Samstagskolumne Peter J. König 07.09.2013

Wie sieht es mit einem letzten Appell an die Vernunft von Herrn Putin aus?

Wenn man die Hilflosigkeit sieht, mit der die mächtigsten und wirtschaftlich stärksten Länder auf diesem Globus auf dem G20 Gipfel in St. Petersburg dem wohl aktuell größten und drängendsten Problem gegenüber stehen, kann man schon arg ins Grübeln kommen, ob diese Gipfeltreffen überhaupt Sinn machen und mit welcher Verantwortung diese Machthaber auf eine solche humanitäre Katastrophe reagieren. 

Wie uns allen bekannt ist, findet das Grauen in Syrien statt, wo ein Schlächter und Blutsauger namens Assad seine Bevölkerung massakriert, ein Staatsgebilde vor die Hunde gehen lässt und wenn es schlecht läuft noch einen Flächenbrand im gesamten Nahen Osten herauf beschwört. Über den Verlust von unwiederbringlichen Kulturgütern in einer der ältesten Regionen der Menschheitsgeschichte möchte ich angesichts des apokalyptischen Leids der Menschen gar nicht erst sprechen. Als seien schwere Artillerie, Raketen und Bombardements nicht genug, scheint es mittlerweile zweifelsfrei, dass das Giftgas Sarin, übrigens eine Erfindung der chemischen Industrie im Dritten Reich von der syrischen Armee eingesetzt worden ist, um die Aufständischen endgültig zu besiegen, um dem Regime wieder die uneingeschränkte Macht in Syrien zu garantieren. 

Mittlerweile spricht die UNO von über 100.000 Toten, unzähligen Verletzten und von mehreren Millionen von Flüchtlingen, die, kaum haben sie die Grenzen passiert, in den Nachbarländern Türkei, Irak, Jordanien und im Libanon in Lager aufgefangen werden, wo sie unter den Menschen unwürdigsten Bedingungen dahin vegetieren müssen, zum Teil ohne überhaupt genügend Wasser zu erhalten, wie z. B. in Jordanien, wo selbst die eigene Bevölkerung unter akutem Wassermangel leidet. Als wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, hat sich das Land mittlerweile zu einem Tummelplatz von terroristischen Milizen Einheiten entwickelt, so etwa der militanten Hisbollah aus dem Libanon oder Al-Kaida nahestehenden Kampfgruppen aus Afghanistan und dem Irak. 

Jede dieser Terroreinheiten verfolgt dabei ihr eigenes Ziel. Auslöser von alledem ist der Kampf um die Vorherrschaft der schiitischen oder der sunnitischen Glaubensherrschaft, die wiederum durch die Länder Iran auf schiitischer Seite und die Königreiche am Persischen Golf auf sunnitischer Seite befeuert werden. Die Kurden im Nordosten Syriens haben mit Hilfe der türkischen Kurden auf der anderen Seite der gemeinsamen Grenze sich von Syrien los gesagt und ein autonomes Gebiet proklamiert, in dem die Syrische Armee keine Rolle mehr spielt. Da mittlerweile so viele Länder und Interessensgruppen die Finger mit im Spiel haben, besteht die große Gefahr, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen aller beteiligten Länder in dieser Region kommt. Über allen regionalen Konflikten beherrschen auch noch die Interessen der Großmächte die Szenerie. 

Russland will seinen Einfluss durch Assad nicht verlieren und hat zudem einen wichtigen Flottenstützpunkt in Syrien. China, immer Energie hungriger, baut ebenfalls auf Assad, während die USA die Saudis als einflussreichste Macht in der Region präferieren und keinesfalls dem Iran stärkeren Einfluss zubilligen wollen, ganz im Gegenteil. In dieser Gemengelage werden die Israelis zu Recht nervös, sie fürchten um ihre Existenz. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der UN-Sicherheitsrat durch die Russen bei allen Aktionen blockiert wird, haben sich die G 20 Staaten zu einem Wirtschaftsgipfel in St. Petersburg getroffen, um gemeinsam neue Spielregeln im internationalen Bankenwesen aufzustellen, um die verdeckten Kapitalgeschäfte in Billionenhöhe unter staatliche Kontrollen zu bringen, damit der Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzwesens durch irrsinnige Spekulationen mit verheerenden Folgen für die gesamte Weltwirtschaft sich nicht wiederholen kann, wie 2008 und 2009 geschehen. 

