Samstagskolumne Peter J. König, den 17.9.2011

Die Achsen verschieben sich!
Noch einmal darf eine deutsche Schlüsselindustrie mit großem Prunk und Pomp in diesen Tagen ihr Image aufpolieren und mit strotzendem Selbstbewusstsein Stärke demonstrieren. Die Automobilmesse in Frankfurt hat begonnen.
Seit jeher das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, wo doch immerhin ¼ des Bruttosozialproduktes von dieser Branche generiert wird, wie Frau Merkel in ihrer Eröffnungsrede uns gestern allen ins Gedächtnis rief.
Natürlich alles edel, alles schön und alles unendlich teuer, weil einzelne Automobilhersteller sich  Messeaufbauten bis 10 Millionen Euro leisten, um ihre Produkte möglichst spektakulär ins Rampenlicht zu rücken. Dabei sollen  bei dem Betrachter Träume geweckt werden, Träume in PS, Chrom und Leder, Träume, die noch durch attraktive junge Damen perfektioniert werden.
Welch` ein Bild,  das silberfarbene neue Mercedes SLS- AMG Cabrio, auf dem Beifahrersitz eine etwas kühle, aber überaus Vamp-gestylte dunkelblonde Schönheit!  Als Hintergrund dient ein Film, der auf der Küstenstraße am südafrikanischen Cap aufgenommen wurde,  alles perfekt inszeniert.
Wo werden Männerfantasien realistischer dargestellt, als bei diesem Auftritt von perfekter, menschlicher Schönheit und kraftvoller Top gestalteter Technik? Aber etwas fehlt immer bei diesen Bildern, nämlich der Hauptakteur, das Wesen hinter dem Steuer. Da bleibt noch genügend Raum für die Fantasie jedes einzelnen Betrachters.
Der Vollständigkeit halber muss ich aber sagen, dass  es noch andere Plattformen gibt, die durchaus ebenbürtig sind, was die Attraktivität dieses eben gezeigten Bildes anbelangt. Sie firmieren unter solchen Edelbezeichnungen wie Ferrari, Maserati, Rolles-Royce, Bentley, Aston Martin, aber auch  Porsche, Jaguar und noch weiterer Nobelmarken.
Doch weg von den Sahnehäubchen, hin zum Brot- und Buttergeschäft des millionenfachen Alltags. Hier ist zu sehen, wie sich die Achse allmählich zu verschieben beginnt. Es sind zwar nur erste Anzeichen, und um wieder Frau Merkel zu zitieren “unsere Industrie ist  breit aufgestellt und bestens für die Zukunft gerüstet“. Aber dennoch müssen wir registrieren, dass wir zum ersten Mal, die Automobilindustrie in Deutschland war über hundert Jahre immer der Vorreiter in Sachen Innovation, seit Carl Benz das Automobil entwickelt hat, bei einer Zukunftstechnologie hinterher hinkt. Während die Japaner und die Franzosen schon jetzt alltagstaugliche Elektroautos auf den Markt bringen, beginnen die deutschen Hersteller so allmählich serienreife Modelle mit Elektroantrieb zu verkaufen.
Wenn ich mir die Bilder der Megametropolen dieser Welt ansehe, wenn ich weiß, unter welchen Problemen der Luftverschmutzung diese Großurbanisationen leiden, in Peking, Neu-Dheli oder auch Sao Paulo, in London und auch in deutschen Großstädten werden schon Benutzungsplaketten ausgeben, um so der verpesteten Luft entgegenzuwirken, dann weiß ich auch, dass der Elektromotor einen Siegeszug im Mobilitätswesen antreten muss und dass es ein Riesengeschäft werden wird. Ähnliche Zukunftschancen hat wohl nur noch der Antrieb mit Wasserstoff. Dies aber ist Zukunftsmusik.
Bei allen Überlegungen ist ein Faktor besonders  entscheidend und gipfelt immer wieder in der Frage: Zu welchem Preis lassen sich diese neuen Technologien bewerkstelligen? Dabei handelt es sich um den mit Abstand wichtigsten Faktor, denn alles muss zu vermarkten sein. Die Preise heutzutage für Autos sind eh ins Astronomische gestiegen. Fast 40 Tausend Euro für einen gut ausgestatteten Golf  ist keine Ausnahme und wahrlich kein Pappenstiel.
Vor 25 Jahren musste man für einen Mercedes 300 SE  Vollausstattung  42 Tausend DM den Herren der Niederlassung überweisen, auch schon sehr viel Geld, aber man bekam auch  einen wirklich akzeptablen Gegenwert. Hieran mag man ebenfalls feststellen, wie sich die Achse verschoben hat. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch einmal an den Umtauschkurs von der D-Mark  zum Euro erinnern. Ein Euro kostete „round about“ 1,96 DM  und auch heute gibt es immer noch für eine D- Mark einen Betrag von 0,51 Euro bei der Bundesbank falls man erst jetzt Opas Geldkatze unter dem Dielenboden findet.
