Samstagskolumne Peter J. König 20.10.2012

Wurde die freie Autorin Prof. Dr. Gertrud Höhler Opfer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens?

Normalerweise gestalten sich meine Kolumnen derart, dass zu Beginn die große Politik, sei es nach innen oder nach außen in den Wochenrückblick genommen wird. Gewöhnlich folgt zum Schluss noch etwas Gesellschaftskritisches für den Leser, denn dieses bleibt oft länger haften, als lautes politisches Geschrei, das am nächsten Tag von denselben Politikern schon wieder revidiert wird. Heute möchte ich aus gegebenem Anlass genau umgekehrt verfahren, denn ein spezielles Medienereignis in der letzten Woche ist der Grund, nicht nur über die politische Unabhängigkeit, sondern auch über die Verfahrensweisen in den Öffentlich-Rechtlichen, hier explizit dem ZDF nachzufragen, wenn eine unabhängige, politische Autorin eingeladen worden ist, die nicht mit den Wölfen heult, ganz im Gegenteil sich erlaubt, kritische Analysen über die Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Buch zu publizieren. 

Professor Dr. Gertrud Höhler war am Donnerstagabend Gast in der Talkrunde bei Marcus Lanz im ZDF, um zu ihrem neuen Buch "Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut" befragt zu werden. Abgesehen davon, dass Frau Höhler überhaupt nicht zu Wort kam, denn der Gnadenbrot- Empfänger von Merkels Gnaden, Edmund Stoiber fiel ihr sofort ins Wort, nachdem er schon eine halbe Sendung lang wortreich vor sich hin schwadroniert hatte und nun Herr Lanz sich auch endlich einmal aufraffte, die Literaturwissenschaftlerin nach den Thesen in ihrem neuesten Werk zu befragen. 

Stoiber versuchte sofort jegliche Argumentation von Frau Höhler zu unterbinden, sein Stil erinnerte dabei an niederstes Parteiengezänk in einem CSU-Ortsverband, wo man bekanntlich auch nicht zimperlich mit Andersdenkenden umgeht. Als Frau Höhler endlich zu Wort kam, um dem Bürokratienjäger in Brüssel, eine wunderbare Position um politischen Auslaufmodellen auch noch eine Plattform zu geben, damit sie in Talk-Shows eingeladen werden, die entscheidende Frage zu stellen, ob er überhaupt ihr Buch gelesen habe, wurde sie kurz abgemeiert: eins, zwei Rezensionen in "Zeit" und "Spiegel" würden ihm genügen, um sich ein umfassendes Bild zu machen, um das schändliche Machwerk zu entlarven.

Zu allem Überfluss krähte auch schon wieder ein Großmaul namens Stuckrad-Barre dazwischen, seines Zeichens Moderator einer neuen Talk-Show, weiß der Teufel wo, aber wahrscheinlich auch im Öffentlich-Rechtlichen, um mit hirnlosem Klamauk vergeblich junge Leute vor die Klotze zu ziehen. Offensichtlich hatte er die beiden Formate verwechselt, denn seine intellektuelle Höchstleistung gipfelte darin, Frau Professor Höhler zu belehren, was man so allgemein in den Medien hört, reiche völlig aus um ein Buch beurteilen zu können. 

Da bekanntlich mangelnde Intelligenz und Nichtwissen oftmals mit einem Mehr an Großspurigkeit und Frechheit ersetzt werden soll, begann dieses neue Medienwunder Frau Höhler lautstark zu attackieren, indem er ihre Reputation in Frage stellte, sie möge doch einmal ihre Beratungstätigkeit offen legen. Dies war ein gefundenes Fressen für den Politbeisser Stoiber. Jetzt konnte er seine Vasalentreue zu Angela Merkel beweisen. 

Trotz giftigster Attacken hat Frau Professor Höhler die Contenance bewahrt, sie hat klugerweise geschwiegen, obwohl es ihr sichtlich schwer fiel. 

An die Adresse von Herrn Lanz: Soweit hätte er es als Moderator nicht kommen lassen dürfen ! Weder ist es besonders chevalresque, wenn, wie im Laufe der Sendung schon absehbar war, zwei Scharfmacher nur darauf warten, sich auf Kosten einer fundiert, argumentierenden Dame zu profilieren suchen, um vielleicht im Kanzleramt zu punkten, noch ist es besonders fair Frau Höhler nicht den nötigen Respekt zu verschaffen, ihre Argumente ohne Störfeuer in Ruhe, aber auch in einem ausreichenden Zeitrahmen vortragen zu lassen. 

Die Sendezeit hätte es allemal hergegeben, wenn man das lächerliche Gestammel von Stoibers Reden im Archiv gelassen und anstatt dessen dem profilierten Gast, den ihm gebührenden Respekt hätte zukommen lassen. Aber vielleicht war das alles seitens der Redaktion gar nicht gewollt. Vielleicht war es ja überhaupt kein Zufall, dass Herr Stoiber in dieser Sendung neben Frau Höhler auftauchte, was sofort die Frage nach der Unabhängigkeit unserer öffentlich-rechtlichen Medien aufwirft?

