Samstagskolumne Peter J. König, 29. Oktober 2011

Stehen wir am Vorabend einer irgendwie gearteten Revolution?

Bevor wir uns noch einmal mit der Schuldenkrise und den Beschlüssen von dem Brüsseler Gipfel am letzten Mittwoch befassen, gilt es vorab jedoch sich mit einer höchstrichterlichen Entscheidung auseinanderzusetzen, die Anfang letzter Woche verkündet wurde und die endlich etwas Ordnendes in die Niederungen des Internets bringen könnte.

Der Bundesgerichtshof hat nämlich entschieden, der Anonymität im Netz gewisse Grenzen zu setzen, damit die Benutzer von "Phantasienamen" nicht wahllos Beleidigungen und falsche Anschuldigungen im Netz verbreiten können, ohne dass man ihnen auf die Spur kommen kann und sie zur Rechenschaft gezogen werden können. Die obersten Richter haben entschieden, dass im Falle einer anonymen Attacke, respektive Ehrabschneidung der Betroffene über den Betreiber der Plattform, eine Klärung mit dem Verursacher verlangen kann und wenn dieses nicht geschieht, die Löschung durch den Plattformbetreiber sofort durchzuführen ist.

Endlich sind erste Schritte möglich, um diesen Dummschwätzern, selbst ernannten Oberlehrern, Besserwissern und Lügenverbreitern hinterherzugehen, um ihr idiotisches Handeln zu unterbinden, da sie bislang glaubten über "Fake-Accounts" sich alles erlauben zu können, sie fühlten sich ja in ihrer selbst gewählten Anonymität sicher. Dabei haben die allermeisten dieser "Hirnis" deutlich gezeigt, wessen Geistes Kind sie sind und welches "Charakterschwein" in ihnen steckt. Wer oft im Netz unterwegs ist, weiß allzu genau, was ich damit meine.

Endlich kommt Transparenz ins Netz. Doch dies kann nur der Anfang sein, denn die Offenlegung der Personalien der Handelnden sollte jederzeit gewährleistet sein, denn in der virtuellen Welt gelten die gleichen Gesetze wie in der Realität. Der Tatbestand der Beleidigung oder Nötigung zum Beispiel muss genau so verfolgbar sein, muss genau so von einem Richter geahndet werden können, wie dies im realen Leben möglich ist.

Es kann nicht sein, das jemand sich hinter den Pseudonymen "Goodfellow", "Hei-No", "Dr. T. Beuthel" oder „Kunde“ etc. versteckt und meint, unerkannt Manipulationen und Beleidigungen jeglicher Art zu verbreiten. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist wirklich ein erster wichtiger Schritt, um der Vernunft und Klarheit im Internet wieder größere Möglichkeiten einzuräumen.


Jetzt aber zum Schuldenkrisengipfel:

Nach zehnstündigem Verhandlungsmarathon hat am Donnerstagmorgen kurz nach 4.00 Uhr in der Frühe unsere Bundeskanzlerin, noch erstaunlich frisch anzusehen, den Durchbruch bei dieser Krisenbewältigung verkündet und hat gleichzeitig damit gezeigt, dass ihr "standing" ungleich besser ist als das von "Klein-Sarko", denn ihm hat bei seiner Pressekonferenz die nötige Konzentration gefehlt, als er begrifflich den Euro mit dem Dollar verwechselt hat und er sich eigentlich in einem bedauernswerten Zustand zeigte, ganz konträr zu seinem üblichen staatsmännischen Habitus als „monsieur le president de la grande nation“. Verzeihen wir es ihm, denn er hat bestimmt nur in der Nacht zuvor, anstatt zu schlafen, sein neugeborenes Töchterchen bewundert.

Doch, was hat man in Brüssel jetzt erreicht? Ist der Euro nun wieder sicher? Ist Griechenland gerettet und verbleibt weiterhin im Euroverbund? Werden die Finanzmärkte jetzt Ruhe geben? Hört vielleicht sogar die Spekulation der Märkte gegen einige dramatisch überschuldete Länder im Währungsverbund auf?

Fragen über Fragen!

