Samstagskolumne Peter J. König, 7.1.2012

Ist Christian Wulff zu blauäugig?

Dies ist der Auftakt des Jahres 2012, gleichwohl müssen wir uns aber weiterhin mit den Themen des alten Jahres befassen, sogar in verstärktem Maße.

Gerne hätte Bundespräsident Wulff erlebt, dass die Weihnachtspause ihm das Geschenk des Schweigens, des Vergessens und die Rückkehr zur Normalität gebracht hätte. Dem aber ist nicht so, ganz im Gegenteil. Die Aufdeckungen des Jahres 2011 um seine Hauskredite, seine Urlaubsreisen, seine familiären Veränderungen in früheren Zeiten waren „Ponyhof“, um in den Worten unserer Familienministerin Schröder zu sprechen, eigentlich eine sonderbare Wortwahl im politischen Geschäft, denn dies alles war nur der Aufgalopp für kommende Enthüllungen.


Der kluge Fuchs Seehofer hat erst gestern bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth verlauten lassen, dass in diesem Jahr 2012 die Weichen gestellt werden, ob es gelingt bei der Bundestagswahl 2013 zu reüssieren. Vorsorglich hat er schon einmal dem Koalitionspartner F.D.P. kollegiale Unterstützung und positive Aufmunterung zugesprochen.


Er wird ahnen, welche Dimensionen die Affäre Wulff noch annehmen kann, mit geradezu verheerenden Folgen für Merkel und ihn als ehemalige Königsmacher, denn zu Anfang des Jahres 2012 beginnen sich allmählich die Nebel um das Präsidentenehepaar zu lichten.


Neue Fakten verbinden sich mit bekannten Puzzleteilen. Die Medien, aber auch die Menschen unseres Landes haben angefangen genauer auf diese „causa“ zu blicken, wo es Wulff doch in den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit allmählich gelungen ist, sein Schwiegersohnimage und den Protektionsgeruch durch Frau Merkel zu verringern, dafür jedoch mehr als junger Bundespräsident nebst attraktiver Gattin wahrgenommen wurde.


Dafür sind die beiden Protagonisten jedoch eine gefährliche Liaison eingegangen. Sie haben sich mit dem Boulevard eingelassen und dazu, was vielleicht noch viel gravierender einzuschätzen ist, es hat sie in den Dunstkreis der „Reichen und Schönen“ gezogen, ein absolut gefährliches Pflaster, wo die Spitzenliga der Intriganten und Falschspieler, Hochstapler und Lügenbarone zuhause ist. Gegen diese Spielwiese ist das politische Tretminenfeld tatsächlich „Ponyhof“, um weiterhin im Duktus von Frau Schröder zu bleiben.


Hier treffen sich die erfolgreich Examinierten und nicht Erstsemester, wie auf der politischen Bühne. Ruhm und Anerkennung suchen auch die Politakteure. Dies ist zweifellos eine bedeutende Triebfeder für ihr Handeln. Wenn es aber um das große Geld geht, dann wird es für unsere gewählten Volksvertreter gefährlich.


Hier kennen sich die großen Jungs bestens aus. Die allermeisten von ihnen haben es bewiesen, wie man an das große Geld kommt, „Maschi“ lässt grüßen und dabei dürfen sie nicht zimperlich sein, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


Dies ist die Herausforderung, der sich Christian und Bettina Wulff gestellt haben, wie eindrucksvoll die „Bunte“ zu berichten weiß, wobei ich jedoch sagen muss, dass das Biedermannimage von Herrn Wulff auch durch das feinste dunkelblaue Tuch nicht ganz verschwindet und erneut voll aufleuchtet, wenn er mit reumütigem Blick und Büßerhaltung absurde und in sich unlogische Statements im „Öffentlich-Rechtlichen“ abgibt. Dies führt zu der Frage, seit wann ein Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland privat ein sichereres Gelddepot als z.B. eine Sparkasse, eine Volksbank oder die Deutsche Bank sein soll, damit eine befreundete Unternehmersgattin ihre 500 000 Euro dort in diesen Krisenzeiten sicher anlegen kann?


Alles dieses führt auf das aalglatte Parkett der "Reichen und Schönen", eine Ebene, die für Christian Wulff möglicherweise zu hoch und zu gefährlich ist und außerdem scheint er zu blauäugig durch sein politisches Leben gelaufen zu sein, wenn man seinen Äußerungen in dem besagtem Interview Glauben schenken darf, bezüglich seiner großzügigen Freunde in Millionärskreisen.


Doch möglicherweise ist dies vielleicht gar nicht die Welt des Christian Wulff . Bis zu seiner Eheschließung mit seiner heutigen Frau Bettina ist er jedenfalls in jener Rolle nicht aufgefallen, ganz im Gegenteil, da war er doch immer Muttis Liebster. Mit dem Wechsel der Ehefrau ging auch ein Imagewechsel daher. Neues Erscheinungsbild, neue Bühne, zumindest privat und vielleicht auch die eine oder andere neue Freundschaft in neuem Umfeld.