Frau Professor Höhler sollte den langen Arm der „PATIN“ zu spüren bekommen, sie sollte erfahren, dass man in unserem Staat, und besonders in den staatseigenen Sendeanstalten nicht so ohne weiteres die mächtigste Frau in Deutschland kritisch hinterfragen darf. Alles dieses würden genau die Thesen bestätigen, die die unabhängige Autorin in ihrem Buch aufgeworfen hat. Insofern hätte die politische Botschaft von Frau Professor Dr. Höhler doch noch an diesem Abend die Öffentlichkeit erreicht. 

Soviel dazu, wenden wir uns anderen Problemfeldern zu, die in der letzten Woche ebenfalls unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben. Natürlich dürfen wir den Blick nach Syrien nicht vernachlässigen. Die Tatsache, dass es an der Grenze zur Türkei relativ ruhig geblieben ist, sagt überhaupt nichts über den Druck im Kessel dieses Konflikts aus. Das bestialische Abschlachten der Zivilbevölkerung durch Assad geht unvermindert weiter. Peter Scholl-Latour, der profunde Kenner der Lage in den arabischen Staaten im Nahen Osten, sagte diese Woche in einem Interview mit meinem Kollegen, dem freien Journalisten Ramon Schack aus Berlin, auf die Frage, wie lange sich der Syrienkonflikt noch hinziehen wird: das kann noch Monate dauern, zumal keiner weiß, wer oder was Assad nachfolgen wird, soweit Scholl-Latour. 

Mitnichten ist gesichert, dass geordnete Verhältnisse im Sinne der westlichen Welt in Syrien Einzug halten werden. Die christliche Glaubensgemeinschaft hält nicht zuletzt aus dem Grund an Assad fest, da sie als Minderheit in einem zukünftigen von moslemischen Politikern beherrschten Land, sowohl religiöse als auch wirtschaftliche Verbote fürchten muss. Das Beispiel Libanon zeigt, was passieren kann, wenn ein altes Machtgefüge ins Rutschen kommt und in der Folge sich keine politische Stabilität aufbauen lässt. Syrien ist ethnologisch nicht unähnlich in seinen Strukturen wie der Nachbar Libanon. Dieses lässt nichts Gutes erwarten nach Assad, zumal auch noch alle möglichen islamistischen Terrorgruppen vor Ort schon Fuß gefasst haben, die Großmächte aber sich völlig uneins sind, wie sich Syrien zukünftig geopolitisch einordnen soll. 

Jede Menge Konfliktpotential, sowohl regional als auch globalstrategisch steht dort im Raum. Deshalb sollte man sich nicht von ein paar vermeintlich entspannten Tagen täuschen lassen, die Lage ist und bleibt hochexplosiv.

Kommen wir zum Schluss zu meinem Lieblingsthema, der Vereinigung Europas, einer Geschichte mit unendlichen "ups and downs", bei der wir leider immer mehr ungelöste Probleme feststellen müssen. Der EU-Gipfel der letzten zwei Tage hat einmal wieder gezeigt, wie unendlich schwierig dieser Prozess der Annäherung der europäischen Staaten sich gestaltet. Glaubt man, ein gutes Stück Weges sei nun endlich geschafft, so zeigen gerade diese Gipfeltreffen, wie weit die Positionen bestimmter Staaten noch voneinander entfernt sind. 

Die Bankenkrise und die Staatsschuldenkrise verschärfen zu dem die unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen Länder. Frankreich und Deutschland ziehen immer seltener an einem Strang, was aber für die Integration in einen europäischen Staat, ohne den wir in der globalisierten Welt, mit neuen Mächten und Märkten uns nicht behaupten können, von entscheidender Bedeutung ist. Wieder einmal zeigt sich, dass Frankreich im Ernstfall ein Land mit romanischen Wurzeln ist und nur die Vernunft gebietet, den Schulterschluss mit dem germanischen Osten zu suchen. 

Im Herzen und in ihrer Kultur streben die Franzosen nach Süden. Der große französische General und Staatsmann Charles de Gaulle war es, der seinen Landsleuten immer wieder ins Gedächtnis rief, nicht nur politisch mit dem Herzen zu fühlen, sondern auch mit Verstand zu handeln. Für ihn war die Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland das elementare Fundament für ein zukünftiges gemeinsames Europa. Dies sollte Monsieur Hollande nicht vergessen, trotz aller taktischen Winkelzüge, die er versucht anzuwenden, um sich aus seinem wirtschaftlichen Dilemma zu befreien. Die Krise in Europa können wir nur gemeinsam lösen. Dazu müssen alle bereit sein, ihre angestammten Positionen zu verlassen, wir müssen endlich lernen als Europäer zu denken, gleichgütig wo wir gerade unsere heimatliche Region begreifen.

 Peter J. König

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