Samstagskolumne Peter J. König vom 31.03.2012

Ist die SPD in ihrer Gesamtheit verunsichert oder  hatte Kurt Beck nur einen schlechten Tag?
Es ist unglaublich, wie dreist sich Spitzenpolitiker von den etablierten  Parteien  im Fernsehen sich hinstellen, und sich lauthals mit großer Gestik sowie mit viel Pathos  als Retter der "kleinen Leute" sich gerieren, ohne den Versuch zu unternehmen, wenigstens  ein bisschen objektive Aufklärung zu betreiben. Mittlerweile scheint jede Bühne dieser abgehobenen Politkaste recht zu sein, ihre perfiden Propagandatricks  öffentlich zu zelebrieren, selbst wenn es um das Schicksal von Menschen geht, die nicht das Glück hatten, vom Dorfbürgermeister im hinteren Rheinland-Pfalz mittels Parteianhänglichkeit und theatralischem Redeschwall bis in die erste Reihe der SPD gespült worden zu sein.

So geschehen am Donnerstagabend,  wo in der Talkshow  von Frau Illner im ZDF der rheinland-pfälzische Ministerpräsident  Kurt Beck erst den Hampelmann gab, der sich Diven ähnlich nicht von seinem Nachbarn am Ärmel  berühren lassen wollte, als dieser ihn darauf aufmerksam machte, er solle mal  sein Gegenüber ausreden lassen, um dann in weinerlichem Ton, den Tränen nahe, das Schicksal der elftausend entlassenen Frauen von Schlecker zu beklagen. Dabei verwies er auf die kalten, menschenverachtenden Entscheidungen der drei  F.D.P. geführten  Wirtschaftsministerien  in den Bundesländern, die nicht bereit waren eine Bürgschaft von 70 Millionen mit zu tragen, um so eine Auffanggesellschaft  für diese Schleckermitarbeiter  zu gründen, damit sie für ein weiteres Jahr eine Pseudoanstellung  inne haben,  um  so noch ein abgespecktes Entgelt zu beziehen.

Tatsache ist, dass diese Menschen faktisch damit auf ein Abstellgleis geschoben werden, sie aus den Schlagzeilen verschwinden und die Damen und Herren Politiker, die diese Sackgasse unter großem Getöse gebastelt haben, sich ihrer ach so großen Verantwortung für das einfache Volk rühmen können, was sich anschließend  hervorragend für die anstehenden Wahlen ausschlachten lässt.  Dass es zur Zeit jedoch eine viel effektivere und auch nachhaltiger Lösung  für diese eh schon gebeutelten, ehemaligen Angestellten von Schlecker gibt,  wurde von Beck noch nicht einmal im Ansatz zur Kenntnis genommen.

Momentan sieht es so aus, dass der Arbeitsmarkt einen größeren Bedarf an geschultem Verkaufspersonal sucht, die großen Handelsketten haben dies bereits öffentlich gemacht. In dieser Situation wäre es geradezu unverantwortlich, wenn man diese Chance  für die Schlecker-Leute verstreichen lassen würde, sie wieder in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln und sie in die Sackgasse der Auffanggesellschaft getrieben hätte. Alles dieses  haben wir schon einmal erlebt, als Gerhard Schröder, der Basta-Kanzler, vollmundig bei Philipp-Holzmann in Frankfurt/M. versprach die Arbeitsplätze zu retten, das Unternehmen mit Steuergelder subvensionierte  und schließlich nach dem Totalabsturz von Holzmann, die Mitarbeiter  in einer Auffanggesellschaft landeten und am Ende doch die Arbeitslosigkeit  eintrat.

Wertvolle Zeit war unterdessen verstrichen, in der man die Menschen in andere Arbeitsverhältnisse hätte vermitteln können. Zum Schluss blieb den meisten Arbeitnehmern  nur die Dauerarbeitslosigkeit. Schröder aber hatte seinen starken Auftritt und versuchte damit  Allmacht zu vermitteln. Leidtagende waren aber wie immer die "kleinen Leute". Schröder hat sich bei ihnen nie mehr blicken lassen.

