Samstagskolumne Peter J. König 01.09.2012

Buchenwald ermahnt zu einen gemeinsamen Europa.

Während die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und in der Welt sich weiterhin eintrüben, in unseren europäischen Partnerländern sind sie, wie in Frankreich, Italien und Spanien schon seit mehreren Quartalen rückläufig, hat unser Exportmotor hörbar zu stottern begonnen. Bewahrte uns bisher in der weltweiten Abkühlung der Wirtschaft, nicht zuletzt bedingt durch die europäische Staatsschuldenkrise, der Export davor, in die Rezession zu fallen, so zeigen die neuesten Zahlen der Auftragseingänge aus den aufstrebenden Wirtschaftsregionen, dass die Kraft dieses Vehikels spürbar nachlässt. 

 Jetzt müssen wir aus dem Binnenmarkt heraus unsere Wirtschaft so stabilisieren, dass zumindest noch ein geringes Wachstum erbracht wird. Ob dieses gelingt, ist doch sehr fraglich, da auch hier die Zahlen, nach einer Periode gesteigerten Binnenkonsums sich ebenso rückläufig präsentieren. Insgesamt müssen wir davon ausgehen, dass die Zeiten schwieriger werden. Erste Anzeichen sehen wir am Arbeitsmarkt, wo die Arbeitslosenzahlen im Juli wieder gestiegen sind, nicht markant, aber sie zeigen doch eine Veränderung des Kurvenverlaufs. Wie man aus der Wirtschaft hört, sind die Unternehmen mittlerweile wieder zögerlicher geworden, Neuanstellungen zu tätigen. Dabei gibt es auf der anderen Seite einen immer größer werdenden Bedarf an bestimmten Fachkräften, die das Reservoir an Menschen ohne ein festes Arbeitsverhältnis nicht decken kann. 

 Deshalb sieht man es seitens der deutschen Wirtschaft nicht ungern, wenn aus den südeuropäischen Ländern gut ausgebildete, junge Menschen, in ihrer Heimat chancenlos einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, den Weg in deutsche Unternehmen suchen. Hier ist man gerne bereit ihnen eine Anstellung zu geben, zumal auch die Integration keine Schwierigkeiten bereitet. Wir erleben hier ohne großes Aufsehen einen Akt der europäischen Vereinigung, denn in einem zukünftigen gemeinsamen, europäischen Staat ist es selbstverständlich, dass sich jeder seinen Arbeitsplatz in jeder europäischen Region frei suchen kann. 

Damit dies auch alles reibungslos funktioniert, müssen allerdings die Bedingungen für alle Regionen relativ gleich geschaffen werden. Es kann nicht angehen, dass ähnlich wie in Italien, der Norden reich und produktiv ist, während der Süden zu einem Armenhaus mutiert, mit all den schrecklichen Folgen, wie Mafia, Cosa Nostra und Ndrangheta. Auch gilt es frühzeitig darauf zu achten, die wirtschaftliche Balance richtig auszutarieren. Schon jetzt hört man erste Stimmen aus den Südländern, die einen Ausgleich für diese gut ausgebildeten Kräfte fordern, da sie sowohl die Ausbildung dieser Menschen finanziert haben, und außerdem diese Fachkräfte nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn die Wirtschaft vor Ort wieder anspringt oder neue entsprechende Wirtschaftszweige angesiedelt werden sollen. 

In Anbetracht der Tatsache, dass momentan irrwitziger Weise darüber öffentlich palavert wird, die Idee eines gemeinsamen Europa in die Tonne zu klopfen, den EURO mehr oder weniger abzuschaffen und zu einem Haufen von selbstsüchtigen Staaten zurück zu kehren, wie wir sie im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert erlebt haben, mit all den schrecklichen Folgen, möge man mich ja als illusionärer Spinner sehen, wenn ich hier über die Gerechtigkeitsmerkmale eines zukünftigen Europas nachdenke. Die Vernunft  jedoch und auch das Herz gebietet, nimmermüde für dieses überlebenswichtige Projekt einzustehen.  In den weiteren Zeilen möchte ich an Hand einiger Beispiele zeigen, welche unterschiedlichen Folgen sich aus den veränderten Bedingungen dieses Europa, auf dem Weg von der Separation bis hin zur möglichen Einheit ergeben haben.

Wir alle konnten Angela Merkels Auftritt in China verfolgen, wo sie die letzten drei Tage, mit der Hälfte ihres Kabinetts einen wichtigen Staatsbesuch absolvierte. Natürlich hat sie dort in erster Linie die Interessen unseres Landes vertreten, wenn man ihr nicht unterstellen will, dass sie primär ihre eigenen Interessen, zwecks der Wiederwahl im September 2013 im Auge hatte. Sowohl die Bilder als auch die Ergebnisse rechtfertigen ihr Ansinnen. Lassen wir in diesem Fall einmal das persönliche Interesse der Kanzlerin außen vor und konzentrieren wir uns auf die politischen Inhalte, so treten zwei wesentliche Komplexe dieser Reise in den Vordergrund, die beide etwas mit Deutschland, aber auch ebenso mit Europa zu tun haben. 