Also beschlossen wurde, dass der Eurorettungsschirm mittels des mittlerweile in aller Munde kursierenden Hebels auf über eine Billion Euro ausgeweitet (gehebelt) wird. Dies soll mithilfe von Anlegern geschehen, die ihr Geld bis zu 30% durch die früher festgelegten Einlagen der Euromitgliedsländer gesichert bekommen sollen. Das erste Ziel aus deutscher Sicht soll damit erreicht sein, nämlich keine Anhebung der Garantiesummen des Rettungsschirms. Es bleibt bei der von der großen Mehrheit des Bundestages beschlossenen Garantieleistung der Bundesrepublik Deutschland.

Weiterer Knackpunkt und eventuell entscheidend über Absturz oder Gelingen der Verhandlungen war die Haltung der Banken und Versicherungen, die bei der unumgänglichen Maßnahme eines Schuldenschnitts für Griechenland, um so dem Land überhaupt eine reelle Chance zu verleihen, wieder auf die Beine zu kommen, sprich sich wieder wirtschaftlich zu entwickeln und nicht um in den Schulden zu ertrinken, ein gewichtiges Wort mit zu reden hatten.

Da sich Griechenland bei den internationalen Staats- und Privatbanken durch ihre Staatsanleihen so hoch verschuldet hat, diese Schulden aber überhaupt nie mehr geordnet durch den griechischen Staatshaushalt zurückgezahlt werden können, blieb nur ein kräftiger Schuldenschnitt (hair- cut) übrig, wenn man das Land nicht in eine ungeordnete Insolvenz rauschen lassen wollte, ungeordnet deshalb, weil bislang die Abwicklung einer Staatsinsolvenz für die Staaten des Euro-Raumes nicht existiert.

Klar war allen Protagonisten, dass dann sofort der sogenannte Dominoeffekt eintreten wird, dass Länder wie Irland, Portugal, Spanien, Frankreich und Italien ebenfalls höchst gefährdet sind, dank ihrer extremen Staatsverschuldungen.

Diese Länder würden, ähnlich wie Griechenland, dann an den Finanzmärkten Zinsen von bis zu 20% zahlen müssen, um frisches Geld zu erhalten, was wiederum die Verschuldung noch schneller in die Höhe treiben würde. Der Rettungsschirm soll diese extremen Zinsen ja auf ein erträgliches Niveau herunterfahren, ein Niveau, das in etwa zwischen 2-4% veranschlagt werden kann.

Für die gefährdeten Länder zusammen wäre allerdings kein Rettungsschirm groß genug gewesen, damit alle hätten darunter flüchten können.

Deshalb musste der Versuch unternommen werden, Griechenland zu retten und dies funktionierte nur dann, wenn man den Griechen einen großen Teil der Schulden erlässt.

Hier nun kommen die Banken ins Spiel. Sind sie dazu zu bewegen, auf große Teile zu verzichten? Wie hoch muss ein solcher Forderungsverzicht ausfallen, damit Griechenland die verbleibende Schuldenlast realistischerweise tragen kann?

Ich will es kurz machen. Merkel und Sarkozy sind in der Nacht persönlich zu den Verhandlungen mit den Bankenvertretern gegangen und haben ihnen ein Angebot gemacht, das sie wirklich nicht ablehnen konnten: 50% Forderungsverzicht, um dann die restlichen 50% mit 30% durch den Rettungsschirm zu sichern, war ihre alternativlose Forderung oder, der Totalausfall droht, anders übersetzt: Vogel friss oder stirb.

Am Donnerstag hat Josef Ackermann, der oberste Vertreter des internationalen Bankenverbandes, in einer ersten Stellungnahme sehr staatsmännisch von einer klugen zielführenden Entscheidung gesprochen, bei der sich die Bankenwelt sehr verantwortungsbewusst gezeigt hat, denn sie haben mit ihrer Entscheidung auf 50% der Forderungen zu verzichten, Wesentliches zur Krisenbewältigung beigetragen, so Ackermann.

Mir scheint, als hätte ich ein hintersinniges Lächeln über das Gesicht von Herrn Ackermann huschen sehen, als er dieses Statement abgab. Der alte Fuchs, welche Zugeständnisse hat er der Politik außerdem noch abgetrotzt, die in den Kommuniqués nicht öffentlich gemacht worden sind? Fakt ist, welche Beschlüsse auch gefasst werden, die Banken sind immer auf der Gewinnerseite.

Es wäre nicht die erste Zusatzvereinbarung, die bei solchen Verhandlungen die Bankenseite geschmeidiger werden lässt, um so der Politik die Möglichkeit zu geben, Erfolge zu verkünden.

