Samstagskolumne Peter J. König 28.09.2013

Haben wirklich alle Parteien die innere Logik von Politik verstanden?

Nachdem die Würfel gefallen, sprich der Souverän seine Stimme abgegeben hat, beginnt nun die Zeit der Sondierung. Doch zunächst macht es Sinn, sich das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 anzuschauen und die Gründe zu hinterfragen, wieso es so gekommen ist und nicht anders, und zwar bei allen Parteien, bei denen man bei dieser Wahl eine gewisse Gewichtung angenommen hat.

Angela Merkel, und ich sage bewusst nicht die CDU, hat nur knapp die absolute Mehrheit verpasst, um ein Haar hätte sie die Alleinherrschaft errungen. So ganz stimmt dies natürlich nicht, denn die "Schwestern" aus Bayern, erstaunlich was Seehofer in seinem politischen Leben alles verkörpern muss, haben kräftig mit dazu beigetragen, dass dieser strahlende Sieg, der vielleicht gar nicht so strahlend ist, wie wir später noch feststellen werden, zustande gekommen ist. In Bayern lag der Stimmenanteil bei der Bundestagswahl am letzten Sonntag noch höher, als eine Woche zuvor, als Seehofer wieder die Alleinherrschaft seiner CSU nach den Landtagswahlen genüsslich zelebrieren konnte. Ergo, ginge es allein nach den bayrischen Wählern, hätte die Kanzlerin eine erdrückende Dominanz im Bundestag erreicht. Aber bekanntlich ist Bayern nur ein Teil der Republik, woanders ticken die Uhren anders und nichts war es mit der absoluten Mehrheit. Aber auch für dieses Ergebnis schien man gut gerüstet, denn da gibt es ja noch die Mehrheitsbeschafferin, die ja noch immer bei allen Bundestagswahlen die 5% Hürde übersprungen hat, um dann Vasallen-treu die nötigen Stimmen zu organisieren, zumal bei der letzten Bundestagswahl satte 14% ihnen zugefallen waren. Falls jetzt Irritationen aufkommen sollten, hier ist die Rede von der F.D.P. und ihrer glorreichen Vergangenheit, ein Märchen aus uralten Zeiten, wenn man so will.

Nach einer desaströsen Regierungsbeteiligung unter der Führung von Westerwelle und Fipsi Rösler, in der es noch nicht einmal gelungen war, das einzige Wahlversprechen, das die Gelben bei der letzten Wahl abgegeben hatten, nämlich Steuersenkung durch zu setzen, folgte ein Wahlkampf, für den ein Politik-interessierter Beobachter nur noch Verachtung empfinden konnte. Entsprechend war das Ergebnis, knappe 4,8% und damit kein Wiedereinzug in das Parlament, aber auch keine Mehrheitsbeschafferin für Angela Merkel. 

Was ist nur aus der F.D.P. geworden, die sich einst auf die Fahnen geschrieben hatte, die freiheitlichen bürgerlichen Grundrechte zu verteidigen, Liberalität für jedermann zu gewährleisten und die Rechte des Einzelnen gegenüber einem übermächtigen Staat hoch zu halten. Übriggeblieben ist ein Haufen "Karriere-geiler Smartys", die unter dem Frühstücksclown und Selbstdarsteller Westerwelle sich selbst auf eine windige Klientelpolitik reduziert haben und das Gesetz über reduzierte Mehrwehrsteuer im Hotelbereich, nach einer Millionenspende eines Hotelkonzerns, als großen politischen Erfolg gefeiert hat. Über Westerwelles Entourage bei seinen Reisen als Außenminister wunderte sich auch so mancher Eingeweihte, handelte es sich es doch des Öfteren dabei um Personen, die mit dem Außenminister befreundet, vor Ort private Geschäftsbeziehungen anbahnen wollten, wobei die Nähe zum Minister nur förderlich sein konnte. Westerwelles Lebenspartner war da keine Ausnahme.

Als sei dieses Alles nicht schon genug, gab der Wahlkampf den Pseudoliberalen dann den Rest. Los ging es mit dem Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Dieser mag ja durchaus seine Meriten im politischen Betrieb erworben haben, als Frontmann bei einer Bundestagswahl war er aber untauglich. Nicht jeder Landwirtschaftsminister aus Rheinland-Pfalz taugt auch zugleich als bundesweites Zugpferd. Als es dann aufgrund der Demoskopie sich heraus kristallisierte, dass es problematisch mit dem Wiedereinzug werden könnte, stellten sich Rösler, aber besonders Brüderle jammerlappig und widerlich anbiedernd vor das Wahlvolk und versuchten als Wurmfortsatz einer zukünftigen Koalition mit den Schwarzen auf Stimmenfang zu gehen. Dies bedeutete das endgültige Aus. 