Angesichts der über 1400 Toten durch Giftgas in Syrien wurde dieser Gipfel von der Initiative Obamas überschattet, auch ohne das Mandat des Weltsicherheitsrates militärisch in Syrien einzugreifen. Dies stößt jedoch auf die massive Ablehnung von Russlands Präsident Putin, der seinerseits die Aufständischen für die Giftgasattacken verantwortlich macht, vermeintlich um die USA zu militärischen Aktionen gegen Assad zu bewegen. Wer die beiden mächtigsten Männer der Welt auf dem Gipfel beobachtet hat, fühlt sich an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Wenn es nicht unbedingt notwendig war, würdigten sie sich keines Blickes. 

Obama ist fest entschlossen durch Raketenbeschuss die militärische Macht Assads zu schwächen, er wartet nur noch auf die Unterstützung des amerikanischen Abgeordnetenhauses, die er wohl am Montag kommender Woche bekommen wird. Am Dienstag will er sich in einer Rede an die amerikanische Nation wenden und unmittelbar danach ist mit dem Angriff von Marschflugkörpern von amerikanischen Kriegsschiffen, die im östlichen Mittelmeer zusammen gezogen worden sind, zu rechnen. Über den Erfolg dieses Militärschlages sind sich die Experten selbst in den USA nicht einig. Viele sehen darin keine Möglichkeit, die Situation der syrischen Bevölkerung zu verbessern, eher das Gegenteil, da der Iran als Verbündeter mit Vergeltungsmaßnahmen droht und Syrien mit Raketenangriffen auf Israel antworten will, so die Militärpropaganda. 

Dies allein zeigt schon wie dramatisch die Lage ist, und welche Reaktionen darauf folgen werden, ist unkalkulierbar. Die europäischen Staaten sind sich bei der Frage eines militärischen Eingreifens uneins. Während Frankreich die Amerikaner unterstützen wird, setzen die meisten EU-Länder weiterhin auf eine diplomatische Lösung, so wie auch die Bundesregierung. Diese kann aber nur mit Russland zustande kommen und solange Putin sich weigert, selbst wirtschaftliche Sanktionen durch die UNO mit zu beschließen, wird es bei dieser Patt-Situation bleiben, Assad wird weiterhin seine Bevölkerung umbringen und, was am meisten befürchtet wird, vor neuen Giftgasattacken nicht zurückschrecken. Dies ist das Dilemma in dem der Syrienkonflikt steckt.

Derweil sterben immer mehr Menschen, der Flüchtlingsstrom nimmt rapide zu, mit der Folge, dass die Nachbarstaaten zusehends destabilisiert werden, da deren Bevölkerungen nicht mehr gewillt sind, diesen enormen Belastungen ausgesetzt zu werden. Bei Abwägung aller Umstände kommt man nicht umhin festzustellen, dass ein militärischer Angriff ebenso problematisch ist, wie das Verharren in dem momentanen Zustand der erfolglosen Diplomatie, solange Putin nicht bereit ist an einer Verhandlungslösung des Syrienkonflikts konstruktiv mitzuwirken und seinen Einfluss auf Assad geltend zu machen, um eine politische Lösung herbei zu führen, indem dieser seinen Machtanspruch aufgibt, um so alle politischen Gruppierungen an den Verhandlungstisch zu bringen. 

Obama glaubt an eine solche Verhandlungslösung nicht mehr, zumindest nicht mehr ohne durch den Angriff auf militärische Einrichtungen das Assad-Regime empfindlich zu schwächen und um dadurch die Giftgasattacken zukünftig zu verhindern. Welches hohe Risiko er dabei eingeht, wird allein schon dadurch klar, dass er zunächst die Abgeordneten um ihre Zustimmung bittet, obwohl er als Präsident die alleinige Befehlsbefugnis hat. Es wird ein schwieriger Gang werden, wenn in der nächsten Woche die Marschflugkörper zum Einsatz kommen. 

Dabei sollte allen klar sein, dass es nur darum gehen kann, der geschundenen Bevölkerung endlich eine Chance zu ermöglichen, ihr Leid zu beenden. Sollte allerdings zu dem entsetzlichen Leiden ein noch weitaus größeres durch die militärische Intervention hinzukommen, dann Gnade uns Gott, denn dann sind wir alle betroffen. 

Peter J. König

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