Hoffentlich geht es ihm da nicht so, wie einst dem jungen Mann, der über vier Jahrzehnte Muttis Liebling war, sich eine attraktive Freundin zugelegt hat, mit der Folge, dass er Muttis Gunst verloren hat und in ihrem Leben keine Rolle mehr spielte, bis hin zu den Erbschaftangelegenheiten, so eine authentische Geschichte.
Sollte es für Wulff ähnlich kommen, wird sich zeigen wie „Maschi“ mit guten Freunden umgeht, ob Wulffs nächstes Buchprojekt auch wieder gesponsert wird.


Gesponsert wird, so ist zu lesen, jedenfalls die schöne Robe der Bundespräsidentengattin. Ob daraus neue Enthüllungen entstehen, bleibt abzuwarten. Ebenfalls bleibt abzuwarten, welche Unterstützung gute Freunde noch weiterhin für den ehemaligen Ministerpräsidenten und das Aufsichtsratsmitglieds von VW geleistet haben.


Da allerdings kommt ja nichts mehr, wie er selbst im Fernsehen betont hat. Man darf skeptisch sein , ich benutze hier bewusst die Formulierung „man“, denn auch dieses unpersönliche Wort hat Wulff bei dem verschwurbelten Interview gebraucht, wenn er von sich selbst sprach, man darf skeptisch sein, denn eines ist jedem Mann in der Liga der "Reichen und Schönen" klar, glamouröse Frauen sind teuer. Schönheit und Ausstrahlungskraft hat seinen Preis. Da gibt es nichts geschenkt in diesem Leben und auf dieser Bühne ohnehin nicht.Hoffentlich ist der Bundespräsident wenigstens nicht in diesem Punkt blauäugig.



Wenn wir bislang über vielleicht taktisch unkluges Verhalten von Christian Wulff in Bezug zu dem höchsten Staatsamt der Republik gesprochen haben, so sind wir jetzt an dem Punkt angelangt, die seinen Rücktritt zwingend notwendig macht, wenn sich bestätigt, was im Raum steht, dass er versucht hat, dem Chefredakteur der Bildzeitung Kai Diekmann die Pistole auf die Brust zu setzen, um einen Zeitungsartikel zu seiner Privathausfinanzierung zu verhindern, dann hat er das Amt des Bundespräsidenten beschädigt, dann sind sofortige Konsequenzen geboten und zwar von ihm selbst, damit er seine Persönlichkeit nicht gänzlich aufgibt, indem er die Würde des Amtes wieder herstellt. Dies ist er dem Land und sich selbst schuldig.


Aktuell gibt es wohl noch Auslegungsdifferenzen zwischen Wulff und Diekmann, eine Veröffentlichung muss hier Klarheit schaffen. Nebenbei gesagt, ist es verwunderlich, wie ein Bundespräsident einen Chefredakteur einer Boulevardzeitung, den Vorstandsvorsitzenden der Verlagsgruppe, ja selbst die Eigentümerin kontaktiert hat, um Recherchen nach seinem „Häuslekredit“ zu unterbinden oder zumindest zu beeinflussen. Dies alles ist sehr eigenartig und ich kann mir nicht vorstellen, dass Richard von Weizäcker oder auch Roman Herzog ähnlich gehandelt hätten, geschweige denn Gustav Heinemann oder gar Theodor Heuss.


Christian Wulff will aber nach eigenen Aussagen noch „Bundespräsident lernen“, wo dieses Amt doch so erheblich bedeutender zu seinem vorherigen als Ministerpräsident ist. Dies lässt den Rückschluss zu, dass Telefonate dieser Art für ihn als Ministerpräsident durchaus üblich waren.


Welches Demokratieverständnis liegt hier eigentlich vor?


Alles in allem haben sich dunkle Wolken über Schloss Bellevue zusammengezogen. Dieses haben das Amt und die Kulisse nicht verdient, zumal die Deutschen sich eine absolut vertrauenswürdige, ja moralisch makellose Persönlichkeit als Staatsoberhaupt wünschen. Trickser, Abzocker und Egoisten kennen sie zur Genüge im täglichen Leben.


Vielleicht sollte Angela Merkel dem amtierenden Bundespräsidenten zu verstehen geben, dass im Interesse des Amtes, aber auch für ihre persönliche Glaubwürdigkeit ein schneller Rückzug von Christian Wulff von Nöten ist, um dem deutschen Volk das zu geben, was sie sich alle wünschen, eine Respektsperson ohne Wenn und Aber, mit höchsten moralischen Wertvorstellungen und großer Ausstrahlung, vielleicht auch im Konsens über alle Parteien hinweg.


Dies ist möglicherweise der Sinn von Seehofers Aussage, dass die Weichen 2012 gestellt werden, denn dann könnte Frau Merkel den neuen Bundespräsidenten auf ihrer Habenseite verbuchen.


Zum Schluss erneut ein Wort zu meiner verlorenen politischen Heimat: Auf dem Dreikönigstreffen haben sich die letzten verbliebenen Parteimitglieder der F.D.P. im Stuttgarter Theater getroffen. Beobachter haben dabei festgestellt, dass noch viele Plätze leer geblieben sind.

Peter J. König


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