Samstagskolumne Peter J. König 23.02.2013

Bundespräsident  Gauck, der überzeugte Europäer und Berlusconi, der Europa aufs Spiel setzen will.

Unser Bundespräsident Joachim Gauck nimmt Fahrt auf. Hat er sich die vergangenen Monate seiner fast einjährigen Amtszeit überwiegend mit seinem aus seiner DDR-Vergangenheit entstammenden Thema, der Freiheit befasst, so war die Themenstellung seiner ersten Grundsatzrede aus dem Schloss Bellevue, seinem Amtssitz in Berlin, den wichtigsten aktuellen Punkten auf der Agenda unseres zukünftigen, gemeinsamen Europas gewidmet. 

Nicht, dass der Präsident sich in die laufenden politischen Vorgänge innerhalb der EU eingemischt hätte, dies ist Frau Merkel, der Bundeskanzlerin vorbehalten. Die Rolle des Bundespräsidenten ist nach der Verfassung für eine Stellungnahme bezüglich politischer Tagesaktualitäten nicht vorgesehen. Und doch soll seine Stimme bei uns Mitbürgern großes Gewicht haben. Diese Akzeptanz gilt es sich aber erst zu verdienen, sie entsteht nicht einfach dadurch, ins Amt gewählt worden zu sein. Durch seine überzeugenden Reden um die Freiheit und durch sein öffentliches Auftreten hat Joachim Gauck es schon verstanden zu vermitteln, dass hier der richtige Kandidat für das höchste Staatsamt gewählt worden ist. Und doch war es an der Zeit, dass der Bundespräsident den Focus seiner Themen in den Reden auf die aktuellen Problematiken unserer Zeit weiter ausdehnt. Indem er moderierend den Bürgern seine Haltung erklärt, soll er dazu beitragen, dass Verständnis seitens der Bevölkerung für politische Notwendigkeiten entsteht, dass begriffen wird, warum auch unpopuläre Maßnahmen in der Politik notwendig sind, wenn dadurch langfristige Ziele erreicht werden, die für die Stabilität der Bundesrepublik Deutschland notwendig sind. 

In seiner ersten Rede in einer zukünftig folgenden Reihe hat er sich zu Europa geäußert, so wie er den momentanen Zustand im Bewusstsein der Bürger sieht und welches die vermeintlichen Gründe dazu sind, warum in unserem Land eher eine gesteigerte Skepsis gegenüber einem geeinten Europa besteht. Landauf, landab hat sich die Meinung verfestigt, dass Deutschland der Zahlmeister in Europa geworden ist, dass der deutsche Steuerzahler für alle politischen und wirtschaftlichen Schlampereien in der EU den Kopf hinhalten muss. Dies ist beileibe nicht so. Natürlich müssen wir als stärkste wirtschaftliche Nation auf dem Kontinent, die noch zu den reichsten auf dem gesamten Globus zählt, auch mit den größten Anteilen an Sicherheitsleistungen für die von Insolvenz bedrohten Mitglieder im Währungsverbund aufkommen. Ein anderes Verhalten würde die Gemeinschaft des Euro sofort ad absurdum führen. Dass aber ein gemeinsames Europa mit einer einheitlichen Währung gerade für uns Deutsche besondere Vorteile bringt, ist vielfach nachgewiesen. Und dass der Kauf von griechischen Staatsanleihen, mit dem Zweck dem Land Liquidität zuzuführen, mit einem milliardenschweren Verlust enden würde, hat sich nicht bewahrheitet. In der letzten Woche wurde bekannt, dass sowohl die EZB, als auch die anderen Nationalbanken, die sich  an dieser Aktion beteiligten, nach der Veräußerung der griechischen Anleihen, Milliardengewinne eingefahren haben. 

Um dieses Geld wird es jetzt noch zu einem munteren Gerangel kommen, denn ursprünglich hatte man den Griechen einmal versprochen, wenn ein Gewinn später mit den Papieren zu erzielen sei, mit dem zu einem früheren Zeitpunkt keiner der Sachkundigen gerechnet hat, dann würde dieses Geld dem griechischen Staat zufließen. Ob dieses tatsächlich so stattfinden wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen, ohne große Diskussionen wird das jedenfalls nicht abgehen. 

Doch zurück zu der Rede des Bundespräsidenten. Um derartige Modalitäten ist es Joachim Gauck mitnichten gegangen. Zweck seiner Rede war es, sowohl den Deutschen als auch allen anderen Menschen in Europa das gemeinsame Ziel näher zu bringen, mit einer neuen Initiative, das dahindümpelnde Interesse neu zu beleben, denn als überzeugter Europäer weiß der Bundespräsident, dass nimmermüde bei den Menschen Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, damit die Ziele verwirklicht werden können, ein gemeinsames, geschlossenes Europa mit gemeinsamen politischen Zielsetzungen, sei es in der Wirtschafts- Finanz- oder Außenpolitik. Nur so haben wir zukünftig eine Chance in der geostrategischen Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Machtblöcken und den weltweiten Interessen der Großmächte unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit und unseren Einfluss zu bewahren. 

