Samstagskolumne Peter J. König 24.08.2013

Wohin verschwinden nur all diese Steuermilliarden? 

Einen Monat vor der Bundestagswahl, der Hessenwahl und eine Woche zuvor der Bayernwahl ist nun endgültig die Phase der totalen Wählerbeglückung angebrochen. Sie überschlagen sich mit Wahlversprechen, die großen und kleinen Parteien, die sich einen Einzug in das neugewählte Parlament versprechen. Dabei fällt dem aufmerksamen Beobachter dieser Szenerie auf, wie im Zuge der letzten Monate bei allen Parteien, bereits abgegebene Versprechen wieder einkassiert, modifiziert oder wenn nötig um 180 Grad gewendet worden sind. 

Ein allseits beliebtes Mittel den Wähler zu ködern, sind Steuersenkungen. Bei den Freien Demokraten der standardmäßige Treibsatz um die 5% Klausel zu überwinden, haben CDU und SPD im Vorfeld dieses strikt verneint. Dieses Versprechen wurde aber schon jetzt vor der Wahl gebrochen, eine neue Variante in dem Spiel: Was interessieren mich die Wahlversprechen, wenn ich erst wieder an der Macht bin. Und an die Macht wollen sie alle, die Etablierten und die selbsternannten Hoffnungsträger, gleichgültig in welcher Konstellation.

Hieß es zuerst bei den Roten keine große Koalition mit den Schwarzen und bestimmt kein Bündnis Rot-Grün mit den Linken, sind diese Aussagen schon lange relativiert worden, sowohl auf Bundesebene, als auch in Hessen. Ebenso wurde mit dem Versprechen die Steuern niemals zu senken verfahren. Sie hallen noch nach, die vollmundigen Aussagen von Kanzlerin und Herausforderer Steinbrück. Steuern zu reduzieren, niemals, können wir uns zu diesem Zeitpunkt gar nicht leisten. Die SPD setzte noch einen drauf, indem sie vermeintlich so ehrlich sein wollte und dem Wähler vor der Wahl zu versprechen, dass im Falle einer Kanzlerschaft ihres Kandidaten, die Steuern ganz bestimmt erhöht werden. Welch ein verlockendes Angebot?

Dies wurde nur noch getoppt von den Grünen, die mittlerweile die tragende Mittelschicht rupfen wollen. Dass heutzutage ein Lehrer mit seinen Einkünften sich nicht einmal mehr eine Eigentumswohnung in der Stadt leisten kann, in der er an der Schule unterrichtet, wenn er Alleinverdiener ist, scheint in das Bewusstsein von Herrn Tretin bisher noch nicht vorgedrungen zu sein. Dabei denke ich überhaupt nicht an München, denn hier scheitert ein solcher Erwerb auch mit dem Gehalt eines Lehrerehepaares, die beide tätig sind. Diese müssten aber nach den Vorstellungen der Grünen empfindlich mehr an Steuern zahlen. So kann man seine Stammwählerschaft auch vertreiben und es wird spannend sein, dieses an den Wahldaten abzulesen.

Aber was soll“s, sie halten eisern an ihren "Versprechen" fest, während die beiden selbsternannten Volksparteien auf Grund der Wahlprognosen den Radikalschwenk eingeleitet haben. Merkel will damit auf Nummer Sicher gehen, während Steinbrück glaubt,Terrain gut zu machen. Oder hat damit die CDU vorbauen wollen, wenn es in der NSU-Affaire, also der Bespitzelung der Bundesbürger durch einen gigantischen, speziellen amerikanischen Geheimdienst zu einem Meinungsschwenk in der Bevölkerung gekommen wäre, da unsere politische Führung, also Angela Merkel, von alledem nichts gewusst haben will?

Dies ist ein typisches Beispiel, wie die Bürger für dumm verkauft werden oder sollte es wirklich so gewesen sein, dann werden wir von Politikern regiert, die absolut unfähig sind, die Interessen unseres Landes zu schützen und unsere Gesetze einzuhalten, denn immerhin handelt es sich um Straftatbestände, die bei einer illegalen Bespitzelung erfüllt sind? 

