Samstagskolumne Peter J. König, 20.8.2011.

Am letzten Sonntag durfte der politisch Interessierte ein ganz besonderes Rührstück perfider Selbstdarstellung erleben. Der potentielle Nachfolgekandidat für den Posten des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten gab unter Tränen seine bereits designierte Position für dieses Amt seitens der CDU auf und trat von allen Ämtern zurück.

Grund für diesen Kandidatensturz war „die Liebe“ des promovierten 39 jährigen Juristen. Er hatte ein Verhältnis zu einer 16 jährigen Schülerin aus Liebe, wie er betonte, und seine Gefühle gingen mit ihm bei diesem Geständnis sichtbar durch. Leider lässt sich diese Verbindung trotz aller Liebe nicht mit seinem zu erstrebenden Amt des Ministerpräsidenten vereinbaren, so seine Partei. Die Verbindung wurde staatstragenden Interessen geopfert, weiß Gott ein Fall, bei dem Tränen fließen können.

Tränen sind aber nicht wegen dieser inszenierten Schmonzette angebracht, sondern durch die Tatsache, dass solche dubiosen Personen in hohe politische Ämter streben und sie oftmals auch erreichen. Wie ist es eigentlich um die Persönlichkeit eines etwa vierzigjährigen Mannes bestellt, der eine sexuelle Beziehung zu einer sechszehnjährigen Schülerin unterhält, wobei anzumerken ist, dass die Sache haarscharf an strafrechtlichen Konsequenzen vorbeischrappt, denn bis zu einem Tag vor dem sechzehnten Geburtstag dieses jungen Mädchens ist der Staatsanwalt involviert.

Das Ganze erinnert irgendwie an den Roman "Lolita" von Nabokov, nur dass es sich hier um die blanke Realität handelt, eingefädelt durch einen Mann, der anstrebt, Landesvater zu werden. Degoutant auf der ganzen Linie, abscheulich, der politische Abgang.

Wenige Tage später, erneut eine Offenbarung politischen und charakterlichen Sinneswandels. Ein kritischer Fernsehjournalist hat recherchiert, mit welcher Beschäftigung jetzt die Heroen der rot-grünen Regierung, Schröder und Fischer, sich die Taschen vollstopfen und wie diese Tätigkeiten mit ihren früheren, politischen Botschaften zu vereinbaren sind. Schröder, der Sozialdemokrat, Anwalt der kleinen Leute, hat sich nahtlos nach dem Verlust seines politischen Spitzenamtes der internationalen Großindustrie angedient.

Nicht zuletzt durch seinen Freund Putin, „dem lupenreinen Demokraten“, wurde er in russische Konsortien jeweils für hunderttausende von Euro, als Umweltberater vermittelt. Leider findet Umweltschutz in den russischen Förderungsgebieten seitens Schröders Brötchengeber nur unwesentlich statt. Die Verseuchung ganzer Landstriche spricht Bände. Herr Doktor Schröder steht dafür mit seinem Namen….

…..und Herr Fischer, der grüne Ideologe mit pragmatischem Sinn? Mit seinem Erscheinungsbild dokumentiert er mittlerweile die ganze Dimension seines Wollens. Früher noch sportlich schlank, signalisierte er dynamisches Machertum, ein kraftvoller Problemlöser mit forscher Lippe.

Die forsche Lippe ist zwar geblieben, aber sie ist mittlerweile Teil des Körpers, der verfettet, aus allen Nähten quellend, genau anzeigt, wohin seine Reise geht: Alles in sich aufnehmend, skrupellos Beute machend. Auch er verkauft sich als ökologisches Gewissen an die Großkonzerne der Automobilindustrie, der Energiewirtschaft und anderer lukrativer Branchen unserer Wirtschaft. Im Nadelstreifenanzug sind die Jeans und Turnschuhe von einst, nur noch reliquienhafte Erinnerungen. Ausgesprochen hässlich diese Metamorphose.

Wir müssen aber nicht glauben, dass die Politik das einzige Wirkungsfeld ist, das solche Scharlatane hervorbringt. Auf allen gesellschaftlichen Feldern treten immer wieder Personen auf, die ihren Egoismus zielstrebig dazu einsetzen, reiche Beute zu machen. In der Politik braucht man aber dazu keine spezielle Vorbildung, wie in der Juristerei oder vielleicht in der Medizin. Eine gewisse schauspielerische Fähigkeit und der nötige Ehrgeiz profilieren zu maximalem Erfolg. Wie Adenauer schon sagte, „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, wobei der schlaue Fuchs diese Floskel nur rhetorisch eingesetzt hat. Seinen Prinzipien ist er eigentlich immer treu geblieben und dies ist es doch, was im menschlichen Miteinander so wichtig ist.

Nicht der Standpunkt des Einzelnen ist das Problem, sondern die Wahrhaftigkeit, mit der man zu seinen Aussagen steht, besonders wenn es sich um Dinge handelt, die weitreichende Folgen haben und besonders, wenn es sich dabei um Personen handelt, durch deren Tun sehr viele Menschen betroffen sind.

Um es Karrieristen mit besonders flexibler Prinzipienbreite nicht leicht zu machen, ermuntere ich dazu, dass möglichst viele Personen sich aktiv ins politische Geschäft einmischen. Dann würden eventuell bestimmte Berufsgruppen wie Juristen, Lehrer und sonstige Beamte in den Parlamenten wieder zurückgedrängt werden. Momentan bilden sie die mit Abstand größte Berufsgruppe unter den Parlamentariern.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, eigene politische Ideen durchzusetzen, geschweige die so genannte politische Ochsentour vom Ortsverein über die Kreisebene bis auf die Landes- oder Bundesebene durchzustehen. Als Selbstständiger fehlt schlichtweg die Zeit, um ständig alle möglichen Termine wahrzunehmen, ohne dass der eigene Betrieb darunter leidet und dennoch ist es wichtig.

Beamte haben es da einfacher. Sie können sich problemlos ausklinken. Bei den Juristen handelt es sich zumeist um Zöglinge, die sich schon als Schüler an die jeweiligen Parteien gekettet haben. Dies ist alles nicht befriedigend. Mehr Vielfalt durch die unterschiedlichsten Berufsgruppen ist vonnöten. Dabei sollen es beileibe nicht nur akademisch ausgebildete Volksvertreter sein, denn dieses würde nur ein Zerrbild der Gesellschaft darstellen. Nach dem Grundgesetz sollen sich alle Berufsgruppen in den Parlamenten wiederfinden. Zudem würde ein stärkeres Engagement, breitgefächert, den Karriererittern den Aufstieg erschweren.

Zum Schluss möchte ich heute noch ein Buch empfehlen, das sich mit all diesen menschlichen Charaktermustern hochintellektuell auseinandersetzt. In Form einer Lebensreise wird der Protagonist durch alle menschlichen Höhen und Tiefen geführt und lernt damit all das kennen, was menschliches Dasein so kompliziert macht. Das wirklich interessante an diesem Buch ist, dass der Autor Balthasar Gracian, einer der größten Philosophen des spanischen Barocks, in seinem Buch „Das Kritikon“ all das menschliche Verhalten herausarbeitet, das wohl zu allen Zeiten von Bedeutung ist.

Erstaunlich sind die Parallelen, trotz der unterschiedlichen Jahrhunderte. Erstaunlich sind auch die gleichen Verhaltensmuster, als ob der Mensch niemals etwas dazulernen würde. Allein die Hoffnung bleibt.

Peter J. König

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