Selbst alte F.D.P.ler, als auch wohlwollende CDU-Wähler, die bei früheren Wahlen mit einer Zweitstimmenkampagne die Gelben schon manchmal vor dem Absturz bewahrt hatten, wollten nicht mehr. Außerdem hätte dies nach der Wahlrechtsänderung auch nicht mehr funktioniert, da Überhangmandate mittlerweile für alle anderen Parteien ausgeglichen werden, damit das Wahlergebnis nicht verzerrt wird. Auf anderen Beistand konnte die F.D.P. nicht hoffen, der Volksmund hatte seine Meinung schon vor der Wahl deutlich kundgetan, das vernichtende Votum lautete: überflüssig. Dem ist zuzustimmen, aber auch gleichzeitig zu widersprechen. Eine F.D.P. in dieser abgewirtschafteten Form braucht unser Land wirklich nicht mehr. Steuerfragen, ob Erhöhungen oder Senkungen werden von allen Parteien im Bundestag vertreten. 

Wozu bedarf es da noch eines Westerwelles, Röslers, Bahrs, Niebels, Dörings oder Brüderles? Eine liberale F.D.P. alten Zuschnitts, bevor sie dem Neoliberalismus mit dem einzigen Inhalt des Marktradikalismus nachgehechelt ist, benötigt unser Land, wie schon seit zweihundert Jahren sehr wohl. Immer noch müssen die bürgerlichen Grundrechte gestärkt werden, immer noch gilt es die Übermacht des Staates gegenüber dem Einzelnen zu beschränken und immer noch gilt es individuelle Freiheiten zu gewährleisten und zwar auf allen Feldern der Gesellschaft,  in der Wirtschaft, in der Politik und nicht zuletzt in unserem Gemeinwohl. 

Klientelpolitik alleine hat da abgewirtschaftet, der Bürger in seiner Gesamtheit muss zurück in den Focus dieser Partei rücken, ansonsten vermisst sie niemand mehr und die führenden Protagonisten der vergangenen letzten Jahre sowieso nicht. Man gestatte einen letzten Satz zu diesem Thema in die Zukunft: Der letzte Hoffnungsträger der Gelben ist Christian Lindner. Er wird den Vorsitz übernehmen und er wird nur eine Chance haben, wenn er sich der alten, soeben skizzierten Werte erinnert und sie vehement programmatisch vertritt. Zu einer neuen Glaubwürdigkeit gehört aber auch, die Führung mit Personen zu besetzen, die zweifelsfrei diese Werte verkörpern. Für Karrieristen, Selbstdarsteller und Egoisten kann kein Platz mehr sein, sonst folgt das, was der allgemeine Tenor der Bevölkerung schon seit langem widerspiegelt: dauerhaft überflüssig.

Doch zurück zur Kanzlerin und ihrem grandiosen Sieg. Was macht sie nun mit ihrem Erfolg, befreit durch Volkes Wille von ihrem Wurmfortsatz mit dem sich so vortrefflich uneingeschränkt regieren ließ? Zwei Optionen scheinen möglich, aber sowohl SPD als auch die Grünen haben, jedenfalls noch nicht öffentlich, hier geschrien. Nur versteckt geben sie Bewerbungen ab, schon wegen ihrer eigenen Wähler. Deshalb können beide Parteien angeblich sich eigentlich nicht vorstellen in eine Koalition mit der CDU einzutreten, zu groß sind die programmatischen Unterschiede, ein Politikwechsel wurde ja von beiden gefordert. Man will sich nicht noch einmal unter Merkel verheizen lassen, so die Roten, man spielt nicht die Ausputzerin  und Mehrheitsbeschafferin, so die Grünen und trotzdem wird sich schon einmal hübsch gemacht, um vielleicht doch ins gemeinsame Bett zu steigen, aber nur wenn die eigenen Inhalte sich durchsetzen lassen, was so viel heißen soll, die jeweilige Braut bestimmt die Spielregeln in der Hochzeitsnacht. Dies verspricht spannend zu werden. 