Aber das Interesse an Politik in unserem Staat scheint mittlerweile so gering zu sein, dass allein eine äußerst windige Erklärung des Kanzleramtsministers und Merkel-Vertrauten Profalla ausreicht, um diesen ungeheuren Vorgang von der Agenda zu nehmen und noch viel wichtiger in den Augen der CDU, das Umfragehoch der Kanzlerin nicht zu tangieren, vielleicht sogar anzukratzen. Politisch scheinen wir Deutschen mittlerweile ein Volk von tumben Toren zu sein, dass wir in einer solchen essentiellen Frage unserer Demokratie uns mit dümmlichem Geschwätz abspeisen lassen. Aber wie lautet ein klassisches politisches Bonmot? Ein Volk bekommt immer die Politiker, die es verdient.

Fakt ist, dass alles Insistieren der Opposition nichts genützt hat, ein paar Ablenkungsmanöver haben ausgereicht, um das so wichtige Thema aus dem Wahlkampf zu entfernen und nach der Wahl interessiert es sowieso keinen mehr in Berlin, sollte es aber. Es geht um Grundrechte, um die Beziehung zu einem unserer engsten Verbündeten, den USA und auch um Großbritannien, immerhin ein Mitglied in der Europäischen Union. Merkel hat es unbeschadet überstanden, so etwas nennt man politische Krisenbewältigung, nicht ehrliche Aufklärung. 

Also musste Steinbrück auf ein altbewährtes Wahlkampfmittel zurückgreifen, auch wenn er sich dadurch selbst diskreditiert und seine primären Ankündigungen aushebelt. Auf einmal gibt es auch bei ihm Steuersenkungen, natürlich nur für die weniger Bemittelten, die Reichen sollen selbstverständlich zur Kasse gebeten werden und zwar reichlich. So etwas hört sich immer gut an und man nennt es Stimmenfang bei den einfachen Leuten. Ich nenne es Verarschung des Volkes, denn Steinbrück sagt nicht, wie er eine solche Reichensteuer verfassungsmäßig durchsetzen will. Dies ist alles nur wieder eine Droge fürs einfache Wahlvolk, das dieses nach der Bundestagswahl mit schwerem Entzug bezahlen muss. 

Apropos Steuern, noch nie seit dem Bestehen der Bundesrepublik hat der Staat derart viele Steuern eingenommen wie in den letzten Jahren. Dabei jagt ein Rekordhoch das andere. Parallel dazu ist die Staatsverschuldung ebenfalls rekordverdächtig auf die unvorstellbare Summe von über 2 Billionen gestiegen. Hier stimmt es nicht auf der ganzen Linie. Die Krux liegt auf der Ausgabenseite. Diese gehört ernsthaft als Erstes auf den Prüfstand gestellt, das Drohnendebakel und viele andere Verschwendungslöcher zeigen dies und nicht nur im Militärhaushalt. Was nützen all die fernen Schuldenbremsen, wenn aktuell die Verschuldung immer weiter ansteigt und die Zinsen dafür demnächst jede Gestaltungsmöglichkeit stranguliert. Hier muss das Primat der Politik ansetzen und wir Wähler tun gut daran unsere politische Führung nur danach zu wählen.

Wer dieses nicht leisten kann, hat in der Regierung nichts zu suchen. Dabei darf nicht sein, dass jetzt vor den Wahlen uns Bürgern die vermeintlich größtmögliche Aufmerksamkeit geschenkt wird, die anschließend in arroganter Missachtung endet. Steuereinnahmen gibt es genug, die Mittel müssen nur konsequent zielgerichtet ausgegeben werden, wobei die Zukunftschancen der Bürger oberste Priorität haben. 

Wo verschwinden nur all diese Milliarden, wobei der Leistungskatalog des Staates eh immer geringer geworden ist?

Diese und viele andere Fragen mehr müssen beantwortet werden, wenn Politiker antreten, um sich um das wichtigste Amt in unserem Staat zu bewerben. Noch sind es vier Wochen bis zur Bundestagswahl, vier Wochen in denen wir weitere Versprechen erwarten dürfen, besonders dann, wenn es den Umfragen nach besonders knapp zugehen sollte. Doch schon jetzt wissen wir, dass diese überhaupt nicht erfüllt werden können, sie dienen einzig und allein um den Wähler zu ködern. Seien wir deshalb auf der Hut und überprüfen wir skeptisch und realitätsnah, was uns versprochen wird. Die Ernüchterung, die erfahrungsgemäß in der folgenden Legislaturperiode eintritt, sollte zu vermeiden sein, wenn nicht die vollmundigen Heilsbringer, sondern die sachlichen Analytiker unser Votum erhalten. Dies ist zwar nicht so euphorisch, verhindert aber ein späteres böses Erwachen. 

Peter J. König