Bei Beck verstehe ich das Verhalten überhaupt nicht. Seine Zeiten als Kanzlerkandidat  sind  schon Lichtjahre  vorbei, wenn er überhaupt jemals eine Chance hatte. Aber   wahrscheinlich sind dies eingespielte Muster, denen sich ein Politveteran nicht entziehen kann. Doch muss es gleich immer so theatralisch sein?

Dann der Auftritt eines kasperhaften Piraten aus dem Berliner Abgeordneten Haus.  Eine einzige Peinlichkeit, die offenbart, dass diese Jungen und Mädels noch viel lernen müssen, zumindest sich das faktische  Wissen anzueignen, dass nun einmal dazu gehört, um Sachverhalte zu erkennen, und um vernünftige Lösungen zu erarbeiten. Gegen Offenheit und Transparenz ist überhaupt nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, aber dieses   allein genügt nicht. Sachkenntnisse sind unbedingt von Nöten. Diese Mängel kann man nicht mit Clownerien überspielen.

Sichtbar verlor Frau Illner die Lust dem jungen Politiker weitere Fragen zu stellen. Für mich ist es ohnehin ein Rätsel, wie die Wähler der Piraten sich vorstellen, wie diese dauerhaft ernsthafte  Politik machen wollen?  Oder geht es am Ende dieser Klientel gar nicht um pragmatische Politik, sondern viel mehr um Protest gegen die allzu Etablierten im Politikbetrieb, also auch gegen Beck, der sich sichtlich durch die  Schnodrigkeit  des  Berliner Piraten heraus gefordert fühlte?  Ein bisschen mehr Gelassenheit hätte ihm gut zu Gesicht gestanden, oder  fühlte sich König Kurt gar in seiner Allmacht verletzt?

Die eine oder andere vernünftige Frage des jungen Mannes  versuchte er nur mit beißendem Spott zu ersticken: Da ging es nämlich um wirtschaftliche Pleiten, die er in Rheinland-Pfalz mit zu verantworten hat. Vielleicht liegt dem Ganzen aber viel mehr zugrunde?  Vielleicht ist die SPD schon jetzt so verunsichert, weil sie die wachsende Stärke der Piraten nicht einschätzen kann, weil sie nicht weiß, wie das Erstarken dieser politischen Kraft in den Ländern, also demnächst in Schleswig-Holstein und dann in Nordrhein-Westfalen, aber auch bei der nächsten Bundestagswahl sich auf ihre Blütenträume von Ministerpräsidenten und Kanzlerschaft auswirken wird?

Alles in allem war diese ganze Sendung ein glatter Reinfall und ich habe die Moderatorin noch nie so hilflos gesehen. Sie hatte komplett die Führung verloren, zumal zu dem angekündigten Thema "Sparzwänge", so gut wie nichts beigetragen wurde. Lediglich der Kölner katholische Priester konnte intelligente  Beiträge dazu leisten, und dieses auch noch in der unnachahmlichen Weise eines Kölner Originals.

Während man im Fernsehen über Sparmaßnahmen diskutiert,  werden  in Brüssel  monetäre Firewalls, wie dies auf Neudeutsch heißt, errichtet, deren gigantische Höhen bis zum Himmel zu reichen scheinen. Wehe wenn diese Billionenwände in nicht allzu ferner Zukunft zusammen krachen und uns alle begraben, dann wird man wieder anfangen in überschaubaren Dimensionen zu denken, und dem Welt umspannenden  Raffketum  den   Garaus machen, denn dieses ist die Ursache, dass  die "Feuerwälle" notwendig sind, um dieses Gesindel vom Spekulieren mit unseren Staatsanleihen abzuhalten.



Peter J. König


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen