Samstagskolumne Peter J. König, 18.2.2012

Endlich ist die Hängepartie zu Ende.
Ein unrühmliches Kapitel der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist um 11 Uhr am 17. Februar 2012 zu Ende gegangen, nämlich durch den Rücktritt des amtierenden Bundespräsidenten. Noch nie  in der Nachkriegszeit hatte eine Staatsanwaltschaft angekündigt, die Aufhebung der Immunität eines Bundespräsidenten zu beantragen.
Dieser ungeheuerliche Vorgang zeigt jedoch, dass die demokratischen Spielregeln in unserem Land funktionieren. In diesem Zusammenhang möchte ich der Staatsanwaltschaft Hannover ein „Hut ab“ zurufen, da sie nicht nur für unsere Demokratie  den unbestrittenen Nachweis erbringen, dass die Gewaltenteilung  funktioniert, sondern sie haben auch ein großes Stück Glaubwürdigkeit für das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover  zurückgebracht. 

Es ist doch nicht alles Klüngel an der "Leine", darf positiv festgestellt werden.
Dabei ist diese Aktion für die agierenden Staatsanwälte wie ein Ritt auf der Rasierklinge. Nur allzu genau wissen sie, dass bei einem nicht haltbaren Anfangsverdacht, sie gleichzeitig ihre Karrieren beerdigen. Deshalb ist davon auszugehen, dass gravierende Erkenntnisse vorliegen, die ein Ermittlungsverfahren rechtfertigen. Alles Weitere wird die Zukunft zeigen. Wir wissen ja, dass nach unserer Rechtsordnung die Unschuldsvermutung  besteht,  die Ermittlungen dazu dienen, nicht nur belastendes, sondern auch  entlastendes Beweismaterial zu erbringen. Nach dem Rücktritt steht diesem  Procedere ab heute nichts mehr im Wege,  da gleichzeitig die Immunität für Herrn Wulff aufgehoben ist. Ab sofort kann zügig aufgeklärt werden.
Dies ist aber nur die eine, zugegebenermaßen sehr wichtige Seite dieser Staatsaffäre. Ebenso bedeutend  sind das Ansehen des Amtes des Bundespräsidenten und damit die Wirkung, die von diesem Amt ausgeht. Deshalb ist es so wichtig, dass beides übereinstimmt, nämlich die Würde des Amtes und die Würde der Person, die dieses Amt innehat.
Hier liegt die Problematik der vergangenen Wochen, da zusehends klarer wurde, dass beide Fixpunkte kontinuierlich auseinandergedriftet  sind, dass allein durch die Fülle der Vorwürfe und die damit verbundenen Diskussionen, ein Aussitzen im Amt entwürdigend ist. Hier hat Herr Wulff seine letzte Glaubwürdigkeit verspielt, da er nicht konsequent gleich zu Beginn seiner Argumentationen seinen Hut nahm, sondern sich in abenteuerliche und die Zuhörer beleidigende Erklärungen flüchtete, da er sie einfach für dumm verkaufen wollte.
In diesem Zusammenhang scheint es dringend geboten, nach Aufklärung aller vermeintlichen Tatbestände, über den Charakter und die Psyche des ehemaligen Staatsoberhauptes zu forschen, damit bei zukünftigen Bewerbern für das höchste Staatsamt schon im Vorfeld entsprechende Erkenntnisse miteinfließen können.
Wenn ich die einzelnen Verhaltensmuster des Herrn Wulff im Nachhinein Revue passieren lasse, so fällt auf,  dass dieser Herr doch auf sehr dünnem Eis dahergekommen ist, nicht Kraft seiner eigenen Persönlichkeit, sondern Kraft des Willens der Kanzlerin. Bestimmt hat sie in einer ruhigen Minute jetzt sich selbst schon gefragt, was sie geritten hat, eine solche Entscheidung zu treffen. Allein die Suche nach dem Schulterschluss mit allen anderen Parteien im Bundestag, außer den „Linken“, deutet darauf hin,  dass sie um eine Erkenntnis reicher geworden ist.
Im Gegensatz zu vielen Medien und hier speziell des Boulevards  war ich stets der Meinung, dass dieses Amt sich nicht für Glamour und Selbstdarstellung eignet, sondern vielmehr für intellektuelle Denkanstöße, Glaubwürdigkeit, Herzlichkeit und der Fähigkeit und Geduld zuzuhören, aber auch den Mut zu haben unbequeme Wahrheiten zu sagen, wenn sie dazu dienen, das Land nach vorne zu bringen, die Menschen miteinander zu versöhnen und eine positive Richtung vorzugeben.
Wenn selbst in den seriösen Medien mehr darüber geschrieben wird, welch „bella figura“ das Präsidentenpaar abgibt, anstelle über Denkanstöße für das gesamte gesellschaftliche Spektrum zu berichten, dann kann man getrost von einer Fehlbesetzung sprechen.
Es gibt jedoch eine neue  Chance. Die richtige Person an diesem überaus wichtigen Ort und wir werden wieder überwältigende Zahlen der Zustimmung erleben, wie einst bei den Wahlen von Richard von Weizäcker, der jeweils im  ersten Wahlgang mit 80,0 bzw. 84,9 % gewählt worden ist und damit die größte Zustimmung aller Bundespräsidenten erreicht hat. Hier hat es einfach übereingestimmt, das Amt und die Person.
