Samstagskolumne Peter J. König 09.06.2013

Ist dies ein deutliches Zeichen gegen Abzocke und fortschreitende Gier? 

Deutschland scheint noch nicht verloren. Dies ist weder im Hinblick auf unsere politischen Eliten, noch auf unsere wirtschaftlichen und finanzpolitischen Voraussetzungen gemeint und schon gar nicht auf die Währungsunion und den Euro bezogen. Da weiß so recht keiner, was auf uns noch zukommen wird. Auf den Süden und den Osten unseres Landes ist allerdings eine Flutwelle herein gebrochen, die Überschwemmungen und Zerstörung gebracht und hinterlassen haben, deren Ausmaß kaum einer für möglich gehalten hat. Ein derartiges Hochwasser hat Passau seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt. In Bayern um Deggendorf, aber auch im Landkreis Rosenheim geht es jetzt um Schadensanalyse und Wiederaufbau. Hier wird sich zeigen, ob den Betroffenen schnell und unbürokratisch, aber vor allem großzügig geholfen wird, denn diese Menschen haben nicht über ihre Verhältnisse gelebt, sondern die Natur, vielleicht auch manchmal eine verfehlte Infrastrukturpolitik hat ihnen unverschuldet ihre Existenz genommen oder sie an den Rand des Ruins getrieben. 

Bei allem Leid und aller Existenzangst ist es ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt, dass die Bundestagswahl im September ansteht. Dies könnte bedeuten, medienwirksame Zusage von Soforthilfen und Aufmerksamkeit der Politiker aller Parteien, mit den entsprechenden Fernsehbildern. Dass so etwas schon einmal funktioniert hat, zeigt das Beispiel Schröder, der seine Wiederwahl nur dem Oderhochwasser verdankt, denn ohne seine Bilder in Gummistiefeln im Hochwassergebiet, neben dem „Deichgraf“, dem bis dahin nur regional bekannten Landesminister Platzeck, wäre eine erneute Wahl zum Kanzler wohl gescheitert. 

Hat der Süden jetzt Gewissheit über die verheerenden Überschwemmungen, so grassiert an der Elbe und ihren Nebenflüssen noch immer die nackte Angst, was letztendlich passieren wird. Magdeburg und viele andere Städte und Gemeinden entlang der Elbe kämpfen gegen die Überflutung ganzer Stadtteile und bei der Gefahr, dass ältere Deiche den enormen Wassermassen nicht gewachsen sind, hat man vorsorglich schon Tausende von betroffenen Anwohnern evakuiert. Dabei sind die Bilder so friedlich, gar fröhlich, wenn man bei schönstem Sonnenschein, die vor dem Überschwappen gefüllten Flussufer sieht, an denen sich zigtausende freiwilliger Helfer bemühen, Sandsäcke zu füllen, die die Deiche stabilisieren sollen. Aber das Bild ist trügerisch.

Der Höhepunkt der Flut ist noch nicht erreicht, wohl bisher nur am östlichen Teil, um Dresden, das dieses Mal mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Schloss, Zwinger, die Semperoper und die Altstadt sind verschont geblieben. Wie verheerend eine solche Flutkatastrophe ist, hat der Autor selbst erleben dürfen, als er das Hotel Taschenberg-Palais, unmittelbar neben dem Schloss gelegen, zu einer Silvestervisite aufsuchte. Praktisch die gesamten Räumlichkeiten in Keller und Parterre hatte das Elbewasser verwüstet. Lobby, Ballsäle und Restaurants mussten komplett wieder renoviert werden. Ähnlich erging es dem Zwinger und der Semperoper. Das Stadtschloss, gerade im Endstadium des Wiederaufbaus musste schon vor Eröffnung in großen Teilen generalsaniert werden. Wenn man als Nichtbetroffener so etwas hautnah erlebt hat, bekommt man eine Vorstellung, unter welchem Druck und welchen Ängsten die Menschen ausharren und bangen, ob das Schicksal sie verschont, oder sie sich ihm beugen müssen. 

