Samstagskolumne Peter J. König, 15.10.2011

Die intellektuelle Welt war zu Gast in Frankfurt.

Nun ist sie vorbei die größte Bücherschau der Welt, die Frankfurter Buchmesse. Im Jahreskalender der Stadt Frankfurt ein wirklicher Höhepunkt mit Ausstrahlung auf die ganze Welt hinaus.

Entsprechend war der Auftritt in der Stadt, nicht nur auf dem Messegelände selbst, sondern auch auf den Partys bei den ansässigen Verlagshäusern, wie S. Fischer, Frankfurter Verlagsanstalt, Suhrkamp und einigen anderen Verlagen. Bei der gehobenen Gastronomie, wohin die auswärtigen Verlage gerne ihre Autoren Prominenz jeglicher Art und auch die Pressevertreter gerne einladen, war Hochbetrieb.

Die angesehene FAZ lässt ihre Mitarbeiter die Geschehnisse rund um die Uhr begleiten, was diese wieder veranlasst, so manchen Stoßseufzer in ihre Reportagen oder Kolumnen einfließen zu lassen. Mitunter hat man den Eindruck, nach der Messe sei für diese Journalisten nicht nur eine überfällige Trinkpause notwendig, sondern sie würden auch gut daran tun, eine Woche lang die Täler des Odenwaldes zu durchstreifen, um so bei frischer kühler Luft die strapazierten Hirnwindungen durchzublasen, um sich auf diese Weise, von den geistigen Ergüssen eines Herrn Calmund, einer Katzenberger oder sonstiger, von plötzlichen Geistesblitzen getroffener Personen aus dem „Yellow Press“–Bereich, zu befreien. Ein wirklich harter Job bei der noblen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem nur die besten Schreiberlinge des Landes gewachsen sind. Verständlich, dass die Auslese deshalb so gnadenlos ist.

Es gibt natürlich auch angenehme Events, über die es zu berichten gilt, so zum Beispiel die Einladung ins „Restaurant Druckwasserwerk“, wo der Spitzenkoch Alfons Schuhbeck aus seinem neuen Buch über Gewürze ein entsprechendes und damit höchst anschauliches Beispiel gibt, wie einzigartig Gewürze die Küche generell bereichern und wie speziell der Meister in Form eines gelungenen Menüs damit umzugehen weiß. Anschaulicher kann man Wissen nicht mehr demonstrieren.

Wenn man dann noch erfährt, dass ein weiterer Spitzenkoch, nämlich Nelson Müller, dieses Mal einmal anders, die Veranstaltung mit seiner musikalischen Spitzenband garniert hat, dann weiß man, dass es auch lichte Momente im Leben eines Zeitungsredakteurs gibt. Der Verlag Zabert Sandmann hat sich wirklich etwas Gelungenes einfallen lassen.

An diesem Beispiel wollte ich einmal kurz demonstrieren, was alles während der Messe hier los ist und was auch noch möglich ist, wenn meine Frau unverhofft und hochbeglückt plötzlich mit der Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt Petra Roth amüsant plaudern kann, so wie auf der Einladungsparty beim S. Fischer-Verlag geschehen, wenn wir trotz allen Messestresses gestern Abend bei der Open Party 2011 im Literaturhaus endlich einmal wieder abrocken konnten, nicht ohne meine diversen Beobachtungen zu machen.

Schon beim Eintritt fühlte ich mich in meine Uni-Zeit vor etwa 40 Jahren versetzt, da eine lächelnde Studentin mir unbedingt einen Stempel mit zwei roten Herzen auf den Unterarm verpasst hat. Sofort ging mal wieder ein Türchen in meinem Kopf auf und die Mensa der Universität Mainz kehrte zurück, damals Veranstaltungsort für Semesterfeten. Ansonsten nichts Vergleichbares und nicht nur, weil das Literaturhaus auch ältere Semester anzieht, das haben die Uni-Feten der früheren Jahre auch vermocht, da so mancher Dozent oder Professor sich locker unter die Tanzwütigen gemischt hat, wobei den selektiven Augen dieser studierten Herren nichts entging und „Groupies“ auch schon zu dieser Zeit nach Idolen Ausschau hielten.

Nein, hier und heute, sprich gestern Abend, dominierten eindeutig die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechtes, nicht nur in der Anzahl, sondern auch im Auftreten und besonders beim Bewegungsdrang. Sie haben das Parkett eindeutig für sich in Anspruch genommen, mit überwältigender Mehrheit, ähnlich werden sie Zug um Zug die führenden gesellschaftlichen Positionen für sich einnehmen, daran geht kein Weg vorbei, meine Herren.

Vielleicht ist das die Möglichkeit, unser marodes gesellschaftliches Gefüge wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Ein symptomatisches Bild: Die Männer stehen drum herum, mit der Bierflasche in der Hand, durchaus interessiert, aber initiativlos und diese Herren waren keineswegs nur im studentischen Alter. Kein Wunder, dass so manche weibliche Paarung nicht nur über Literatur geplaudert hat, sondern dass die Ambitionen sich sichtbar auf tiefere Lebensbereiche ausgedehnt haben.