Als Nachtrag zur stattfindenden IAA in Frankfurt und dem kraftvollen Auftreten dieser Branche möchte ich selbstverständlich noch erwähnen, was einige fachkundige Analysten im Zuge der Messeberichterstattung lakonisch festgestellt haben: Die Firmen haben sich zuletzt eine goldene Nase verdient.
Aber, aber, aber unkt es aus der Fachwelt, schwarze Wolken am Konjunkturhimmel, keinerlei Zuwächse im kommenden Jahr, Stagnation, vielleicht sogar Rezession. Warten wir es ab. Entscheidend ist, wie stark die europäische Schuldenkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt, wie viele faule Kredite noch immer bei den Banken schlummern, wie drohende Staatspleiten  der bekannten Länden gemanagt werden können.
Die Eurobonds grüßen schon einmal aus Brüssel herüber und wie viel Bereitschaft  bei den einzelnen Regierungen weltweit vorhanden ist, sinnvolle Einsparungen zu tätigen, ist Teil der Bewältigungsstrategie.
Dabei wird es darauf ankommen, die Lasten der Staatsfinanzierungen ausgewogener zu verteilen, d.h. diejenigen, die mehr haben zu bitten, auch mehr zu geben. Es soll ja auch in Deutschland Initiativen seitens sehr vermögender Menschen geben, von sich aus dem Staat bei der Bewältigung der enormen Schuldenlast unter die Arme zu greifen.
Selbst China zeigt Bereitschaft, so in dieser Woche vernommen auf einem Wirtschaftsforum in einer chinesischen Stadt und nicht etwa im bekannten Tagungsort Davos, wo üblicherweise Staatslenker und Industriebosse Zukunftsszenarien entwerfen, China will unter gewissen Bedingungen, (Öffnung der europäischen Märkte, Transfers neuester westlicher Technologien, alles sehr schlau) den europäischen Ländern helfen, indem sie deren Staatsanleihen kaufen. Sie müssen ihre Finanzreserven von mehr als drei Billionen Dollar gewinnbringend anlegen. Schon heute  sind sie der größte Devisengeber, sprich größte Gläubiger der Vereinigten Staaten.
Welch` eine Achsverschiebung.  Noch vor wenigen Jahrzehnten das arme Riesenreich, wobei Millionen von Chinesen, speziell auf dem Land, immer noch bettelarm sind. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor, die besagt, dass das pro Kopfvermögen bei einem Einwohner Chinas 2.000 Dollar beträgt, während ein Schwede mit 60.000 Dollar errechnet wurde, bezogen auf das jeweilige Staatsvermögen.
So werden jetzt vielleicht die Europäer von den Chinesen finanziert, was natürlich auch wieder einen wirtschaftlichen Hintergrund hat, denn wenn wir Europäer pleitegehen, wohin dann mit den chinesischen Produkten, wer kauft ihnen diese Riesenkapazitäten ab?
Ich erinnere mich, dass wir bis vor kurzem noch Entwicklungsgelder an das Reich der Mitte überwiesen haben. Es würde mich nicht wundern, wenn das immer noch geschehen würde. Dies würde  dann aus einer Achsverschiebung eine kuriose Achsverschiebung machen, denn kurios ist eh schon, dass aufgrund der großen Nachfrage aus China, der Subskriptionspreis für den letzten Jahrgang des Premier Grand Cru  Classé   von Chateau Lafite auf über 600 Euro pro Flasche gestiegen ist. Der neue chinesische Geldadel vergöttert die „Großen Gewächse“ aus Bordeaux. Sie sind der ideale Maßstab zu zeigen, dass man es geschafft hat.
Natürlich, und da schließt sich der Kreis wieder, gehören deutsche Luxuskarossen unbedingt auch dazu. Viele begeisterte Begüterte kommen deshalb schon einmal nach Frankfurt geflogen, um sich schon einmal   Appetit für den nächsten Autokauf in ihrem heimischen Autosalon zu holen. Dabei wird es wohl nicht mehr lange dauern, dass selbst die deutschen Spitzenautomobile im Reich der Mitte entwickelt und produziert werden, die Achsverschiebung wird dafür sorgen.

Peter J. König

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