Bei vielen ist dies nicht die erste Erfahrung mit dem Wasser, wenn sie in Flussnähe wohnen. Sie haben aber den Aussagen der Behörden vertraut, die ihnen nach dem letzten Hochwasser wirksame Schutzmaßnahmen versprochen haben. Es wird wohl noch mehrere Tage dauern, bis Gewissheit besteht, ob die Milliardeninvestitionen in den Deichschutz ausreichend waren. Eine Garantie für die Zukunft ist dies jedoch nicht. Vielleicht ist der Bau von immer höheren Deichen auch nicht die Lösung. Naturschützer sehen darin nicht eine Bewältigung des Problems, sondern eher eine Verschärfung. Da durch die Baumaßnahmen der Fluss nur eingeengt wird und die Fließgeschwindigkeit sich erhöht, was wiederum eine weitere Gefahr bedeutet, plädieren sie für Überschwemmungsbecken in den Flussauen, um so dem Wasser mehr Raum zu geben. Am Rhein hat man damit beste Erfahrungen gemacht. Allerdings wird dazu entsprechendes Land benötigt, oftmals fruchtbares Weide- und Ackerland. 

Davon wollen die Eigentümer aber oftmals nichts wissen. Folglich werden die Deiche nur erhöht, mit der soeben geschilderten Folge. Hier wartet noch eine Herkulesaufgabe auf die Politik, aber wie man bei Platzeck sieht, kann man durchaus damit ganz nach oben in der Hierarchie gespült werden, immerhin hat er es so zum Ministerpräsident, gar zum Vorsitzenden der SPD dadurch geschafft. Doch ist bisher immer noch nicht die Eingangsthese erläutert worden, warum Deutschland nicht verloren ist. Dies beweisen eindeutig die Bilder und die Aufrufe in allen Medien, wobei das Internet zeigt, welche Bedeutung es zunehmend für die Menschen hat. 

Die Hilfsbereitschaft, die spontan sich ergab, um den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen, ist beeindruckend. Nicht nur, dass sich Tausende aus der ganzen Republik auf den Weg gemacht haben, um vor Ort Sandsäcke zu füllen und mit Menschenketten diese an den Deichen zu verbauen. Sowohl bei diesen Helfern, als auch bei den Leuten vom THW und unzähligen Feuerwehren, die aus ganz Deutschland angerückt sind, kann man sichtbar ihre Solidarität spüren. Endlich gelingt es auch der Bundeswehr zu zeigen, wie nützlich sie unmittelbar sein kann, die Soldaten geben alles. Bei vielen Freiwilligen ist zu bemerken, wie sie von dem Akt der Hilfe erfasst sind, dankbar und sichtlich überzeugt, in der Zeit der Raffgier und Abzocke endlich ein Zeichen zu setzen für Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn. Deshalb auch schaufeln sie bis zur Erschöpfung und sind dabei fröhlich und gut gelaunt, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es so gelingt, den großen Schaden vielleicht doch noch abzuwenden.

Aber auch die Einwohner der betroffenen Kommunen, die nicht unmittelbar unter dem Wasser leiden müssen, packen mit an. In Ansicht der Bedrohung wollen sie zusammenrücken, ein Zeichen setzen für die Zusammengehörigkeit, aber auch zeigen, dass sie sich um das Wohl ihres Ortes kümmern. Die Spendenbereitschaft ist riesig, über Facebook und Twitter werden unzählige Aktionen organisiert. Wenn man diese Welle an Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit sieht, wird klar, dass die Menschen auf Dauer nicht bereit sind, die Parolen von unbedingtem Eigennutz und individueller Egomanie zu akzeptieren. 

Weshalb auf dieser Ebene das uneingeschränkte Engagement, während auf dem politischen Terrain das Interesse immer weiter abnimmt? Soviel steht jedenfalls fest, es liegt nicht an dem Gestaltungswille und dem Einsatz der Bürger. Vielmehr ist es die programmierte Unmündigkeit durch die politischen Institutionen, die willige Menschen daran hindern, sich wie bei der Flutkatastrophe politisch einzubringen. Die Parteien spüren den Gegenwind. Sie versuchen durch plebiszitäre Maßnahmen dem entgegen zu wirken, zumindest haben sie es vor der Bundestagswahl angekündigt. Bei der Flutkatastrophe muss gehandelt werden, um zu retten. In der Politik ist dies jedoch anders. Da wird vor der Wahl angekündigt, damit nach der Wahl wieder alles im Sande verläuft. Gefahrlos für unser Gemeinwohl  und die Demokratie ist das aber ganz bestimmt  nicht. 

Peter J. König

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