuft. Viele sind davon überzeugt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. 

Jetzt nach der zweiten Revolution in der Nach-Ära der Sowjet-Union haben sie die Schnauze voll von allen politischen Gewinnsüchtlern, die primär ihr eigenes Wohl im Focus haben. So wurde auch auf dem Majdan angekündigt, dass man zunächst den Platz nicht räumen wolle, bis eine demokratische neue Regierung im Amt ist, mit einem Präsident, der allein die Interessen des Landes im Auge hat. Sollte dieses nicht möglich sein, wäre man bereit erneut auf die Barrikaden zu gehen. Doch wer bestimmt, was das Wohl des Landes ist?

Neben den genannten Kräften auf dem Majdan kommen bei den nächsten Wahlen die östlichen und südlichen Provinzen, überwiegend unter russischem Einfluss mit ins Spiel. Schon jetzt gibt es dort Strömungen, die das Land spalten wollen, um sich Russland anzuschließen. Ergebnis könnte der Zerfall der Ukraine sein, mit unübersehbaren Folgen. Dieses gilt es unbedingt zu verhindern, auch um die Stabilität in Europa insgesamt zu gewährleisten. Experten sprechen nicht umsonst von der gefährlichsten Lage nach dem Zerfall der Sowjet-Union in diesem Abschnitt der Welt. Da die Machtinteressen Russlands und der westlichen Welt hier unmittelbar aufeinandertreffen, ist es nicht ratsam allein aus geopolitischem Machtzuwachs die Russen zu übergehen, gar zu düpieren. 

Eine friedliche Lösung für die Ukraine kann nur in einem gemeinsamen Erfolg von EU, Russland und den USA liegen. Nur wenn alle drei Machtblöcke sich einig sind, geht es wieder aufwärts mit dem Staat und den Menschen in der Ukraine, einem Land, das flächenmäßig das zweitgrößte in ganz Europa ist und irgendwann einmal zur Europäischen Gemeinschaft gehören möchte. Wie es ist eine Sowjet-Republik zu sein, dieses haben die Menschen lang genug erlebt. Sie wollen es nicht noch einmal erleben, die meisten jedenfalls. 

Peter J. König

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