Übrigens klingen die aktuellen Statements von beiden Umworbenen eher wie das Pfeifen im Wald, selbstbewusstes politisches Taktieren sieht anders aus. Beide haben ihre Wahlziele nicht erreicht, wobei die Grünen auf Grund ihrer und Trittins maßloser Selbstüberschätzung ein Teil Ihrer Stammwählerschaft eingebüßt hat. Anstatt konsequent ihre Kernthemen wie Ökologie und Bildung verstärkt zu vermitteln, haben sie in abstoßender Oberlehrer-Manier versucht Volkspartei zu spielen. Mit Steuererhöhungen ihre Stammwählerschaft wie Lehrer und gehobenen Mittelstand zu rupfen, war keine gute Idee, auch nicht die Themenfelder von SPD oder gar den Linken zu besetzen. Der Schreiber dieser Zeilen hat bereits in einer früheren Kolumne bei der Besprechung des Wahlprogramms der Grünen darauf hingewiesen, dass sich die Folgen am Wahlabend an den Zahlen ablesen lassen werden. Genauso ist es gekommen, ein zweistelliges früheres Ergebnis ist mit 8% weit verfehlt worden, mit der Folge, dass die gesamte Parteispitze zurück getreten ist. Unzweifelhaft erhöhen sich so die Chancen eventuell doch mit den Schwarzen sich einig zu werden, denn nach der Dominanz des linken Flügels mit Trittin und Künast, deren Handschrift deutlich im Wahlprogramm abzulesen war, wird der Einfluss der"Realos" einst von Joschka Fischer geführt, erheblich stärker.

Es bleibt abzuwarten, was sich letztlich durchsetzt, der Wille an die Macht oder das Schicksal mit der Linken eine schwache Opposition zu bilden. Auf jeden Fall wird dann genügend Zeit und Gelegenheit bleiben, noch einmal über die innere Logik von Politik nach zu denken. In der Demokratie kann Politik nicht verordnet werden. Man muss den Wähler von seinen Ideen überzeugen, nachdem man festgestellt hat, für welche Klientel man eigentlich Politik machen möchte. Dies ist den Grünen zählbar misslungen. 

Kommen wir zu der wahrscheinlichsten und vielleicht momentan besten Lösung einer Regierungsbildung nach heutigem Stand, der großen Koalition. Zwar geht zumindest an der Basis der SPD die große Angst um, unter Merkel ein zweites Mal am Ende wieder als gerupftes Huhn die Arena zu verlassen, doch in einer jetzigen großen Koalition ist nicht unbedingt davon auszugehen. Die SPD-Granden jedenfalls wollen kein Risiko eingehen und binden die Basis durch entsprechende Zustimmung mit ein. Dabei ist das Risiko für die SPD als Juniorpartner weitaus geringer als beim letzten Mal. Dafür sprechen einige grundsätzlich veränderte Bedingungen, ganz im Gegenteil, wenn die SPD klug und umsichtig, ohne innere Parteiquerelen handelt, hat sie sogar die Chance 2017 bei der nächsten Wahl eine Regierung unter ihrer Führung zu stellen. Gründe dafür gibt es mehrere. Nicht nur das Mutti Merkels Kräfte aufgebraucht sind, mittlerweile werden die Defizite Ihres Regierungshandelns deutlich sichtbar. Schon jetzt wird klar, dass das alte Spiel von vorne losgeht. Steuererhöhungen vehement ausgeschlossen, wird hinter den Kulissen schon wieder laut darüber nachgedacht, übrigens auch ein Zeichen in welche Richtung die Avancen zu einer Regierungsbildung gehen. Merkels alter Führungsstil setzt sich nahtlos fort, Wahlversprechen halten nur solange bis tatsächliche Notwendigkeiten sie hinfällig machen, von denen man vor der Wahl angeblich nichts wusste. Während die CDU nach vielen Merkeljahren allmählich auszehrt, könnte die SPD neues Profil gewinnen, die Chance jedenfalls gäbe es dazu. 