"On verrat", wie der Franzose sagt, man wird sehen.

Des Weiteren müssen die Banken ihr Kernkapital auf 9% erhöhen, d.h., ihr Haftungskapital wird dadurch gestärkt, mit dem erwünschten Ziel, dass sie bei den nächsten größeren Forderungsausfällen nicht gleich wieder zu Wackeln anfangen und dann wie mehrfach geschehen, wieder vom Steuerzahler gerettet werden müssen. Somit soll der Anschein erweckt werden, als sollen sie demnächst ihre fehlgeschlagenen Zockereien selbst bezahlen. Diese Kapitalerhöhungen sollen sie sich über den Kapitalmarkt selbst besorgen, erst wenn das nicht möglich ist, kommen Nationalbanken zur Hilfe, wenn auch dieses scheitert, springt der Rettungsschirm ein.

Ich gebe zu, die Systematik der Beschlüsse könnte verwirrend sein, deshalb habe ich auch darauf verzichtet, alles noch mit den entsprechenden Zahlen zu unterlegen. Natürlich sind die Zahlen sehr wichtig, denn wir reden über Summen im Billionenbereich, Summen, die man sich eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann.

Doch genau so wichtig ist es oder vielleicht sogar noch wichtiger, sich über den Sinn des Ganzen Gedanken zu machen. Dazu gehört natürlich auch die Frage: Wo bleibt eigentlich der gesamte "Bimbes", (Originalwort Helmut Kohl), der verbraten worden ist und wer ist der Nutznießer des Ganzen?

Was geschieht eigentlich hinter den Kulissen, ohne dass der gemolkene Steuerzahler, der geprellte Anleger überhaupt weiß, was mit seinen Steuergroschen oder seinem Ersparten geschieht?

Donnerstagabend bei dem Polit-Talk von Frau Illner im ZDF hat man je nach Interessenlage der einzelnen Diskutanten, die Beschlüsse von Brüssel, etwas zu erhellen versucht. Interessant fand ich dabei die Aktion eines Wirtschaftsjournalisten, der zu Versuchszwecken Griechenlandanleihen vor einigen Wochen gekauft hatte, um experimentell zu erfahren, was denn mit seinem Geld in Form der Anleihe geschieht. Wunder oh Wunder, kein Absturz, kein Totalverlust, nicht einmal Geldschwund, sondern eine Renditesteigerung von 16% innerhalb eines Zeitraumes von 4-6 Wochen registrierte der Journalist.

Da er nur einen relativ geringen Betrag von etwa 8 Tausend Euro eingesetzt hat, ist der Gewinn noch überschaubar, die Gewinnmarge allerdings weit über dem normalen, bei Tagesgeld gibt es vielleicht 1-2%. In den großen Zockerbuden, spricht Investmentbanken werden allerdings Milliarden eingesetzt und dann dämmert es dem Betrachter allmählich, wo diese Ulta-Rettungssummen abgeblieben sein können.

Alle diese Abläufe werden allmählich durchschaubar und deshalb wundere ich mich nicht, dass die Menschen weltweit, sich zusammentun, um diesen Entwicklungen Einhalt zu gebieten, um lautstarken Protest gegen diese Machenschaften auszuüben.

Noch ist dieses Aufbegehren in den allerersten Anfängen, wie man in Frau Illners Sendung durch die unausgegorenen Aussagen von zwei jungen Aktivisten dieser Bewegung feststellen konnte. Aber eins zeigt die neue Protestbewegung schon jetzt ganz deutlich, die Menschen haben die Schnauze voll von der Gier einer kleinen, privilegierten Minderheit, auf Kosten der großen Allgemeinheit und vielleicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann sich die aufgestaute Wut in Gewalt entlädt.

Nicht umsonst bekommt die Piratenpartei nach neuesten Umfragen auf Anhieb einen Stimmenanteil von 10%, wenn am kommenden Sonntag gewählt werden würde. Dabei wissen die Wähler noch nicht einmal, wofür die „Piraten“ eigentlich stehen, sie wissen es ja selbst noch nicht einmal so ganz.

Festzustellen ist jedenfalls, dass das Lagebild sehr diffus ist und dass klare Konturen mitnichten zu erkennen sind. Dies muss sich schleunigst ändern.

Peter J. König

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