Samstagskolumne Peter J. König 08.02.2014

Was soll aus Olympia werden, wenn nur noch totalitäre Staaten in der Lage sind, die Spiele zu veranstalten, mit all den Erscheinungen, die so ganz gegen den olympischen Gedanken von Fairness und Toleranz stehen?

Während alle Welt den Blick nach Sotchi auf die olympischen Winterspiele richtet, wo Putin seine imperiale Größe versucht zu demonstrieren, gehen unterdessen die Konflikte, politischen Ränkespiele und militärischen Auseinandersetzungen rund um den Globus weiter. Erfahrungsgemäß treten die Schlagzeilen dieser Ereignisse in den Hintergrund, für gut zwei Wochen hat der Wintersport zuallererst die ganze Aufmerksamkeit für sich. 

Über die Vergabe der Spiele, den Bau der Sportstätten, den politischen Beigeschmack, Korruption und Putin´s Selbstinszenierung wurde im Vorfeld in allen Medien ausführlich berichtet. Nach alledem muss doch ernsthaft hinterfragt werden, ob diese Art von olympischen Spielen es überhaupt noch wert sind, einen solchen Namen zu tragen. Längst sind die Ideale des Gründers der neuzeitlichen Spiele dem Schweizer Baron de Coubertin über Bord geworfen worden. Der Vergleich mit der Olympiade in der Antike war sowieso nie möglich, zu machtbesessen hat sich die Geschichte der Menschheit in der Zwischenzeit entwickelt. 

Allein die Tatsache, dass die Waffen zwischen den Völkern, die sich zum friedlichen, sportlichen Wettkampf in Olympia trafen, während dieser Zeit ruhten, also es keine Kriegshandlungen zwischen den teilnehmenden Völkern gab und dies für einen vielmonatigen Zeitraum, bis die Spiele beendet waren, dieses Ideal konnte in der Neuzeit zu keinem Zeitpunkt erreicht werden. Auch die Tatsache, dass allein der Olympionike im Mittelpunkt des Interesses aller Teilnehmer im antiken Griechenland gestanden hat, beschützt von den Göttern, wurde in der Neuzeit von Anfang an nicht erreicht. Die modernen Spiele entwickelten sich sofort zur Leistungsschau der teilnehmenden Staaten und sie wurden bei der Olympiade 1936 in Berlin endgültig zur Selbstdarstellung Adolf Hitlers und der Nazis auf die perfideste Weise missbraucht. 

Nazi-Deutschland wollte der Welt gegenüber nicht nur Überlegenheit demonstrieren, es sollte auch von den verbrecherischen Aktivitäten gegenüber der jüdischen Bevölkerung und der Despotie gegen das gesamte deutsche Volk ablenken. Diese Form der Selbstinszenierung hat es auch bei späteren Olympischen Spielen gegeben, man denke nur an Moskau, Peking und jetzt in Sotchi. Die Absicht war immer die gleiche. Nach außen hat man sich weltoffen und modern gegeben, bei der Durchsetzung der Spiele aber wurden mit staatlicher Willkür und aller Macht die gigantischen Bauvorhaben ohne Rücksicht auf Betroffene die Projekte erzwungen. Dieses war auch in Sotchi nicht anders. 

Putin ist in den Südkaukasus gefahren und hat vom Fleck weg bestimmt, wohin die Winterspiele gebaut werden. Was kümmerte ihn da die Umweltzerstörung, der Wille der hier lebenden Menschen und der Gigantismus bei der Ausführung, geschweige denn die vielen Milliarden, die hier verpulvert worden sind und letztendlich den Dörfern nicht einmal eine moderne Infrastruktur gebracht haben. Zurück bleiben leerstehende Prunkbauten, die zu nichts mehr nütze sind, oder glauben die Betreiber tatsächlich, dass der russische Geldadel demnächst St. Moritz, Davos, Gstaad, Lech oder St. Anton mit Sotchi tauschen wird, um ihren Wintervergnügungen nachzugehen? Bis dahin haben aber die Initiatoren längst ihre Interessen erreicht. Putin hat seine Macht der ganzen Welt demonstriert, seine Oligarchenfreunde haben Milliarden kassiert und dem russischen Volk im ganzen Riesenreich wurde vor gegaukelt, wie erfolgreich dieses neue Russland unter Putins Führung ist, ganz auf Augenhöhe mit anderen modernen Staaten. 