Neben allen parteipolitischen Betrachtungen gibt es unter anderen einen sehr entscheidenden Aspekt, der für uns alle bei einer großen Koalition wichtig ist. Durch die gemeinsame Mehrheit der beiden Parteien sowohl im Parlament, als auch im Bundesrat ist ein gegenseitiges Blockieren ausgeschlossen. Dies ist im Hinblick auf die anstehenden Problemfelder bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik, bei der Europapolitik, der Außenpolitik und der europäischen Einigung enorm wichtig und bewahrt uns alle vor einem destruktiven Stillstand. Wenn dann beide Parteien auch noch bemüht sind , nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, was oftmals der Profilneurose geschuldet ist, sondern in Verantwortung für unser ganzes Land handelt, wenn die Wirtschaft wieder den Menschen dient, weil es politisch gewollt ist und dies sind ja Spielfelder für beide großen Parteien, dann macht eine solche Koalition wirklich Sinn. 

Keinen Sinn hätte der Einzug der AfD oder der Piraten in den Bundestag gemacht, da dies weder der Ort für rechtsgestützte Phantasten und rückwärtsgewandte Zukunftsverweigerer ist, noch die selbstgewählte Spielwiese für Clownerien von politikunkundigen, verfassungsignoranten Internetanbetern sein kann.

 Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König 07.09.2013

Wie sieht es mit einem letzten Appell an die Vernunft von Herrn Putin aus?

Wenn man die Hilflosigkeit sieht, mit der die mächtigsten und wirtschaftlich stärksten Länder auf diesem Globus auf dem G20 Gipfel in St. Petersburg dem wohl aktuell größten und drängendsten Problem gegenüber stehen, kann man schon arg ins Grübeln kommen, ob diese Gipfeltreffen überhaupt Sinn machen und mit welcher Verantwortung diese Machthaber auf eine solche humanitäre Katastrophe reagieren. 

Wie uns allen bekannt ist, findet das Grauen in Syrien statt, wo ein Schlächter und Blutsauger namens Assad seine Bevölkerung massakriert, ein Staatsgebilde vor die Hunde gehen lässt und wenn es schlecht läuft noch einen Flächenbrand im gesamten Nahen Osten herauf beschwört. Über den Verlust von unwiederbringlichen Kulturgütern in einer der ältesten Regionen der Menschheitsgeschichte möchte ich angesichts des apokalyptischen Leids der Menschen gar nicht erst sprechen. Als seien schwere Artillerie, Raketen und Bombardements nicht genug, scheint es mittlerweile zweifelsfrei, dass das Giftgas Sarin, übrigens eine Erfindung der chemischen Industrie im Dritten Reich von der syrischen Armee eingesetzt worden ist, um die Aufständischen endgültig zu besiegen, um dem Regime wieder die uneingeschränkte Macht in Syrien zu garantieren. 

Mittlerweile spricht die UNO von über 100.000 Toten, unzähligen Verletzten und von mehreren Millionen von Flüchtlingen, die, kaum haben sie die Grenzen passiert, in den Nachbarländern Türkei, Irak, Jordanien und im Libanon in Lager aufgefangen werden, wo sie unter den Menschen unwürdigsten Bedingungen dahin vegetieren müssen, zum Teil ohne überhaupt genügend Wasser zu erhalten, wie z. B. in Jordanien, wo selbst die eigene Bevölkerung unter akutem Wassermangel leidet. Als wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, hat sich das Land mittlerweile zu einem Tummelplatz von terroristischen Milizen Einheiten entwickelt, so etwa der militanten Hisbollah aus dem Libanon oder Al-Kaida nahestehenden Kampfgruppen aus Afghanistan und dem Irak. 

Jede dieser Terroreinheiten verfolgt dabei ihr eigenes Ziel. Auslöser von alledem ist der Kampf um die Vorherrschaft der schiitischen oder der sunnitischen Glaubensherrschaft, die wiederum durch die Länder Iran auf schiitischer Seite und die Königreiche am Persischen Golf auf sunnitischer Seite befeuert werden. Die Kurden im Nordosten Syriens haben mit Hilfe der türkischen Kurden auf der anderen Seite der gemeinsamen Grenze sich von Syrien los gesagt und ein autonomes Gebiet proklamiert, in dem die Syrische Armee keine Rolle mehr spielt. Da mittlerweile so viele Länder und Interessensgruppen die Finger mit im Spiel haben, besteht die große Gefahr, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen aller beteiligten Länder in dieser Region kommt. Über allen regionalen Konflikten beherrschen auch noch die Interessen der Großmächte die Szenerie. 

