Samstagskolumne Peter J. König 23.03.2013

Zypern vor dem Untergang?

Wer hätte gedacht, dass die Währungsunion, vielleicht die gesamte EU so leicht ins Straucheln kommen könnte, wie es in diesen Stunden den Anschein hat. Um das gesamte Ausmaß des europäischen Trauerspiels zu erfassen, muss man einige grundsätzliche Fragen stellen, deren Antworten bisher durch die Politik aus Brüssel mehr als dürftig beantwortet wurden. Dazu aber mehr im Laufe der weiteren Kolumne, zunächst soll hier erst einmal ein aktueller Sachstand zu Grunde gelegt werden, der sich aber stündlich verändern kann, da politische Entscheidungen im Fluss sind. Fast schon überflüssig zu erwähnen ist, dass es um die Rettung Zyperns vor dem Totalbankrott geht, in den letzten Tagen das alles einnehmende Thema nicht nur in den Medien sondern auch bei den meisten Bürgern in den EU-Ländern, denn viele haben das Gefühl es braut sich etwas zusammen, das bisher undenkbar schien. 

Dass die Banken in Zypern schon faktisch seit Monaten insolvent sind und nur durch ein Nothilfe- Programm der EZB künstlich am Leben gehalten werden und dies gegen die Statuten der EZB, die einer insolventen Bank keine Kredite mehr einräumen dürfen, wurde bisher von politischer Seite hingenommen. Die Insolvenz der Geldinstitute kam dadurch zustande, dass sie marode griechische Staatsanleihen, die sie in verstärktem Maße angekauft hatten, nach dem Schuldenschnitt von über 50% in ihren Büchern stehen hatten, damit aber eine ausreichende Deckung ihrer Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet war, mit der Folge der Insolvenz. Pikanterweise wurden diese Staatsanleihen mit dem Geld ihrer russischen Kunden bezahlt, die Milliardensummen aus Russland nach Zypern transferiert hatten, angeblich auch viel Schwarzgeld. 

Die Inselbanken offerierten Zinssätze von vier bis fünf Prozent, ja sogar bis zu 8%, bei Weltmarktzinsen von aktuell etwa einem Prozent. Schon hier wird das Geschäftsmodell instabil, denn diese überhöhten Zinsen lassen sich real nicht erwirtschaften. Zudem lockt Zypern mit den niedrigsten Steuersätzen in der Währungsunion und scheinbar alles abgesichert durch die EZB und den festen Euro. Das war ganz nach dem Geschmack der russischen Oligarchen, aber auch der vermögenden Oberschicht, die Zypern auch wegen der sonnigen Lage im Mittelmeer gerne als Feriendomizil gewählt haben. Die Insel hat einen nie gekannten Aufschwung erlebt. Und wo es warm ist und die Anlagenrenditen überdurchschnittsmäßig, sind die Briten nicht weit. Auch von dort sind Milliardensummen auf Zypern angelegt worden. 

Bei einem Bankrott der Banken und dies soll, wenn es zu keiner Einigung zwischen der EZB und der Regierung über ein Rettungspaket bis am kommenden Montag kommen sollte, am nächsten Dienstag soweit sein, da die EZB den Geldhahn zudreht. Danach wird ein Desaster über das Land hereinbrechen. Nicht nur die Banken sind zahlungsunfähig sondern in der Folge auch der gesamte Staat. Was bedeutet das? Es können keine Gehälter an die Staatsdiener, keine Renten, keine Rechnungen mehr bezahlt werden. Es gibt keine Kredite mehr für die Unternehmen seitens der Banken, diese müssen daraufhin ihre Produktionen einstellen und ihre Belegschaften nach Hause schicken. Das bedeutet Massenarbeitslosigkeit und Aufruhr auf der Straße. 

Zypern müsste den Währungsverbund verlassen und die Nationalbank würde wieder eigenes Geld ausgeben. Was mit den Eurovermögen und den Milliardenkrediten passieren wird, ist letztlich noch nicht geklärt, aber sicher ist, dass das meiste Geld verloren wäre. Eine Ansteckungsgefahr für andere schwächelnde Länder im EURO scheint nicht gegeben zu sein, da sind sich die Experten mittlerweile ziemlich sicher. Dies ist die Situation, wie sie sich zur Stunde darstellt, nachdem das erste Rettungspaket von dem Parlament in Nikosia in der letzten Woche abgelehnt wurde, alle Bittgänge nach Moskau seitens des Finanzministers vergeblich waren und auch die orthodoxe Kirche mit ihrem Kirchenvermögen nicht zur Rettung beitragen konnte. 

Abgesehen von dem Rechtsbruch, der durch das erste Rettungspaket seitens der zypriotischen Regierung in Kauf genommen werden sollte, wenn man die Spareinlagen der Bankkunden unter 100000 EURO mit einer Abgabe von 6 bis 7% belegt, immerhin gilt bei den Banken in der Währungsunion eine Sicherheitseinlage bis zu dieser genannten Summe, hat man in Brüssel nicht bedacht, welchen massiven Protest ein solches Vorgehen bei der Bevölkerung auf Zypern auslösen würde und vielleicht noch gravierender welche Bedenken, gar Ängste dadurch bei allen Bürgern des Euroverbundes ausgelöst werden. In zweierlei Hinsicht kann man nur den Kopf schütteln, wenn nachvollzogen wird, warum die politisch Handelnden zu einem solchen Verhandlungsergebnis gekommen sind. Neben dem in Kauf genommenen Rechtsbruch, der natürlich die Frage impliziert, was Rechtsvorschriften eigentlich noch wert sind, wenn sie bedarfsweise missachtet werden, hätte man sich in Brüssel doch im Klaren sein müssen, welche verheerenden Wirkungen dies auf alle Sparer und Geldanleger in Europa und darüber hinaus haben würde. Zudem sollte die soeben als überwunden erklärte Eurokrise mit einem Schlag wieder im Mittelpunkt stehen, mit erheblichen erneuten Zweifeln an ihrer Beherrschbarkeit. 

