Rezension: Samstagskolumne Peter J. König 08.12.2012

Geht Ägypten den Weg des Iran?

Allmählich scheinen sich die bösen Vorahnungen zu bestätigen. Ägypten driftet nur knapp zwei Jahre nach dem Fall Mubaraks erneut in eine Diktatur, die weit problematischer sowohl für das Land, als auch für die Region sein wird. Anfangs noch unscheinbar und den Ideen des arabischen Frühlings verpflichtet, entpuppt sich Mursi, der neue ägyptische Präsident und Vertreter der Moslembruderschaft als jemand, der die uneingeschränkte Macht an sich gerissen hat, per Dekret, indem er als Präsident die Verfassungsorgane und obersten Richter außer Kraft setzen ließ, aber jetzt nicht mehr, um dem Land mehr Demokratie und den Menschen mehr Freiheiten zu bringen, sondern um einen islamischen Gottesstaat zu installieren.

Vor wenigen Tagen hat er handstreichartig eine neue Verfassung vorbereiten lassen. Zur Abstimmung, welchen Inhalt das Verfassungswerk haben soll, sind allerdings nur die Vertreter der Moslembruderschafts-Fraktion erschienen, so konnte ohne Einschränkung das Rechtssystem der Scharia, der islamische Rechtscode durchgesetzt werden. Dies bedeutet, dass die strenge islamische Lehre zukünftig das Leben der Menschen in Ägypten bestimmen soll. Demokratische Regeln haben dann keine Gültigkeit mehr. Für die Fellachen auf dem Lande entlang des Nils ändert sich dadurch wenig, seit Jahrhunderten leben sie nach dieser Ordnung, eine Schulbildung oder gar Aufklärung nach westlicher Prägung haben sie nie bekommen.

Einzig das Militär war in der Lage in ihre Geschicke einzugreifen. War es einst König Faruk, der das Land mit absolutistischer Macht beherrscht, so ist es mit dem Putsch von Gamal Abdel Nasser das Militär, das mit despotischen Mitteln die Führung an sich gerissen hat. Diese Kaste hat sich über Jahrzehnte brachial an der Macht gehalten, die ägyptische Wirtschaft dominiert und korrumpiert und sich auf Kosten der Bevölkerung massiv die Taschen vollgestopft. Erst der Aufstand gegen Mubarak und der Schwenk des Militärs gegen die eigenen Generäle sollten dem Land eine neue Freiheit bringen. 

Die gebildeten Schichten in den Großstädten, oftmals mit einem Studium in Europa oder USA versehen, glaubten am Ziel ihrer Vorstellungen zu sein, einem modernen Ägypten nach westlicher Prägung, wo der Einfluss der Koranschulen mit ihren Gelehrten sich dem demokratischen Willen des Volkes unterordnen muss. Doch schon die Präsidentschaftswahlen haben gezeigt, dass die Moslembruderschaft einen starken Rückhalt bei den einfachen Menschen hat, so kam auch die Wahl von Mursi zustande. Allerdings hatte dieser vor der Wahl Kreide gefressen, er gab sich betont moderat, so dass auch die ägyptische Kaufmannschaft sich durchaus mit diesem Präsidenten anfreunden konnte. 

Für die einfache Anhängerschaft der Moslembrüder ist allein ein islamisches Staatsgebilde in Ägypten vorstellbar. Zudem war es wichtig ein starkes Gegengewicht zum Militär zu etablieren, denn viele Beobachter rechnen noch insgeheim mit einem erneuten Militärputsch, sollten sie zu sehr in ihrer Stellung und in ihren Privilegien beschnitten werden. Diesen Machtkampf jedoch hatte Mursi sehr bald für sich entschieden und die Amerikaner werden dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Jetzt entpuppte sich der Zurückhaltenden als der neue starke Mann in Ägypten und dabei werden die politischen Vorstellungen dieser Islamvertreter sehr konkret. 

Ziel ist der islamische Gottesstaat, in seiner Prägung nicht unähnlich dem im Iran. Die Opposition ist entsetzt. Erneut gibt es Großdemonstrationen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen, die auch schon wieder Tote zur Folge haben. Mursi ist nicht bereit den demokratischen Vorstellungen der Opposition entgegen zu kommen. Dadurch ist eine Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten nicht mehr gegeben. Ägypten ist zutiefst gespalten und in die Nähe eines Bürgerkriegs gerückt. Dies wiederum wäre erneut die Stunde des Militärs, die auf solche Gelegenheiten nur warten, um die Macht wieder an sich zu reißen.