China soll sich an der Bewältigung der EURO-Krise beteiligen, dafür hat sich Angela Merkel mit ihrer ganzen Reputation stark gemacht. Anscheinend nicht vergeblich, denn China wird weitere Staatsanleihen von allen europäischen Staaten kaufen und damit nicht nur den Euro, sondern auch die kriselnden Länder stützen. Dies ist unzweifelhaft ein Erfolg der der gesamten EU zugutekommt, eindeutig ein gesamt europäischer Akt. Konkret wurde in Peking ein Vertrag über den Ankauf von sechzig Airbus-Flugzeugen unterschrieben. Auch dieses Projekt war kein Deutsch-Chinesisches Abkommen, sondern hier wurde durch die deutsche Delegation ein europäisches Konsortium vertreten. Nutznießer sind allerdings die Menschen in mehreren europäischen Staaten. Deutschland wäre allein gar nicht in der Lage ein solches Projekt Airbus zu stemmen. Folglich ist dies eine schöne Gemeinschaftsleistung, die unter anderem deutlich zeigt, wie wir als Europäer erfolgreich dem größten Mitbewerber in der Welt Paroli bieten, nämlich Boeing Industries. 

Ja, wir sind sogar momentan in der Lage auf dem Weltmarkt sie auf den zweiten Platz zu verdrängen. Airbus ist praktizierte Allianz, auf diesem Weg gilt es weiter zu arbeiten. Aus der Zeit, als Europa die schlimmsten Tragödien erleben musste, und man sich eine gemeinsame Zukunft, zumindest in Deutschland nur unter einer nationalsozialistischen Führung vorstellen konnte, mit den daraus resultierenden Kriegsverbrechen und Gräueltaten, der Ermordung von Millionen von Menschen in ganz Europa, ist ein Mahnmal erhalten geblieben, dem man eine ganz besondere  weltweite Bedeutung zukommen lassen will. 

Das Konzentrationslager Buchenwald, wohl eines der unmenschlichsten Beweise unserer deutschen Geschichte, soll zum fortwährenden Gedenken an den menschlichen Niedergang zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben werden. Unzweifelhaft hat diese Stätte des Grauens auch etwas mit Europa zu tun. Nicht nur sind hier eine Unzahl von Menschen unschuldig, aus ganz Europa stammend, grausam getötet worden, sondern hier wurde mit den perfidesten Mitteln gezeigt, wie die Deutschen mit den Menschen aus anderen Ländern, anderen Kulturen, anderen Religionen und anderen politischen Anschauungen umgegangen sind und was sie von ihnen gehalten haben. 

Damit sich dies  nie mehr wiederholt, ist es so wichtig, dass die Gedenkstätte „Konzentrationslager Buchenwald“ einen solchen Stellenwert im Bewusstsein unseres globalen Kulturdenkens erhält. Uns Deutsche soll es immer daran erinnern, die Humanität als oberstes Gebot unseres politischen und kulturellen Handelns anzusehen. In einem gemeinsamen Europa wäre das Lager Buchenwald, mit seiner gesamten Tötungsmaschinerie nicht entstanden, davon bin ich fest überzeugt. Wer einmal in Buchenwald gewesen ist, um sich bewusst zu machen, wie Menschen mit Menschen umgegangen sind, wird seine Einstellung zu seinen Mitmenschen verändern, aber auch sein Bewusstsein zu unserer jüngeren, deutschen Geschichte, bis hin zu den Ereignissen mit dem braunen Sumpf der Neonazis und deren Mordtaten. Es ist ein roter Faden, der sich von Buchenwald bis zu den heutigen braunen Terrorzellen hindurchzieht. Es wird höchste Zeit, dass er endlich abgeschnitten wird. 


Mein Leben lang werde ich nicht vergessen, wie meine Frau und ich vor einigen Jahren, zum Anlass von Goethes 250igstem Geburtstag nicht nur dieses prachtvolle, kulturelle Ereignis in Weimar miterlebt haben, sondern wir auch mit dem öffentlichen Bus auf den Ettersberg fuhren, einem Stadtteil von Weimar, wo das Konzentrationslager errichtet worden ist. Eben noch in der Hochblüte der deutschen Kultur war man nach kurzer Fahrt durch den Wald an dem Ort angekommen, an dem sich Menschen ihrer menschlichen Würde durch ihre Handlungen entledigt haben. 

Goethe hatte einst den Blick vom Ettersberg in die Landschaft als das Erleben der unendlichen Freiheit bezeichnet. Wir fanden nur einen entseelten Ort vor, ein Lager des Grauens und einen Punkt, der in uns großes Leid und tiefe Traurigkeit auslöste. Wie benommen fühlte ich mich in einer anderen Welt, unendlich weit weg von dem kulturellen Weimar, versetzt in diese schlimme Zeit. Noch nie habe ich die Wirkung eines Ortes so eindringlich gespürt, wie hier im Lager bei einem Rundgang durch die Vernichtungsmaschinerie. Es war grauenhaft und niederschmetternd zugleich. Nirgendwo in meinem Leben wurde mir mehr klar, wie wichtig es für unsere und die kommenden Generationen ist, dafür zu sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt, aber dass auch das Andenken an die vielen geschundenen Menschen hier und in allen furchtbaren Lagern dieser Welt hochgehalten wird. Wir sind es um der Menschen willen schuldig, also um uns selbst.

 Peter J. König

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