Aber wären da nicht die oppositionellen Demonstrationen, die Unterdrückung der Homosexuellen, sowie der Journalisten bei der freien Berichtserstattung, ebenso eine fragwürdige Justiz und der fortschreitende Mangel an Rechtsstaatlichkeit, man wäre geneigt zu glauben, Russland hätte sich auf den Weg in die Moderne gemacht. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall, die politischen und demokratischen Errungenschaften, die nach dem Zerfall der Sowjet-Union mit Hilfe von Gorbatschow erreicht worden sind, wurden in der Ära Putin systematisch unterwandert und ausgehöhlt. Da können auch keine noch so imposanten Stadien und Prachtfassaden darüber hinweg täuschen. Die russische Staatsmacht ist allgegenwärtig, wer sich ihr widersetzt, muss mit drastischen Strafen rechnen. Noch immer hat das Individuum in Putins Reich kaum eine Bedeutung. 

Allein sein Wille und das wirtschaftliche Interesse seiner ergebenen Freunde bestimmt, was in Russland passiert. Spätestens jetzt sollte das Olympische Komitee unter der Leitung seines Vorsitzenden Thomas Bach, ebenfalls ein Olympier, der als Fechter die Goldmedaille errungen hatte, sich der Ideen der olympischen Charta zurück besinnen. Olympische Spiele dürfen nicht mehr erkauft werden, nicht mehr auf dem Rücken von nicht bezahlten Bauarbeitern und Sicherheitspersonal stattfinden, deren Arbeitsbedingungen menschenunwürdig sind. Außerdem sollte man nach den demokratischen Spielregeln der Länder fragen, die sich um die Spiele bewerben. Und da bekanntlich der Fisch am Kopf anfängt zu stinken, ist es höchste Zeit, das Internationale Olympische Komitee selbst auf den Prüfstand zu stellen, denn auch hier spielen Korruption, Vetternwirtschaft und persönliche Interessen eine nicht unwesentliche Rolle.

Reform tut Not, denn ansonsten wird sich die immer stärker werdende Ablehnung die Spiele auszurichten weiter verstärken, denn nicht nur in Bayern wurde gegen eine Ausrichtung seitens der Bevölkerung votiert, dies geschah ebenso in Österreich, in der Schweiz und auch in Schweden. Aber was soll aus Olympia werden, wenn nur noch totalitäre Staaten in der Lage sind, die Spiele zu veranstalten, mit all den Erscheinungen, die so ganz gegen den olympischen Gedanken von Fairness und Toleranz stehen?

Dies wäre das Ende von Olympia, das Ende einer Idee eines friedlichen Miteinanders, eines fairen Messens der Jugend der Welt, eines fröhlichen Kennenlernens untereinander und der Chance vielleicht einen Ehepartner zu treffen, so wie dies bei dem weltberühmten Schweizer Tennisspieler Roger Federer der Fall war, der bei den Olympischen Spielen seine spätere Frau, eine tschechische Tennisspielerin, die ebenfalls an der Olympiade teilgenommen hatte, kennen und lieben zu lernen. Wie zu Anfang erwähnt, sollte man sich nicht zu sehr von dem Trubel und der Begeisterung über erreichte Siege der Athleten in Sotchi hinreißen lassen, denn die Politik hat ihre eigene Methode mit diesen Erfolgen umzugehen.

Nicht zum ersten Mal kann es passieren, dass gerade dann wenn die Euphorie ordentlich hoch schwappt, die politisch Verantwortlichen Gesetze verabschieden, die dann kaum beachtet werden, aber zu einer anderen Zeit durchaus kontroverse Diskussionen und Widerspruch ausgelöst hätten. Und dies ist beileibe keine Methode, die deutsche Politiker alleine gerne praktiziert haben. In allen Demokratien greift man auf solche Maßnahmen zurück, denn es ist zu verlockend, auf diese Weise unangenehme Kröten das Volk schlucken zu lassen, wenn es davon kaum Notiz nimmt. 

 Peter J. König

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