Erneut haben die Menschen das Gefühl, ihr Erspartes ist alles andere als sicher, sie fragen sich, wann es bei ihnen soweit ist, dass Zwangsabgaben erhoben werden, auch in Deutschland. Wenn man sich den deutschen Schuldenberg von über 2 Billionen Euro ansieht und vielleicht einmal spekuliert, dass die Exportwirtschaft nicht mehr annähernd so gut funktioniert, wie zur Zeit, dann sind solche fiskalischen Zwangsmaßnahmen überhaupt nicht mehr im Bereich der theoretischen Spekulation. 

Es gibt Stimmen die sagen, ein solches Szenario will man an Zypern einmal durchspielen, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Ein überzeugendes Krisenmanagement sieht anders aus. Hier hat es sowohl an Weitblick als auch an Durchblick gefehlt. Aber auch den Zyprioten hat es komplett an Einsicht gemangelt, haben sie doch allen Ernstes geglaubt, sie könnten ihr marodes Geschäftsmodell mit Finanzdienstleistungen retten, wenn sie die milliardenschweren Investoren aus Russland und Großbritannien möglichst ungeschoren davonkommen lassen, beim Einsammeln den von der EU geforderten 5.8 Milliarden Euro an Eigenleistung, um dann seitens der EZB ein weiteres Hilfspaket von 10 Milliarden EURO zu erhalten. Alles dieses war Gegenstand einer turbulenten Woche, sowohl in Brüssel als auch in Nikosia, der Hauptstadt des griechischen Teils von Zypern. 

Wütend und verzweifelt sind die Menschen auf die Straße gegangen, eine Annahme des Rettungspaketes hätte wohl zu einem Aufstand gegen das Parlament geführt. Dabei haben sich Hasstiraden gegen Merkel und Schäuble entladen, die vermeintlichen Drahtzieher dieses in den Augen der Zyprioten inszenierten Komplotts. Dass der drohende Banken- und Staatsbankrott jedoch Folge der eigenen staatlichen Finanzwirtschaftsgeschäfte ist, können die Menschen vor Ort kaum begreifen und dass sie dafür auch noch mit ihrem Ersparten herhalten sollen, ist in ihren Augen vernichtende Willkür. Aber die Zeit tickt. Dead-Line ist Montag 24 Uhr, da haben die Verantwortlichen in Brüssel keinen Zweifel daran gelassen. 

Wer den zypriotischen Finanzminister in der letzten Woche beobachtet hat, konnte alleine an seiner Körpersprache ablesen, wie die Verzweiflung von Tag zu Tag zunahm. Und trotzdem war, bei aller Enttäuschung der Regierung die Einsicht gereift, dass nur durch eine gemeinsame Lösung mit der EU, ein Staatsbankrott mit katastrophalen Folgen zu verhindern ist. Erneute Verhandlungen am Wochenende, auf der Grundlage von weitaus erfolgversprechenden Lösungen scheinen quasi in letzter Minute den Bankrott noch abwenden zu können. Teil dieser Lösung ist eine Neuausrichtung des Bankensystems der Insel, dazu gehört die Zerschlagung der zweitgrößten Bank des Landes. 

Die Beschaffung der 5.8 Milliarden Selbstanteil soll jetzt durch die Vermögen jenseits von 100000 EURO stattfinden. 15 bis 20% werden vermutlich bei diesen Bankeinlagen konfisziert werden, so die Planungsvorgabe. Dieses Mal trifft es nicht die Allgemeinbevölkerung, zudem ist die Sicherungseinlage gewährleistet. Nervosität, gar Panik ist bei den russischen Profiteuren zu spüren, die sich und ihr Geld so sicher in der Sonne Zyperns zu gedeihen glaubten. Ihr Vertrauen in den EURO ist hin, sie wissen, welche Verluste auf sie zukommen werden, die Party auf Zypern ist vorbei. Medwedew, der russische Ministerpräsident spricht gar vom EURO als einer unsicheren Währung, wahrscheinlich wird er selbst bei der zypriotischen Lösung ordentlich Federn lassen müssen, denn auch ranghöchste russische Politiker sollen sich gerne in Nikosia bedient haben. 

Noch ist aber nichts in trockenen Tüchern, ein Absturz Zyperns ist überhaupt noch nicht vom Tisch, denn Unwägbarkeiten gibt es genug auch in dem neuen Rettungspaket. Als gutes Zeichen ist allerdings ein erneutes Treffen der Finanzminister zu werten, die am Sonntag um 18 Uhr in Brüssel über eine Lösung der Zypern-Krise zusammen kommen wollen. Ein positives Ergebnis wäre für alle EURO-Staaten wünschenswert, aber besonders für die Menschen auf Zypern, denn sie hätten zumindest wieder eine gewisse Planungssicherheit. Die Folgen, die sie durch das Zerschlagen der überzogenen staatlichen Finanzwirtschaft zu ertragen haben, werden sie sowieso noch sehr lange und sehr hautnah zu spüren bekommen. 

 Peter J. König

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