Trotz aller Zeitenunterschiede, in einem Punkt ist es wie eh und je und wird es wohl auch immer bleiben: Wenn der DJ die Stones rocken lässt, dann geht die Post ab, altersübergreifend und intersexuell.

Ja, in diesen Messetagen ist Frankfurt, der geistige Nabel der Welt, der Buchwelt und jeder hat die einmalige Gelegenheit, sich zu informieren, Autoren von Weltrang zu hören, Lesungen finden aller Orten statt, und wenn man sich umtut, kann man auch durchaus interessante Partys besuchen, speziell zur Messezeit veranstaltet, auch ohne dass man einen Presseausweis als Türöffner vorweisen kann.

Jedoch es waren auch dunkle Schatten über der Messe auszumachen, alles noch nebulös, ohne dass es von irgendeiner Seite offizielle Erklärungen gibt. Fakt ist, dass neben dem gedruckten Buch, E-Books sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Daran hat der weltgrößte Versandhändler „Amazon“ keinen unwesentlichen Anteil, denn er hat mit „kindle“, dem digitalen Lesegerät eine Möglichkeit geschaffen, dem E-Book einen mächtigen „Push“ zu geben, was letztendlich dem gedruckten Buch den Garaus machen soll. Wie ich hörte, soll sich ein solches Gerät bei den Studenten großer Beliebtheit erfreuen.

Praktisch wird in der Zukunft jegliches Wissen, jegliche Literatur und alles Publizierte von einem solchen „Tablet“ abrufbar sein. Welch eine mächtige Konkurrenz für das gedruckte Wort. Ich denke dabei noch nicht einmal an die große Literatur, die wird es wohl immer in althergebrachter Form geben, schon deshalb, weil es dafür eine gesteigerte Sammelleidenschaft gibt und weil sie Atmosphäre pur vermittelt. Denken Sie an einen Raum mit gefüllten Buchregalen an den Wänden und einem gemütlichen Lesesessel oder noch besser mit einer Ottomane bestückt, oder stellen Sie sich das Ganze dann mit einem „E-Tablet“ oder einem Laptop vor, nicht wirklich alternativ.

Allein die Verbindung der bibliophilen Produkte mit dem digitalen Medium ist denkbar, also Laptopschreiben in der Bibliothek. :-)

Aber es gibt eine Sparte im Verlagswesen, die es wohl härter treffen wird. Das ist zum einen die Wissensliteratur, denn es stellt sich die Frage, ob ein Jurastudent wirklich noch ein gedrucktes Buch vom „BGB- Allgemeiner Teil“ benötigt, oder ob es nicht einfacher und auch billiger ist, den Inhalt sich digital zu besorgen, der auch noch auf den neuesten Stand der Rechtsprechung digitalisiert wurde, wo doch ein gedruckter Wälzer sich ziemlich bald einer Neuauflage unterziehen muss.

Zum anderen hört man hinter vorgehaltener Hand bei den kleinen Verlagen, dass sie existenziell bedroht sind, das sie gar nicht das Kapital besitzen, bekannte Autoren zu vermarkten oder jungen Autoren mit großen Werbe-Budgets zu hohen Auflagen zu verhelfen.

Zu alledem scheint Amazon dazu übergegangen zu sein, alle möglichen Autoren an sich zu binden, ihnen über „kindle“ eine Plattform zu geben und so den kleinen Verlagen auch noch die Autorengrundlage zu entziehen. Es scheint sich ein Wandel anzubahnen, wie in der gesamten Wirtschaft seit Jahren zu beobachten, nämlich die Konzentration weg von der Vielfalt, hin zu den alles vereinnahmenden Großstrukturen und dabei walzt das Geld alles platt.

Stellt sich die Frage, was wird aus diesen hochgebildeten Menschen, die in dieser weitverzweigten Branche tätig waren? Werden überhaupt noch z. B. Lektoren benötigt, die einen wichtigen Anteil beim Zustandekommen eines Buches leisten, wenn wie man hört, Amazon diesen Part den Autoren überlässt, sie selbst sich aber nur für die digitale Veröffentlichung zuständig fühlen. Amazon soll massive Offerten allen Autoren unterbreitet haben, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung und ihres Bekanntheitsgrades. Mir scheint, es findet momentan ein geballter Angriff auf breiter Front auf das gedruckte Buch statt.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie das Verlagswesen darauf reagieren wird und ob sie es schaffen werden, mit neuen Strategien ihren Platz in dieser elementaren Kulturwelt zu behaupten. Ich jedenfalls wünsche es ihnen von Herzen.

Ab morgen hält uns dann wieder eine andere Welt in Atmen, dann rückt wieder die Sorge um die europäische Schuldenkrise in den Mittelpunkt. Hier schrillen die Alarmglocken schon ziemlich laut. Die Rating-Agenturen liegen auf der Lauer, wie sich die hohe Politik bei dem anstehenden G-20 Gipfel zu brauchbaren Lösungen in dieser Krise durchringen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, dann ist das, was dann auf uns zukommt, gemessen an den dunklen Wolken über der Frankfurter Buchmesse, das pure Desaster.

Peter J. König

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