Erneut ist es überaus wichtig, auf die Ereignisse in Syrien hinzuweisen. Assad, der blutrünstige Schlächter ist dazu übergegangen, die Bevölkerung willkürlich zu ermorden. Dabei macht er vor nichts und niemandem Halt. Er lässt Städte bombardieren, Panzer durchkämmen anschließend die Stadtteile, so geschehen in Homs, einer der größten Städte Syriens und die Hochburg der Aufständischen.  Allerdings auch auf dem Land ist die Bevölkerung vor der Soldateska des Assad-Clans nicht sicher. Bauern werden mit ihren Kindern auf den Feldern erschossen. Schon längst hat sich eine Befreiungsarmee gebildet, die permanenten Zulauf von desertierenden Soldaten der regulären Armee bekommt.
Das Land scheint unmittelbar vor einem blutigen Bürgerkrieg zu stehen. Die UNO-Vollversammlung hat zwar erst gestern mehrheitlich die syrischen Machthaber verurteilt. Dies hat jedoch keinerlei militärische  Folgen, da es sich hierbei lediglich um einen symbolischen Akt handelt. Nur der Sicherheitsrat könnte einstimmig militärische Aktionen beschließen, jedoch haben sich Russland und China dagegen ausgesprochen.
Insgesamt und da ist sich die Weltgemeinschaft einig,  die Lage in Syrien ist sehr besorgniserregend. Welche Interessen in diesem Land aufeinanderprallen, habe ich in meiner vorletzten Kolumne schon dargestellt. Hinzu aber kommt das Engagement von "al –Qaida", die zur Unterstützung  der Aufständischen aufgerufen haben. Die Rolle dieser Terrororganisation in diesem Konflikt ist bislang nicht klar zu erkennen. Fakt ist, dass diese Terroristen versuchen werden, ihre Machtbasis auf dieses Land auszudehnen, da solche Unruhen sich für Ihre Machenschaften bestens eignen. Zwangsläufig wird sich das Bedrohungspotential für diese Region gewaltig erhöhen.
Wenn also der amerikanische und der deutsche Verteidigungsminister bei einem Treffen in Washington von einer sehr ernsten Lage sprechen, dann ist davon auszugehen, dass ihnen entsprechende Erkenntnisse vorliegen. Es gibt viele Stimmen, die eindringlich vor einer Eskalation in Syrien warnen, mit unkontrollierbaren Folgen für den gesamten arabischen Raum. Hier müssen friedenschaffende Maßnahmen getroffen werden und zwar von der gesamten Völkergemeinschaft. Ein Flächenbrand könnte apokalyptische Ausmaße annehmen.
Zum Schluss noch  zu einem Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt. Am 22. Februar jährt sich zum 69. Male der Tag der Hinrichtung der Geschwister Scholl durch die Nazis. Weil sie in der Münchener Universität  Flugblätter gegen das Nazi-Regime verteilt hatten, wurden Hans und Sophie Scholl nebst einem weiteren Freund, Christoph Probst,  von Freisler, dem Mordbuben der NS- Justiz zum Tode verurteilt.
In Anbetracht der Tatsache, dass wir  noch immer unter der verbrecherischen Ideologie dieser Größenwahnsinnigen leiden, ich darf aufzählen: die Morde der Zwickauer Zelle, die Umfragen bezüglich ganzer sympathisierender Bevölkerungsgruppen, das undurchschaubare Verhältnis des Verfassungsschutzes zu Neonazi-Gruppierungen, ist es dringend notwendig, den Mut und die Überzeugung dieser drei jungen Menschen immer wieder publik zu machen und zwar in der Form, dass das primitive Gedankengut dieser Irrgeleiteten ein überzeugendes Gegengewicht erhält.  
Bei einem Blick zurück in die dunkelste Zeit unserer Geschichte sind diese drei jungen Studenten neben einigen wenigen anderen bekannten Widerständlern der einzige humane Lichtblick, der aus dieser düsteren Zeit zu uns herüber scheint. Ich kann nicht verstehen, dass diese Aufrechten  nicht in einem weit größeren Maße in unserem Bewusstsein   sind und in unserer gesamtstaatlichen Erinnerung  geehrt werden.  Welch leuchtende Vorbilder für Mut, humanes Denken  und Standhaftigkeit gegenüber einer übermächtigen Gräueljustiz. Was wäre die deutsche Geschichte ohne diese wunderbaren Menschen, die ein wenig Hoffnung geben für die finstersten Zeiten der Vergangenheit. Sie sind der Beweis, dass der Mensch nicht nur böse ist, sondern dass selbst in der Zeit der größten Verbrechen an der Menschheit es immer noch Personen gab, die an das Gute im Menschen glauben lassen.  Dies ist die Botschaft, die von diesem 22. Februar 1943 ausgeht.
Peter J. König

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