Russland will seinen Einfluss durch Assad nicht verlieren und hat zudem einen wichtigen Flottenstützpunkt in Syrien. China, immer Energie hungriger, baut ebenfalls auf Assad, während die USA die Saudis als einflussreichste Macht in der Region präferieren und keinesfalls dem Iran stärkeren Einfluss zubilligen wollen, ganz im Gegenteil. In dieser Gemengelage werden die Israelis zu Recht nervös, sie fürchten um ihre Existenz. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der UN-Sicherheitsrat durch die Russen bei allen Aktionen blockiert wird, haben sich die G 20 Staaten zu einem Wirtschaftsgipfel in St. Petersburg getroffen, um gemeinsam neue Spielregeln im internationalen Bankenwesen aufzustellen, um die verdeckten Kapitalgeschäfte in Billionenhöhe unter staatliche Kontrollen zu bringen, damit der Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzwesens durch irrsinnige Spekulationen mit verheerenden Folgen für die gesamte Weltwirtschaft sich nicht wiederholen kann, wie 2008 und 2009 geschehen. 

Angesichts der über 1400 Toten durch Giftgas in Syrien wurde dieser Gipfel von der Initiative Obamas überschattet, auch ohne das Mandat des Weltsicherheitsrates militärisch in Syrien einzugreifen. Dies stößt jedoch auf die massive Ablehnung von Russlands Präsident Putin, der seinerseits die Aufständischen für die Giftgasattacken verantwortlich macht, vermeintlich um die USA zu militärischen Aktionen gegen Assad zu bewegen. Wer die beiden mächtigsten Männer der Welt auf dem Gipfel beobachtet hat, fühlt sich an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Wenn es nicht unbedingt notwendig war, würdigten sie sich keines Blickes. 

Obama ist fest entschlossen durch Raketenbeschuss die militärische Macht Assads zu schwächen, er wartet nur noch auf die Unterstützung des amerikanischen Abgeordnetenhauses, die er wohl am Montag kommender Woche bekommen wird. Am Dienstag will er sich in einer Rede an die amerikanische Nation wenden und unmittelbar danach ist mit dem Angriff von Marschflugkörpern von amerikanischen Kriegsschiffen, die im östlichen Mittelmeer zusammen gezogen worden sind, zu rechnen. Über den Erfolg dieses Militärschlages sind sich die Experten selbst in den USA nicht einig. Viele sehen darin keine Möglichkeit, die Situation der syrischen Bevölkerung zu verbessern, eher das Gegenteil, da der Iran als Verbündeter mit Vergeltungsmaßnahmen droht und Syrien mit Raketenangriffen auf Israel antworten will, so die Militärpropaganda. 

Dies allein zeigt schon wie dramatisch die Lage ist, und welche Reaktionen darauf folgen werden, ist unkalkulierbar. Die europäischen Staaten sind sich bei der Frage eines militärischen Eingreifens uneins. Während Frankreich die Amerikaner unterstützen wird, setzen die meisten EU-Länder weiterhin auf eine diplomatische Lösung, so wie auch die Bundesregierung. Diese kann aber nur mit Russland zustande kommen und solange Putin sich weigert, selbst wirtschaftliche Sanktionen durch die UNO mit zu beschließen, wird es bei dieser Patt-Situation bleiben, Assad wird weiterhin seine Bevölkerung umbringen und, was am meisten befürchtet wird, vor neuen Giftgasattacken nicht zurückschrecken. Dies ist das Dilemma in dem der Syrienkonflikt steckt.

Derweil sterben immer mehr Menschen, der Flüchtlingsstrom nimmt rapide zu, mit der Folge, dass die Nachbarstaaten zusehends destabilisiert werden, da deren Bevölkerungen nicht mehr gewillt sind, diesen enormen Belastungen ausgesetzt zu werden. Bei Abwägung aller Umstände kommt man nicht umhin festzustellen, dass ein militärischer Angriff ebenso problematisch ist, wie das Verharren in dem momentanen Zustand der erfolglosen Diplomatie, solange Putin nicht bereit ist an einer Verhandlungslösung des Syrienkonflikts konstruktiv mitzuwirken und seinen Einfluss auf Assad geltend zu machen, um eine politische Lösung herbei zu führen, indem dieser seinen Machtanspruch aufgibt, um so alle politischen Gruppierungen an den Verhandlungstisch zu bringen. 

Obama glaubt an eine solche Verhandlungslösung nicht mehr, zumindest nicht mehr ohne durch den Angriff auf militärische Einrichtungen das Assad-Regime empfindlich zu schwächen und um dadurch die Giftgasattacken zukünftig zu verhindern. Welches hohe Risiko er dabei eingeht, wird allein schon dadurch klar, dass er zunächst die Abgeordneten um ihre Zustimmung bittet, obwohl er als Präsident die alleinige Befehlsbefugnis hat. Es wird ein schwieriger Gang werden, wenn in der nächsten Woche die Marschflugkörper zum Einsatz kommen. 

Dabei sollte allen klar sein, dass es nur darum gehen kann, der geschundenen Bevölkerung endlich eine Chance zu ermöglichen, ihr Leid zu beenden. Sollte allerdings zu dem entsetzlichen Leiden ein noch weitaus größeres durch die militärische Intervention hinzukommen, dann Gnade uns Gott, denn dann sind wir alle betroffen. 

Peter J. König

Samstagskolumne Peter J. König o1.09.2013

Wozu dienen diese politischen Fernsehduelle, zur Volksbelustigung oder zur inhaltlichen Standortbestimmung der beiden Kandidaten um das wichtigste Amt in unserem Staat? 


Bei der morgendlichen Nachlese zu dem gestrigen Fernsehduell zwischen der Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück bei einem großen, hessischen, privaten Radiosender gab es nur einen Tenor bei allen Anrufern. Nicht dass auf politische Aussagen der beiden Kontrahenten eingegangen worden ist, nein den Zuhörern scheint nur der Spaßfaktor, der Klamauk, gar die verbale Aggression zu kurz gekommen zu sein. Davon haben sie sich einiges in den neunzig Minuten versprochen, darin schien für sie der Reiz dieser politischen Auseinandersetzung gelegen zu haben. Deshalb das gängige Votum: Langweilig, uninteressant, überflüssig. Diese Aussagen sind zwar nicht repräsentativ, aber immerhin artikulieren sie Volkes-Stimme, und es ist ja die Mehrheit des Volkes die bestimmt, wer nach dem 22. September uns regieren wird. Gerade aus diesem Grund ist doch zu hinterfragen, was man sich landläufig unter einem solchen Fernsehduell vorstellt?

Es scheint, als seien viele gar nicht so sehr an den politischen Inhalten der führenden Parteienvertreter interessiert, wenn überhaupt, vielmehr ist man gespannt, ob und wann einer der beiden Protagonisten strauchelt, gar Schach matt gesetzt wird. Dies will man sehen, um daraus eine Wahlentscheidung abzuleiten, vielleicht sogar dies als Animation werten, um überhaupt zur Wahl zu gehen. Speziell die SPD hat in dieser Veranstaltung eher die Möglichkeit gesehen, ihre Anhänger zu mobilisieren, weniger diejenigen, die sich noch nicht entschieden haben, um sie für sich zu gewinnen. Dabei haben die Wahlforscher herausgefunden, dass etwa 30% aller Wähler sich erst unmittelbar vor der Wahl entscheiden, welche Partei sie wählen wollen. Dies ist jedoch primär von dem Kandidaten abhängig, denn Programme interessieren eh nur den politischen Gegner und ein paar Unerschrockene, die sich wirklich für Politik begeistern und nicht zu vergessen die Journalisten, die so ihr Geld verdienen. 

Damit sind wir auch schon bei der Rolle der vier Medienvertreter bei dieser eineinhalb stündigen Politshow. Natürlich versucht jeder Fernsehsender seinen eigenen Vertreter oder seine Vertreterin ins rechte Licht zu rücken, denn diese Megaveranstaltung wurde gleichzeitig von zwei öffentlich-rechtlichen und zwei Privatsender inszeniert und das Schaulaufen diente nicht nur den Politikern, sondern zumindest ebenso den Frontleuten der Fernsehanstalten, die damit versuchen ihr jeweiliges Profil zu schärfen. Das ging jedoch gründlich daneben und dies ist bestimmt ein wesentlicher Grund, warum die Veranstaltung zu einer harmlosen politischen Fragestunde mutierte. Vollmundig auf allen beteiligten Kanälen angekündigt, als das Wahl entscheidende TV-Ereignis haben Will, Illner, Klöppel und der für die jüngeren Leute engagierte Raab bei der Präsentation Hoffnungen auf ein politisches Feuerwerk erweckt, das letztlich mangels Dynamik aber völlig glanzlos blieb.

Man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass alle vier Fernsehleute, allein durchaus zugkräftig und sattelfest, sich mehr behindert haben, als sich im politischen Frage- und Antwortspiel gegenseitig zu beflügeln. Die journalistischen Fragesteller traten eher zögerlich auf, zuweilen sogar waren sie total defensiv, als wollten sie sich für ihr Tun entschuldigen. Vielleicht haben sie auch an ihren Platz im Journalistentross gedacht, wenn sie demnächst mit dem neuen Amtsinhaber auf Auslandsreise im Regierungsjet gehen wollen. Zu provokante Fragen können da nur hinderlich sein. Selbst Raab, der in dieser Richtung unverdächtig ist, hatte massive Ladehemmung. Als er es dennoch bei Steinbrück mit banaler Provokation versucht hat, fehlte ihm nach dessen Konter die intellektuelle Spritzigkeit, um wirklich Leben in die Bude zu bringen. Bei der Kanzlerin hat er es gar nicht erst versucht, ihm sind überhaupt nicht die richtigen Fragen eingefallen, wie allen anderen Moderatoren übrigens auch nicht. 

Schließlich wurde von dem Abend erwartet, dass ein paar neue Aspekte der politischen Programme der Wahlkämpfer zur Debatte stehen würden und nicht der ständige Einheitsbrei der landauf, landab auf den Marktplätzen von Merkel und Steinbrück gebetsmühlenartig unter das Wahlvolk gebracht wird. Nichts von alledem war Sache. Zum Schluss wurde deshalb die Halskette von Frau Merkel in der Nachlese thematisiert, war sie nun in den bundesdeutschen Farben Schwarz-Rot-Gold oder eher in den umgekehrten belgischen Staatsfarben? 

Wenn sich erfahrene Hauptstadtjournalisten unmittelbar nach dem wichtigsten Fernsehduell über solche Petitessen unterhalten, kann es mit dem politischen Gehalt, aber auch mit der politischen Performance nicht weit her gewesen sein. Deshalb ist man geneigt zu sagen, dass diese Veranstaltung zumindest in dieser Form überflüssig ist. Es fehlt an der Spontanität, an der politischen Streitkultur und ganz entscheidend an der politischen Themensetzung außerhalb der auswendig gelernten Statements. Warum hat man nicht hinterfragt, wann die Politik wieder die Gestaltungshoheit in diesem Land übernimmt und in welcher Form?

Warum wurde Merkel und Steinbrück nicht gefragt, wie sie der unendlichen Steuerverschwendung begegnen wollen, wie der nicht mehr zu überblickenden Steuergesetzgebung und insgesamt der alles überwuchernden Bürokratie? 

Zudem muss die Frage gestellt werden, warum die Parteien eine solche Machtfülle angehäuft haben und mittlerweile in alle Belange der Bürger hinein reden, natürlich alles schön im Proporz. Da liegt doch überhaupt der Grund, warum die Journalisten sich nicht trauen auch mal an den Parteisockeln zu kratzen, die Fernsehsender schön bei Fuß stehen, die öffentlich-rechtlichen wegen ihrer Abhängigkeit und die privaten, weil damit kein Geld zu verdienen ist, da inszeniert man lieber drittklassische Promishows und berichtet über deren Befindlichkeiten, ohne dass seitens der Politik über Maßnahmen gegen die Volksverdummung nachgedacht wird. Und alles das wird hingenommen, labbrige Fernsehduelle von Kandidaten, die morgen schon wieder gemeinsam in einer großen Koalition die Politik bestimmen, um letztlich in einem unübersehbaren Einheitsbrei zu verschwimmen. 

Dies riecht irgendwie nach althergebrachten Mustern, die wir glaubten schon lange überwunden zu haben. Lebendige Demokratie sieht anders aus. Dabei dürfen wir uns überhaupt nichts vormachen. Am Ende des Wahlabends des 22. Septembers fällt alles Wahlkampfgetöse in sich zusammen. Dann wird der Souverän wieder in sein Körbchen geschickt, politische Halbwahrheiten machen erneut die Runde und der große Legislaturschlaf des Wahlvolkes beginnt von vorne. Es herrscht wieder politischer Alltag. 

 Peter J. König