Besonders bemerkenswert erscheinen mir zwei Passagen in Gaucks Rede, deren Wirkung auf alle Bürger in Europa nicht zu unterschätzen ist. Zum einen ist da der bedeutende Satz, dass wir kein deutsches Europa sondern ein europäisches Deutschland anstreben, also allen Vormachtstellungen eine klare Absage erteilen, zum anderen hat mich Gaucks Bitte beeindruckt, die Briten oder wie er konkreter sagte, die Engländer, die Walliser, die Schotten und die Nordiren möchten doch bitte weiterhin ein bedeutender Teil dieses gemeinsamen Europas bleiben, da sie als älteste Demokratie mit ihrer unendlichen Erfahrung, auch mit ihrem weltweiten Geflecht an Beziehungen, bedingt durch das Commonwealth für ein gemeinsames Europa unverzichtbar sind. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn auch die Briten nicht immer die angenehmsten Verhandlungspartner in Brüssel sind und gerne so manche Extrawurst gebraten haben möchten und sie zuweilen auch bekommt. 

Der Bundespräsident jedenfalls hat mit seiner Rede gezeigt, dass er in seinem Amt angekommen ist. Er hat begonnen seinen eigenen Stil zu entwickeln und wird zukünftig in vielen Belangen unseres Gemeinwesens uns die Dinge aus seiner Sicht nahebringen. Über den politischen Parteien stehend, wird er eine Institution sein, die mit Glaubwürdigkeit versucht, immer wieder eine objektive Bestandsaufnahme den Bürgern zu vermitteln, dabei haben unpopuläre Wahrheiten noch nie geschadet.

Ob Europa sich auf eine erneute Bewährungsprobe ganz besonderer Art einstellen muss, wird am Sonntag und Montag in Italien entschieden. Dort finden Parlamentswahlen statt, nachdem die Übergangsregierung Monti vereinbarungsgemäß zurück getreten ist und jetzt der italienische Wähler die nächste Regierung bestimmen soll. Italien hat mit einem großen Staatsdefizit zu kämpfen, Monti der Finanzfachmann hat nach dem Rücktritt Berlusconis einen strikten Sanierungskurs der Staatsfinanzen eingeleitet. Dabei kam es zu einschneidenden Sparmaßnahmen für die breite Masse, sehr zu deren Missfallen. Dies wird sich bei den jetzigen Wahlen niederschlagen, zumal auch der schon auf dem politischen Altenteil vermeintliche Berlusconi, sich doch entschieden hat, noch einmal Italiens Ministerpräsident zu werden. Da stöhnen nicht nur große Teile der italienischen Bevölkerung auf, nein die gesamten politischen Eliten in der EU flüstern sich hinter vorgehaltener Hand zu: Muss das jetzt auch noch sein. Alles dieses stört den „Cavaliere“ wenig, ganz im Gegenteil, er wettert munter gegen seine früheren Kolleginnen und Kollegen, besonders Frau Merkel muss für seine Reformunfähigkeit herhalten. 

Diese habe mit ihrem rigiden Sparkurs die Volkswirtschaften ruiniert, dies wolle er sofort nach seiner Wahl verändern. Die Wirtschaft müsse durch staatliche Programme angekurbelt werden, dazu müsse die EZB die Notenpresse anwerfen, eine weitere Verschuldung spiele keine Rolle, so Berlusconi. Zudem wolle er die Gelder für eine Besteuerung von Eigentumswohnungen und Häuser, eingeführt im Zuge der Sparmaßnahmen, sofort als neuer Ministerpräsident an alle zurückzahlen. Solche Versprechen auf Pump haben natürlich Wirkung hinterlassen. Zunächst chancenlos, zeigen die letzten Umfragen, dass Berlusconi mächtig aufgeholt hat, zumal er ein glänzender Wahlkämpfer ist und sein Medienimperium bestens ihm dabei hilft. Mit welchen Maßnahmen die Europäer ansonsten mit einem Ministerpräsident Berlusconi zu rechnen haben, verkündet der Wahlkämpfer auf jeder Veranstaltung. Jedenfalls will er Deutschland aus der Währungsunion ausschließen, sollte Angela Merkel sich von dem europäischen Sparkurs nicht sofort verabschieden. Auch ein Austritt Italiens aus dem Währungsverbund sei durchaus möglich. 

Dass bei solchen Äußerungen den Europabefürwortern das kalte Grausen kommt, ein Austritt Italiens bestimmt das Ende der Währungsunion bedeutet, Italien ist immerhin der drittgrößte Netto Einzahler in die Haushaltskasse, vielleicht sogar die gesamte Einigung auf dem Spiel steht, ist jedem in Brüssel bewusst. Zwei Tatsachen sind den Staatsmännern in der EU aber dennoch klar, die sie relativ gelassen reagieren lassen. Zum einen ist Berlusconi noch nicht gewählt, zum anderen sind die markigen Worte auf den Wahlveranstaltungen kein Regierungsprogramm, das so strikt umgesetzt wird. Fakt ist jedoch, sollte der „Cavaliere“ tatsächlich gewählt werden, wird ein erheblicher Störfaktor in die Politik der Währungsunion, gar der gesamten EU einziehen. Die Linken und die gemäßigten Intellektuellen versuchen mit Bündnissen Berlusconi zu verhindern. Wie es letztendlich ausgehen wird, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen, denn viele Italiener entscheiden sich erst unmittelbar vor der Wahl. Wenn dann die Heilsversprechen des Multimilliardärs die Vernunft und die politische Realität verdrängt haben, wird noch viel mehr Überzeugungsarbeit in allen Ländern Europas geleistet werden müssen, denn wie auch die einzelnen Staaten sich positionieren, pro oder contra Europa, die Entwicklung der globalen Veränderung wird darauf keine Rücksicht nehmen.

 Peter J. König

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