Ein Sprecher der Militärführung hat dies auch vor wenigen Stunden in einer öffentlichen Presseerklärung unmissverständlich deutlich gemacht. Wenn sich die beiden Lager nicht auf eine gemeinsame Verfassung einigen können und weiterhin die Gefahr einer Spaltung der ägyptischen Gesellschaft besteht, gar ein Bürgerkrieg ausbrechen sollte, dann wird das Militär eingreifen, was so viel bedeutet, dass sie die Macht im Staat wieder übernehmen werden. Ihre Präsenz auf den Straßen Kairos spricht eine deutliche Sprache, soll aber bisher nur der Sicherheit der Bevölkerung dienen. So mancher aufgeklärte Ägypter denkt schon wieder darüber nach, ob diese Lösung nicht besser für die Entwicklung des Landes ist, als ein streng ausgerichteter muslimischer Religionsstaat, der Ägypten in archaische, diktatorische Verhältnisse zurückführt. 

Nach der Botschaft des Militärs ist Mursi angeblich bereit, auf die Opposition zuzugehen, der Verfassungsentwurf soll erneut verhandelt werden, dieses Mal unter der Mitwirkung der Oppositionellen. Während in Ägypten ein endgültiger Richtungsentscheid noch in weiter Ferne liegt, mit all den Unwägbarkeiten für den israelischen Nachbarn und die gesamte Region, scheint die Marschroute in Syrien festzustehen. Das Regime Assad steuert auf sein Ende zu. Die Aufständischen haben letzte Woche den Flugplatz von Damaskus lahmgelegt, eine wichtige Nachschublinie für den Machthaber. Zudem haben sich die Rebellen sowohl politisch als auch militärisch besser organisiert, wobei besonders entscheidend ist, dass die einzelnen Gruppierungen als gemeinsamer Machtfaktor auftreten, nicht unwesentlich für internationale Unterstützung. 

Assad scheut die offene Auseinandersetzung und beschränkt sich auf hinterhältige Attacken aus der Luft. Zu groß ist die Gefahr, dass bei direkten Kämpfen mit eigenen Toten, die Regierungstruppen von der Fahne gehen, also meutern, desertieren und zu den Rebellen überlaufen. Bei einem solchen militärischen Zustand sind die Tage von Assad gezählt. Spätestens jetzt sollte er über das Schicksal vom gepfählten Gaddafi in Libyen nachdenken. Wenn er erwischt werden sollte, wird sein Schicksal ähnlich grausam sein, die arabischen Rebellen werden keine Gnade kennen, in Hinblick auf die vielen Toten bei der Zivilbevölkerung des Landes. 

Zum Schluss noch ein wichtiges innenpolitisches Ereignis, das an diesem Sonntag bevorsteht. Es geht um Liebe, die bisher zwar eher unterkühlt, nun aber heiß und innig werden soll. Peer Steinbrück und die SPD wollen an diesem Sonntag in Hannover zeigen, dass auch sie gemeinsam zu einer solchen tiefen Herzensbindung fähig sind. Gemessen wird der Gefühlszustand an Hand der Zustimmungsprozente bei Steinbrücks Wahl zum Kanzlerkandidaten. Alles unter 90 % wäre ein Liebesschwur unter Vorbehalt. Dies können sich die Sozialdemokraten schon in Hinblick auf die verpatzte Eingangswerbung zu dieser Liaison nicht leisten. 

Steinbrück war bisher allein damit beschäftigt seine Vortragshonorare den SPD-Mitgliedern und der Bevölkerung zu erklären, anstatt aufzuzeigen, wie er seinen Auftraggebern aus der Banken- und Finanzwelt zukünftig die Gier austreiben will. Irgendwie eigenartig diese Konstellation, aber eine neue Liebe zwischen ihm und der Partei ist zu vielem fähig, man muss nur daran glauben. Angela Merkel hat es vor einer Woche an gleicher Stelle vorgemacht, wie so etwas geht, zwischen der Kandidatin und den Delegierten. Die Liebesbezeugung seitens der Mitglieder war so heftig, dass selbst die dauerunterkühlte Mecklenburgerin zu Tränen gerührt war, ein fast einmaliges Ereignis. Bei Peer Steinbrücks Nominierung habe ich da so meine Zweifel, es sei denn, der „Genius loci“ erfasst die Reihen der SPDler und ein Hauch von Angelas Beziehungshoch mit ihrer Partei weckt die nötige Euphorie um zu einem ähnlichen Abstimmungsergebnis zu kommen. 

Peter J. König

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